
Der weibliche Theil der Blüthen ist das Pistill, sein oberer
Theil ist die Narbe Stigma, sein unterer, der Fruchtknoten Ger-
men, in welchem, sich die Eichen lange vor der Befruchtung
bilden. Beide sind hei den meisten Pflanzen durch eine Röhre
den Griffel verbunden, Die Substanz des Griffels besteht im
Innern aus einem zelligen Gewebe, welches entweder den ganzen
Griffel bis zum Fruchtknoten ausfüllt, oder gewöhnlicher eine
centrale Höhle des Griffels einschliesst, welche von dem ohern
Ende des Griffels Stigma bis zum Fruchtknoten hinabreicht, und
sich in so viel Fortsätze theilt, als Eier vorhanden sind. Das Ei
hat meist zwei Häute, welche , das zeitige Perisperm einschliessen,
durch den Nabelstrang hängen diese Häute mit dem Fruchtknoten
zusammen, er leitet die Gefässe zum Ei, wo sie in den Hüllen
des Eies endigen. An einer andern Stelle befindet sich in diesen
Häuten eine Öeffnung, die Micropvle, welche zu dem Innern des
Eichens oder zum Perisperm führt. Aus dieser Öeffnung tritt
das Perisperm oder der Nucleus des Eichens bei vielen Pflanzen
als ein freies Zäpfchen, Kernzäpfchen hervor. Der Nucleus enthält
in sich eine Höhle, den Embryosack oder Keimsack, welcher
von. einer einfachen Zelle gebildet wird, und welcher für die Befruchtung
von grosser Wichtigkeit ist.
Zur Zeit der Befruchtung der Pflanzen nähern sich in den
hermaphroditischen Blüthen die Antheren der Narbe und bestäuben
sie mit dem Pollen; bloss weiblichen Blüthen wird der Pollen
theils durch den Wind, theils durch Insecten, oft über beträchtliche
Strecken zugeführt. Der nähere Vorgang der Befruchtung
ist in der neuern Zeit erst erkannt worden. A m i c i beobachtete,
dass die Pollenkörner auf der Narbe Röhren aus sich austreiben,
und B b o n g n i a r t verfolgte diese sich verlängernden Röhren bis
in das Gewebe des Stigma. Diese Pollenschläuche entstehen aus
der innern Membran der Pollenkörner, und wachsen durch wahre
Vegetation und Aneignung von Stoffen, die sie aus der Narbe
anziehen. Seither sind diese Schläuche durch den Griffelkanal
oder durch das Zellgewebe des Griffels bis zu den Eichen, zur
Micropyle verfolgt worden, und der Process der Befruchtung ist
durch die Beobachtungen von R. B r o w n , H o r k e l , S c h l e iö e n ,
M e y e n für viele -Pflanzen factisch festgestellt. Diese Beobachtungen
haben aber auf Meinungsverschiedenheiten in Hinsicht des
Geschlechtes der Pflanzen geführt. M ir b e l betrachtete die Befruchtung
der Pflanzen als die Impfung einer männlichen Zelle
auf eine weibliche. Nach S c h r e i d e n ’s Untersuchungen ( W i e g m a n n s
Archiv1837.1. p .291. Noc. act. nat. cur. X IX .pA .) wird hingegen
der Pollenschlauch selbst zum Embryo, indem er in die Micropyle
eingetreten den Embryosack vor sich hertreibt und einstülpt, und
eine aus diesem Theile des Pollenschlauches sich abschnürende
Zelle ist der Anfang des Embryo, welcher die Bildung neuer
Zellen veranlasst. Nach dieser, auf zahlreiche Beobachtungen
gestützten Ansicht ist die Lehre vom Geschlecht der Pflanzen
gänzlich zu reformiren, und die für weiblich gehaltenen Organe
sind vielmehr für die Bruthälter der ihnen eingeimpften Embryonen
zu halten. Von anderen Seiten und namentlich durch T r e -
viranus und M e y e n wird hingegen die alte. Ansipht vom Geschlecht
der Pflanzen vertheidigt. _ .
Nach M e y e n besteht die Befruchtung' der Pflanzen dann,
dass der Pollen eine kleine Menge der befruchtenden Substanz
in die Höhle des Nucleus führt, welche sich mit der bildungsfähigen
Schleimmasse der Höhle des Embryosackes vereinigt. Während
der übrige Theil des Pöllenschlauches sich abschnürt, durch
die Schleimmasse der Nucleushöhle oder des Embryosackes ernährt,
wächst der mit der Nucleushöhle vereinigte Theil zu einem
Schlauche, in dessen Innern sich Zellen bilden. M e y e n nennt das
Bläschen, welches sich nach dem Eindringen des Pollenschlauches
in der Höhle des Nucleus zeigt, oder welches nach der Vereinigung
des Pollenschlauches mit dem Embryosacke entsteht, das
Keimbläschen, durch die Vegetation desselben oder die Zellenbil—
düng in seinem Innern entsteht der Embryo.
Es scheint, dass man zunächst in Hinsicht des Vorganges
der Befruchtung bei den Pflanzen Beobachtung und Theorie ganz
trennen muss. Es wird sich zunächst darum handeln, ob die
Beobachtung von dem Eindringen des Pollenschlauches in den
Nucleus durch Einstülpung des Embryosackes richtig ist, und
ob sich der so eingedrungene Theil zum Embryo abschnürt, oder
ob, wie M e y e n annimmt, das von ihm sogenannte Keimbläschen
etwas ganz Neues und ein Product aus der Vereinigung aus dem
befruchtenden Inhalt des Pollenschlauches und dem Schleim des
Embryosackes ist.
Die Bildung der Mittelform bei der Bastarderzeugung, woraus
man sieht, dass die weibliche und männliche Pflanze gleichviel
zur Erzielung der Pflanzenform beitragen, beweist wohl für keine
der beiden Ansichten. Denn wenn auch der Embryo nach der
ScaLEiDEN’schen Ansicht zunächst nur ein, in den Nucleus eingeimpfter
Theil des Pollenschlauches ist, und wenn dieser zunächst
der fortwachsende Embryo ist, so wird dabei eine dynamische
Wirkung der Säfte des Nucleus auf diesen Theil nicht ausgeschlossen,
und auch wenn ]enes factisch ist, wird die Befruchtung doch
zunächst nur darin bestehen, dass ein Theil des Pollenschlauches
durch die Wechselwirkung mit dem Nucleus fähig zur Vegetation
in der Form der Pflanzenspecies wird. Ohne diese Einwirkung
wird der Pollenschlauch zwar einer Vegetation fähig seyn, die er
ja zu äussern beginnt, noch ehe er den Nucleus erreicht, aber
nicht der Vegetation in der ganzen Form der Pflanzenspecies.
Auch bei den Thieren kömmt das, was durch die Befruchtung
zur Vegetation fähig wird, von einem der Geschlechter, der Keim,
ja der befruchtete Keim unterscheidet sich sogar nicht von dem
unbefruchteten. _ _ .
Ob nun der dem thierisehen weiblichen Keim vergleichbare
Theil der Pflanzen wirklich das Po-llenkorn oder das bisher sogenannte
Pflanzenei ist, wird sich aus dem weitern Foitschiitt dei
Beobachtungen ergeben müssen.