
I. Abschnitt. Vom Ge s i c h t s s i n n .
I. Capitel. Von den p h y sik a lisch en Bedingungen der
B ild e r im Allgemeinen.
a. Von den möglichen Arten der Sehorgane.
Aus den in der Einleitung zur Physiologie der Sinne angeführten
Thatsachen geht hervor, dass Licht und Farbe Sensationen
des Sehnerven und der Nervenhaut des Auges sind, und dass
das Dunkle vor. den Augen Empfindung der Ruhe, des reizlosen
Zustandes der Nervenhaut ist. Die Sensationen des, Lichtes und
der Farben entstehen aus dem Dunkel der ruhigen Nervenhaut,
da wo aliquote Theile der Nervenhaut, durch irgend einen
innern Reiz (Blut u. a.), oder äussern Reiz (Druck,': Electri-
cität u. a,) erregt sind. Je nach der gereizten Stelle der Nervenhaut
hat die Lichtempfindung auch auf dem dunkeln Sehfelde
eine andere Stelle. Das Druckbild. von Affection der einen Seite
des geschlossenen Auges hat seine bestimmte Stellest das Druckbild
der andern Seite ihre ebenso bestimmte, entgegengesetzte
Stelle; und die Druckbilder von Affection des obern-und untern
Theils der Nervenhaut erscheinen auch im Sehfeld entgegengesetzt.
Ist der drückende Körper klein, z. B. eine stumpfe Spitze und
also die gedrückte Stelle der Nervenhaut auch klein,;• so ist auch
das Lichtbild klein. Geschieht der Druck hingegen an den Seiten
des Auges in einiger Breite mit der Kante • eines Körpers, so
ist das Druckbild auch dem entsprechend ausgedehnt. Diese Bilder
sind nicht scharf, weil der Druck auf das Auge, durch
die Augenlieder und durch die Augenhäute, auch einigermassen
in die Breite wirkt. Wäre es aber : möglich den Drucke scharf
auf bestimmte Stellen der Nervenbaut zu isoliren, so würde man
ohne Zweifel auch ganz scharfe Bilder von mechanischer Ursache
erhalten. Das physikalische imponderable Princip, düs den Namen
Licht erhalten hat, weil die lichten Affectionen der Nervenhaut
des Auges von ihm gewöhnlich herrühren, bringt, wenn es die ganze
Nervenhaut gleicbmässig afficirt, in ihr die Empfindung eines, über das
ganze Sehfeld verbreiteten Lichtes hervor, und macht das ruhige
Dunkel vor den Augen zum lichten Sehfeld. . Wirkt aber dieses,
der Erregung der Nervenbaut lipmogene und wohlthätige Princip,
aut einzelne Theile der Nervenhaut ein, so stellen die gereizten
aliquoten Theile der Nervenhaut in der Empfindung begrenzte,
lichte Bilder dar, und die Schatten dieser Bilder sind die dazwischen
liegenden, nicht gereizten Stellen der Nervenhaut, welche
ruhig, wie bei geschlossenen Augen dunkel bleiben. Dadurch
wird das Sehen von Körpern möglich, die entweder jenes Princip
selbst ausstrahlen, leuchten, oder es von leuchtenden Körpern empfangend,
als undurchgänglich (undurchsichtig) zurückwerfen, und
auf diese Art in das Licht empfindende Auge werfen. Die Licht-
einpfindung entsteht dann an einer bestimmten Stelle des Auges,
und man glaubt den Körper vor sich zu haben, welcher doch jenes
die, Lichtempfindung erregende Princip, welches er anderswoher
erhalten, nur zurück und ins Auge wirft.
Wenn aber das, Licht lichte Abdrücke oder Bilder von den Gegenständen,
von welchen es kommt, auf der Nervenhaut entwerfen
soll, so ist es nöthig, dasst daÄ von bestimmten Theilen der äussern
Objecte, entweder unmittelbar oder durch Reflexion kommende
Licht auch wieder nur entsprechende Theile der Nervenhaut in
Thätigkeit setze; wozu besondere physikalische Bedingungen nöthig
sind. Das Licht verbreitet sich von dem leuchtenden, jenes
impohderable (Princip ausstralenden Körper stralig nach allen
Richtungen,. welche dem Durchgang desselben kein Hinderniss entgegensetzen
(durchsichtig). Ein leuchtender Punct wird also eine
Fläche allseitig erleuchten, und nicht wieder einen einzelnen Punct
dieser Fläche hell machen; und wenn die Fläche, welche das aus-
stralende Licht eines Punctes empfängt, die nackte Oberfläche der
Nervenhaut des Auges wäre, so würde das Licht eines Punctes
die. Lichtempfindung in allen Theilen der Nervenhaut und nicht
in -einem Puncte derselben ,erregen, und das gilt so von allen
Übrigen Lichtpuneten, welche die Neryenhaut strahlend beleuchten
können. Z. B. wenn Fig. 1. A die
concave Oberfläche: der Nervenhaut wäre, so
wird das rothe Licht von a die ganze Nervenhaut
A, das farblose Licht von b auch die ganze
Nervenhaut //, das gelbe Licht von c auch die
ganze; Nervenhaut A beleuchten, und es wird
also die ganze Nervenhaut A roth,. licht und
gelb .sehen, ; d. h. jeder Punct der Nervenhaut
wird zugleich von rötliem, farblosem lind gelbem
Lichte bestimmt; und der Eindruck kann den
verschieden gefärbten Puncten «, b, c nicht entsprechen, sondern
wird ein gemischter seyn, aus a, b, c, aus rothem, farblosem und
gelbem Lichte, ohne dass a, b, c als getrennte Puncte unterschieden
Werden. Ebenso wird es seyn, wenn die Nervenhaut eines Auges,
Wie bei den Insecten und Crustaceen nach aussen convex ist. Eine
nackte, Nervenhaut ohne optische , das Licht sondernde Apparate
würde also nichts Bestimmtes sehen, sondern nur im Allgemeinen
den lichten Tag empfinden,' und von der Nacht unterscheiden
können.
Wenn also durch das äussere Licht, ein den Körpern entsprechendes
Lichtbild im Auge erregt werden soll, so ist es nöthig,
dass Apparate vorhanden sind, welche das von einzelnen
Puncten a, b, c — n ausgehende Licht auch wieder nur in einzelnen
Puncten der Nervenhaut in derselben Ordnung wirken lassen,
aber' verhüten, dass ein Punct der Nervenhaut von mehreren
Puncten der Ausscnwelt zugleich beleuchtet werde. Diess ist im
Allgemeinen auf dreierlei Art möglich, und die Natur hat zwei
Arten dieser Apparate bei der Construction der Augen angewandt.
Siehe von den beiden in der Natur möglichen Arten des Sehorgans,