
572 VI. Buch. V. Seelenleben, III. Abschn. Wechselwirkung d. Seele
von der Seite, bald von vorne statt. Syncephalus apro-
sopus mit Verlast der Gesichter, und entsprechende Formen
des Synthorax, Syngaster. Die seitlichen Syncephalen
mit Verlust gehen in die Theilungen der Achse über,
c. Vereinigung zweier Körper mit ungleichnamigen Theilen.
III. Implantatio. Vereinigung von zweien Körpern, wovon der
eine ganz bleibt, der andere bis auf einen Rest verloren geht.
a. Implantatio externa, aa. Implantatio externa aequalis. ' Implantation
in homologen Stellen. Aus der Brust eines voll-
kommnen Kindes hängt der Hintertheil des Körpers eines
zweiten ohne Vordertheil. Dritter Fuss, parasitischer Kopf,
Kiefer etc. bb. Implantatio externa inaequalis. Implantation
an heterogenen Theilen.
b. Implantatio interna, foetus in foetu.
IV. Dupplicität einzelner Theile durch Theilungen ausser der
Achse. Die Grenze zwischen der 3. und 4. Form ist in einzelnen
Fällen schwer zu ziehen. Siehe über die Anatomie
der Doppelmissgebürten Barkow Monstra animalium duplicia
per anatomen indagata. Lips. 1828.
Unsere Kenntnisse von den Seelenäusserungen Her Doppel-
misgeburten sind noch sehr gering, weil die Gelegenheit zur
Beobachtung derselben sehr selten ist, und die meisten Doppelt-
misgeburten nach der Geburt sterben. Indessen sind doch
schon einige wenige Beobachtungen über die wichtigsten Combi-
nationen vorhanden. Bei Duplicität des obern Theiies der Achse
und Einfachheit des untern haben die beiden Köpfe nicht etwa
zugleich Willenseinfluss auf den untern einfachen Theil des Rumpfes,
wie man es erwarten könnte, sondern der rechte Kopf bewegt
nur die rechte Hälfte und die rechte untere Extremität des
Rumpfes, der linke Kopf nur die linké Extremität, wie die an der
Rita Christina angestellten Beobachtungen erweisen. S erres recherches
d’anatomie 'transcendante et pathologique. Paris 1832.
Auch brachten Reize an dem rechten Fuss angebracht nur Empfindungen
im rechten Kopfe, Reize am linken Fuss. Empfindungen
im linken Kopfe hervor. Berührung in der Mittellinie des
einfachen Theils des Rumpfes wurde allein von beiden empfunden.
So dass die Fälle dieser Art mehr aus Confusion zweiep Keime
mit Zerstörung der Zwischentheile, als aus Theilung eines einzigen
Keimes entstanden zu seyn scheinen. Rita und Christina
batten den obern Theil des Darms bis zum Ileum doppelt, den
untern einfach. Das Gefühl von der Nothwendigkeit der Darmausleerung
war beinahe immer in beiden Individuen gleichzeitig.
Nach der vorhererwähnten Thatsache leidet es auch keinen Zweifel,
dass der einfache Theil des Darms aus der Confusion von zweien
Därmen mit Verlust der Zwischentheile beider Därme entstanden
ist. Vergl. J. Geoffroy St. H ilaire III. p. 189.
Was die Fälle mit einfachem Hirn und Schädel und Theilung
der Achse mit Verdoppelung der, Schnautze oder dès Rumpfes
betrifft, so habe ich glücklicher Weise s’elbst Gelegenheit
gehabt, eine Beobachtung anzustellen. Diese betrifft ein lebendes
Kalb mit einfachem Körper und Hinterkopf, aber doppeltem Geund
des Organismus. Phänomene.. 573
sicht, in der Art, dass die Schnautze doppelt, von den vier Augen
aber die zwei mittleren in eines verschmolzen waren. Ich habe
dieses Thier innerhalb eines Käfigs vor vielen Jahren lebend gesehen,
aber nur eine kurze Zeit und unvollständig beobachten
können, weiss auch nichts von seiner Anatomie. Da ich nicht
Besitzer dieses Körpers war, so interessirte mich nur zu wissen,
wie das Thier gegen Empfindungen reagirte. Als ich nun mit
einem Stock an den Mund der einen Schnautze aiistiess, war ich
sehr erstaunt, dass sich beide^Zungen zugleich und ganz in derselben
Weise nach aussen bewögten. Ich weiss mich nicht mehr
ganz bestimmt zu erinnern, ob beide Zungen hierbei divergirten,
oder ob die Bewegung aus dem Munde von beiden Zungen nach
einer und derselben Seite ausgeführt wurde. Doch ist mir das
Erstere das wahrscheinlichere. Es ist sehr zu wünschen, dass die
Gelegenheit zur Beobachtung ähnlicher Fälle wohl wahrgenommen
werde. Bei einer gleichzeitigen Ausführung des einen Willens
durch zwei doppeltgebildete Werkzeuge .ist die Idee der Genesis
der Doppelbildung durch Theilung des Keimes wahrscheinlicher,
als die Fusion. . ... c
Bei den Fällen von Implantation bietet sich am häutigsten
Gelegenheit zur Beobachtung dar. Implantirte Theile von Embryonen
ohne dazu gehörigen Kopf haben meist gar keine Empfindung,
so dass auch das Individuum, welchem sie lmplantirt
sind, von ihnen aus keinerlei Empfindung hat. So bei dem
Während des Lehens von Bur dach [Med. Zeitung des Vereins Jur
Heilkunde in Preussen. II. 209.) untersuchten Knaben, welchem
aus der Oberbauchgegend vier wohlgebildete Extremitäten hervorhängen.
Das Präparat befindet'sich im hiesigen anat. Museum.
Nerven des Mutterstammes gehen nicht in diese Anhänge .ein*
Welche von den Vasa mammäria ernährt werden, Vergl. über
mehrere ähnliche Fälle J. Geoffrox St. H ilaire a. a. O. Man
hat aber auch schon Fälle beobachtet, wo dergleichen Anhänge
mit Empfindung ihres Mutterstammes gereizt wurden. Siehe ebendas.
227. 231. Welches nicht unmöglich scheint, wenn man bedenkt,
dass implantirte Nasen anfangs gefühllos sind, allmähhg
aber Gefühl erhalten. _ ,
Ein Fall, der noch in keiner Doppelmisgebnrt beobachtet
worden, ist der doppelte Willenseinfluss einer doppeltköpfigen
Misgeburt auf einen einfachen Rumpf. Dass, diess qedoch wenigstens
bei den niederen Thieren-im Reiche des Möglichen liegt,
kann nicht gerade verneint werden, und eS wäre vielmehr eine
genauere Beobachtung an künstlich hervörgebrachten Doppeltbitdungen
von Hydren wünschenswert!!, wo sich doppeltköpfige
Thiere mit einfachem Rumpfe, wie T remblEy zeigte, leicht durch
Zertheilung des Kopfendes der Länge nach erzeugen lassen. Die
ästige Vörticelle Carchesium polypinum E urekb., welche sich durch
Selbsttheilung der Länge nach vermehrt, und W'o die gethedten
Individuen auf demselben durch einen Muskel contractilen Stiel
sitzen, gehört vielleicht hieher.