
64 IV. Buch. Bewegung. II.Ahschn. Von den verschied. Muskelbewegg.
stoff des Bluts gemein hat, dass sie sich an der Luft stärker
roth färht, scheint die Ursache dieser Eigenthümlichkeit zu seyn.
Freilich stützt sich dieEintheilung der Muskeln in willkührliche und
unwillkührliche mehr auf die vom Nervensystem, als auf die von den
Muskeln selbst hergenommenen Gründe*, aber auch hier finden sich
bei der Iris und der Urinblase Schwierigkeiten. Bedenkt man endlich,
dass manche an sich dem Willen unterworfene Muskeln
doch beständig auch .gegen den Willen zusammengezogen werden,
wie der Sphincter ani, dass einige zum System der animalischen
Muskeln gehörende hei den wenigsten Menschen will-
kührlich bewegt werden können, wie der Cremaster u. a., dass
alle willkührlich beweglichen Muskeln aber oft den umvillkühr-
lichen Bewegungen, sey, es durch Reflexion oder Association,
blosse Vorstellungen, wie beim Lachen, Gähnen, Seufzen, noch
mehr -aber durch Leidenschaften, unterworfen. sind, so sind
Gründe genug vorhanden, hier eine Eintheilung zu wählen, bei
welcher die inneren Ursachen der verschiedenen Bewegungen
mehr übersichtlich werden. Da die Aufstellung der Ordnung der
unwillkührlichen Bewegungen von einem negativen Character
hergenommen ist, so haben Einige die thierischen Bewegungen
in automatische und willkührliche besser eingetheilt. Indessen
giebt es so viele in Hinsicht der Ursachen sehr verschiedene Arten
der unwillkührlichen Bewegung, dass uns diese Eintheilung
auch nicht ganz nützlich scheint. Denn welche Unterschiede sind
zwischen den automatischen, rhythmischen Bewegungen des Herzens
und der Athemmuskeln, und den Reflexionsbewegungen.
Die verschiedenen Ursachen der Muskelbewegungen scheinen
durch folgende Classen am meisten zur Uebersicht gebracht zu
werden.
/. Durch heterogene, äussere oder innere Reize bedingte Bewegungen.
Unter heterogenen Reizen verstehen wir hier alle Ursachen
zu Bewegungen ausser dem blossen Impuls des Nervenprincips
selbst. In der Regel wirken solche Reize im gesunden Zustande
nicht ein; es giebt jedoch einige Fälle, wo sie auch normal sind,
wie der Reiz der Galle, der Excremente auf die Bewegungen.- des
Darmes, des Urins auf diè Urinblase etc. Zur Bewegung ist*eine
Veränderung des Zustandes der Muskelnerven nöthig. Es ist
gleichgültig, ob diese dem Nerven aus seinen anatomischen Verbindungen
mit den Centralorganen, oder aus seinen Befassen,
oder ganz von aussen zufliesst. ‘ Dieser Bewegungen sind alle, die
animalischen und organischen Muskeln gleich fähig;* sie erfolgen
unwillkührlich, mögen die Muskeln sonst dem Einflüsse des Willens
entzogen seyn oder nicht. Der Ort, wo die Reizung geschieht,
kann dreifach seyn. i
ß. 'Der Muskel selbst. In diesem Falle werden die im Muskel
selbst sich Verbreitenden Nerven zunächst afficirt, in dessen Folgte
erst die Convulsion eintritt. Siehe oben p. 52. Das Herz zieht
sich bei äusserer Reizung, ebenso dér Darmkanal, die Urinblase,
alle unwillkührlichen gleich gut wie die witlkührlichen Muskeln
zusammen. Es findet nur der Unterschied statt, dass die äusse-
rén Reize an dén organischen vom N. sympathicus abhängigen
Muskeln nicht immer einte rasche und augenblicklich erfolgende
Konvulsion zur Folge haben, ‘,» e an den animalischen Muskeln,
dass die erfolgende ContractiQu vielmehr entweder langsam emtritt
und, 'Vieh verstärkt, wie am Darrakanale und .Uterus der
Ehiere; und dass sie lange nach dem Aul hören des Reizes ihr Ma-
y/mum erreicht, und dauert, oder dass der Re.zbei den rbythm«^
sich zusammenziehenden Organen, wie am Herzen, den Modus
und die Schnelligkeit des Rhythmus, agf einen ganzen Zeitraum
verändert. Siehe das Nähere oben Bd.I. p. 711* Es scheint da-
her dass die Fortpflanzung der Belegung des Nervenprincips in
dem N. syibpathicls' viel langsamer geschieht als m den animalischen
Nerven, deren Reizung augenblickliche Wirkung hervorbringt,
die gerade nur so lange dauert, als der Reiz wirkt. V Der Nerve. Die Reizung des Nerven ausserhalb des Muskels
hat: dieselbe Folge g wie innerhalb desselben bei ;der Irritation
Muskels selbst. Bei den animalischen N&ven sieht man
diess jedesmal, bei den organischen ist es errtm neuerer Zeit
entdeckt worden. A. v,/Humboldt veränderte den Herzschlag
durch Galvanisiren der N. card.ae, Buedzcii durch Befeuchten
des untern Halsknotens mit Kali qausticum Siehe oben Bd. L
D 647. Ich verstärkte die Bewegung des blpssgelegten Darmes
des Kaninchens, nachdem er schon wieder ruhig geworden,
durch Galvanisiren des Ganglion coeliacum mittelst der 8aule.
Am entschiedensten und leichtesten lässt sich aber das Factum
beweisen durch Betupfen des Ganglion coeliacnm imt Kali cau-
sticum. Diess ist eines der besten physiologischen Experimente.
Ist der blossgelegte Darm eines Kaninchens, dessen Bewegungen
sich an der Luft anfangs sehr verstärken, wieder ruhig geworden,
und wird dann das Ganglion coeliacum rmf Kali eauslicum
betupft - so verstärkt sieh sehr schnell darauf die Bewegung
wieder. Auch hierbei’'sieht, man wieder, dass die Bewegung des
Nervenprincips im N. sympathicus langsamer und nachhaltiger
erfolgt. Die Bewegung des Darms erreicht erst nach einiger Zeit
ihr Maximum und daütef.t lehr lange fort. ^
’T'C; Die Centralorgane. Di«t-Application der Reize auf die
Centralorgane hat denselben Erfolg. Die Bewegungen erfolgen
jedesmal ‘in den Muskeln, ‘ deren Nerven von dein gereizten Thede
des Gehirns und Rückenmarkes abhängig sind. Die hierbei stattfindenden
Gesetze sind in Hinsicht der animalischen %rven schon
oben Bd. I p. 838,, in Hinsicht der organischen Nerven Bd. 1.
p. 711. auselnanderge&etzt worden. Nach W ilson P hilips Versuchen
kann die Bewtgiing des Herzens von jedem rbede des
Gehirns und Rückenmarkes aus verändert werden, dahingegen
gewisse' Theile des'Gehirns und Rückenmarkes immer_ mit gewissen
Muskeln im Zusammenhänge stehen. Ein wichtiger Unterschied
in Hinsicht dgr materiellen Reize ist nun aber folgender.
Manche Einflüsse bewirken Zuckungen, mögen sie an den Muskeln,
an den Neryen oder an den Centralorganen applicirt wer-
den; wie mechanische Reize, die Wärme, die Electricitä. , ie
Alcalien und andere. Gewisse Materien bewirken bloss Zuckungen
wenn ,sie auf den Wegen des Kreislaufes die Centralorgane