
DieserEinflnss kann entweder erregend oder drückend seyn,
so dass das Vorstellen durch die materiellen Einflüsse des Körpers
bald gefördert, bald gehemmt wird. Die von den Organen kommenden
Einflüsse können begreiflicher Weise keine bestimmten
Vorstellungen anderer Art erzeugen, als eben Vorstellungen von
Empfindungen und ihrem Inhalt. Insoweit aber örtliche Veränderungen
der Organe des Körpers die Empfindungen der
Lust und des Leidens, oder des physischen Impulses der Organe
und die damit verbundenen Vorstellungen von Förderung, Hemmung
und Begierde hervorbringen, in soweit wird auch die Disposition
zu leidenschaftlicher Stimmung durch ein dem Gehirn
fremdes Organ unterhalten.
1. W i r k u n g e n d e r k ö r p e r l i c h e n Z u s t ä n d e a u f d a s
V o r s t e l l e n u n d S t r e b e n .
Die Erregung organischer Zustände des Gehirns durch das
hellrothe Blut ist zur Thätigkeit der Seele eine nothwendige
Bedingung. Blutentleerung bringt daher Ohnmacht und Bewusstlosigkeit
hervor. Aber auch die Qualität des Blutes verändert
das Vorstellen. Die gemeinste Veränderung der Seelenäusserungen
erfolgt von der Aenderung der Nahrung. Durch die Nahrung
kommt eine Menge von noch roher Materie in die Circulation.
So lange diese Materie ihre Ausbildung noch nicht erreicht hat,
und ihr noch etwas Fremdartiges anklebt, ist sie auch, mit dem
Blut zum Gehirn kommend, nicht ein adaequater Beiz zur Erregung
der zum Seelenleben "nöthigen organischen Zustände des
Gehirns, und insofern das Gehirn yvon dieser Materie behaftet
wird, erfährt auch das Seelenleben eine Hemmung. Daher bei
Einigen die Unaüfgelegtheit zu geistiger Arbeit nach dem Essen.
Diese Hemmung erfolgt noch mehr bei materieller Umstimmung
der organischen Zustände des Gehirns durch Alterantia nervina
(Spirituosa, Narcotica). Ebenso unadaequat zur Erregung der organischen
Zustände des Gehirns sind einige Secreta uiid Excreta,
wie Harnstoff und Galle,, welche letztere im Icterus ins Blut aufgenommen,
Uuaufgelegtheit und Hemmung freier Geistesthätigkeit,
so w'ie wegen der Hemmung der organischen Zustände, die auf
das Streben und Selbstgefühl Einfluss haben, Niedergeschlagenheit
hervorzubringen, pflegt.
Eine zweite Quelle von Behaftungen der Seele durch Aenderung
des Gehirns bieten die auf das Gehirn vermöge der Nerven
wirkenden Zustände anderer Organe dar. Jeder Theil des
Körpers, der in einem lebhaften sympathischen Verkehr mit den
Centralorganen steht, kann im Zustande heftiger Erregung auch
das Gehirn und dadurch die Seele heftig erregen, und im Zustande
der Hemmung die Seele hemmen, woraus die Delirien und
soporösen Behaftungen entstehen. Auch die Strebungen erfahren
auf diese Art Hemmungen, und es wird durch langwierige Hinderungen
der Functionen wichtiger Organe der Grund zu ärgerlicher,
niedergeschlagener Gemüthsstimmung gelegt, welche nichts
ist als der Zustand gehemmter Bestrebungen der Seele. Diejenigen
Organe welche es mit der chemischen Umwandlung der Materien
zu thun haben, die Eingeweide, wirken hierbei auf doppelte
Weise, theils durch Hemmung, der Zustände der Centralorgane
vermöge des Nervenzusammenhänges, theils durch Aenderung des
Blutes und in letzterer Hinsicht kommt auch die Art dieser materiellen
Veränderung in Betracht. Daher zeichnen sich die Unterleibseingeweide
vor Allen dadurch aus, dass sie in chronischen
Krankheiten dauernde Hemmungen der Strebungen der Seele
hervorbringen. Vergl. oben Bd. I. 3. Aufl. p. 833. wo bewiesen
wurde, dass der Sitz bestimmter Leidenschaften nicht in diesen
Eingeweiden zu suchen ist.
Es giebt auch Organe des Körpers, von deren Zustand es
abhängt, dass bestimmte, auf ihre Functionen bezügliche Leidenschaften
entstehen, wie die Geschlechtstheile, der Magen. Diese
erregen Empfindungen bestimmter Art und Vorstellungen von Dingen
in der Seele, welche die mangelhaften Zustände des Selbst
gleichsam vervollständigen. Die Vorstellung von dem, was diese
Zustände vervollständigt und erweitert, bewirkt aber wieder Ströme
des Nervenprincips nach diesem bestimmten Organ. Denn, wie
wir p. 89. gesehen haben, bei Vorstellungen von Zuständen, die
durch ein bestimmtes Organ ausgeführt werden, entsteht ein
Strom nach diesem Organ, sei es eih Muskel oder eine Drüse.
Auf diese Weise entsteht die Disposition zu den Leidenschaften
der Liebe durch den Zustand der Geschlechtstheile, und durch
dep Zustand des Rückenmarks, als Vermittlers zwischen den Gc-
schlechfstheilen und dem Gehirn. Befinden sich beide in einer
gewissen Spannung, so entstehen Strebungen, welche gewisse Vorstellungen
heranziehen. Die Action der Organe erregt die Vorstellung,
diese dagegen ]ene. Ohne die Potenz in jenen rheilen,
sind dergleichen Vorstellungen kalt und entzünden nicht die organischen
Zustände. Auch die Art der Nahrung hat durch VYii-
kung auf diese Organe Einfluss auf bestimmte leidenschaftliche
Zustände. Apbrodisiaca.
Endlich hat auch der Zustand des ganzen Nervensystems und
der Grad der Erregbarkeit und Mittheilbarkeit einen grossen
Einfluss auf die Art der Strebungen. Denn wenn eine Erregung
sich sehr schnell in den Nerven verbreitet und schneller eine
Erschöpfung hinterlässt, so ist man auch zu allen Affecten stäikei
geneigt, in welchen das Selbst gewaltsam und plötzlich verändert
und geschwächt erscheint, z. B. zu Furcht, Angst, Schrecken,
Zagen, Muthlosigkeit. Wenn aber das Gegentheil erfolgt und
das Nervensystem seine Kräfte in Folge einer Erregung erhält,
so wird auch bei einer plötzlichen Erregung, Muth und ausdauerndes
Streben vorhanden seyn. So werden auch verschiedene
Dispositionen in den organischen Zuständen obwalten, wenn
ein Thier von Natur aus scheu, zaghaft, furchtsam oder muthig,
kühn ist. Beim-Menschen verändern sich diese Dispositionen
mit den organischen Zuständen, und auch ein kaltblütiger .und
gefasster kann durch den Zustand seines Nervensystems so gestimmt
werden, dass er leicht vor allem plötzlichen, wie ein von Natur