
m°ntal um die seitwärts geneigte Achse des Kopfes, daher geht
die Cirkelbewegung nun schief aufwärts. Dieselbe Scheinbeweguhg
erfolgt, wenn man mit nach der Seite geneigtem Kopfe sich hori-
zontai dreht, pïötzheh still steht, aber den Kopf jetzt aufrichtet.
Siehe über diesen Gegenstand P urkinje in med. Jahrh. d. Oesterreich.
Staates. Mit diesen Scheinbewegungen darf man andere nicht
verwechseln, welche aus Nachbildern entstehen und von welchen
wir hei diesen handeln werden. Die Scheinbewegungen vom
Drehen haben nichts mit den Nachbildern zu thun,' sie können
auch erfolgen, wenn man sich hei verschlossenen Augen gedreht hat.
W i r k u n g d e r A u fm e r k s am k e i t b e im Se h e n .
Wir schliessen diesen Artikel von der Wechselwirkung der
Netzhaut und des Sensoriums mit einer Bemerkung über dieEin-
™ ltlnS des Vorstellungsvermögens auf den Act des Empfindens,
• ®ie Seele kann ihre Aufmerksamkeit bald dem Gesichtssinn,
ba.d dem Gehörsinn, bald dem Gefühlssinn ausschliesslich oder mehr
zuwenden. Ist sie mit den Wirkungen des- einen Sinnes ausschliesslich
beschäftigt, so percipirt sie von den Wirkungen
der andern Sinne wenig oder gar nichts. Der Gesichtssinn bringt
auch wie jeder andere Sinn keine Wirkungen auf die Seele hervor,
wenn sie in tiefe Betrachtungen anderweitig versenkt ist.
Mit starrendem Auge sehen wir tief nachdenkend oft gar nichts,
indem die Wirkungen der Nervenfasern nicht imStande sind, das
anderweitig tliatige Sensorium zu erregen und sich im Gehirn
unbeachtet verlieren müssen. .Zum Sehen ist also Aufmerksamkeit
dqr Seele nöthig. Aber die Aufmerksamkeit zergliedert auch das,
was un Sehfelde vorgeht. Von dem ganzén Sehfelde der Netzhaut
wird nicht Alles mit gleicher Schärfe erfasst, sondern bald dieses
bald jenes. Die Empfindung wird schärfer, indem das Empfundene
zugleich vorzugsweise vorgestellt wird. Jede mathematische
zusammengesetzte Figür wird anders aufgefasst, je
nach der Isolation der Aufmerksamkeit auf einzelne
, f y y<7\ Th eile der Figur. So prägt sich in der beiste-
,\A ^ Ä / hcnden FiSur bald das Ganze, bald seine Theile,
bald die' peripherischen 6 Dreiecke, bald das mittlere
Sechseck, bald die zwei grossen Dreiecke dem
Sinne schärfer ein. Je vielgliedriger eine Figur ist
um so mehr Variation bietet' sie dem Spiel der Aufmerksamkeit
dar. Daher architectonische Verzierungen für den Sinn eine gewisse
Lebendigkeit haben, indem sie dem Leben der vorstehenden
ihatigkeit immer neues Material schaffen. Siehe über diesen
Gegenstand P urkinje Beolachtungen und Versuche zur Physiologie
der Sinne. Prag 1823. I. T ourtual a. a. O. Vergl.. über die in
dier.em Artikel verhandelten. Gegenstände Heermann über die Bildung
der Gesichtsoorstellungen aus den Gesichtsempfindungen Han
nooer 1835. '
2. Von den Nachwirkungen der Gesichtseindrücke oder den
Nachbildern..
Die Dauer der Empfindungen in der Nervenhaüt ist viel länger
als dié Einwirkung des Lichtes stattfindet; nach P l a t e a u
( F e ch n e r ’s Repert. 2. 210.) dauert die Empfindung 0,32 — 0,35
SecUnden über den Gesichtseindruck, und die Dauer der Nachwirkung
nimmt in geradem Verhältniss zu mit der Dauer eines
Gesichtseindruckes. Daher kann man das Nachbild eines hellen
Gegenstandes, z. B. der lichten Fensterscheiben, sehr lange
im Auge behalten, wenn man die Fenster vorher sehr lange
unverwandt angésehen hat. Auch lässt sich die Dauer dieser
Bilder bei geschlossenen Augen sehr verlängern, wenn man
dié geschlossenen Augen durch Hinab- und Hinaufbewegen
der Hand abwechselnd beschattet und durch das durchwirkende
Tageslicht erhellt. Aus der Dauer der Nachbilder erklärt
sich die Erscheinung feuriger Kreise beim Bewegen eines
Lichtes im-Kreise vor den Augen, desgleichen die Vermischung
der Gesichtseindrücke der Speichert eines schnell laufenden Rades
und der Farben des Farbenkreisels. Bei einer nur momentanen
Beleuchtung, z. B. durch den Blitz oder electrischen Funken wird
die Vermischung der Bilder vermieden, und so lassen sich-auch
die Schwingungen einer Saite noch sehen.
Wivd ein Körper mit reihenförmig bewegten Theilen sehr
lange betrachtet, so behalten die Nachbilder auch einen Schein
von Bewegung in derselben Richtung, indem sie der Reihe nach
verschwinden. So lassen sich meines Erachtens gewisse Scheinbewegungen
erklären. Hat. man lange auf die Wellen eines fliessenden
Wassers gesehen und sieht plötzlich ab auf den Boden,
so scheint sich der Boden zu bewegen und zwar in entgegengesetzter
Richtung als die Wellen des Wassers es thaten. Diese
Erscheinung bemerkte ich oft, wenn ich aus dem Fenster auf
den nahen bewegten Fluss und dann auf das Pflaster der Strasse
sah. Ich sah sie auch heim Fahren im Dampfschiff auf der See,
wenn ich lange die am Schiff vorbeiziehenden Wellen betrachtete
und nun plötzlich auf das Verdeck des Schiffes sah. Nimmt man
an, dass noch Nachbilder der Wellen im Auge waren, und- dass
sie der Reihe nach verschwinden, wie sie in Folge der Bewegung
entstanden, so wird das Vorbeiziehen der Nachbilder beim Sehen
auf den Boden den Schein hervorbringen müssen, als ob der Boden
in entgegengesetzter Richtung sich bewege.
Man kann die qualitativen Unterschiede der Nachbilder in
drei Classen bringen. Die Nachbilder sind entweder farblose von
farblosen Bildern, oder farbige Nachbilder nach farblosen objec-
tiven Bildern, oder farbige Nachbilder nach farbigen objectiven
Bildern.
I. F a r b l o se N a c l i b i l d er n a c h f a r b l o s e n o b j e c t i v e n B i l d e r n .
J. Muei.ler Physiologie des Gesichtssinnes p. 401.