tion vermag auch wieder den Gesichtseindruck des einen Auges
zum herrschenden zu machen, wie später empirisch gezeigt werden
soll, und es lässt sich deutlich beweisen, dass heim Sehen
mit zwei Augen, ohne dass wir es heim gewöhnlichen Sehen merken,
ein Wettstreit beider Augen stattfindet,, und dass der Eindruck,
je nach der Störung des Gleichgewichts, ein ganz verschiedener
ist. Das Sehen mit beiden Augen durch verschieden gefärbte
Gläser auf ein weisses Blatt kann vorläufig als Beispiel dienen.
Die Eindrücke von blau und gelb vermischen sich dabei nicht leicht,
sondern bald ist das blaue, bald das gelbe vorherrschend. Bald
erscheinen blaue wolkenartige Flecken auf dem gelben, bald gelbe,
ihre Grösse verändernde Flecken auf blauem Felde, bald ist, die
eine Farbe allein herrschend, und hat die andere absorbirt, bald
umgekehrt. Das fleckenweise Erscheinen der einen Farbe auf der
andern zeigt sogar, dass ein .Theil der Nervenhaut des einen Auges,
mit Theden der Nervenhaut des andern Auges intendirt seyn
kann.
Bei dem Gehörsinn, welcher die räumliche Ausdehnung in
der Art, wie beim Gesichtssinn und Gefühlssinn nicht unterscheidet,
aber die schärfste Empfindung für die Zeitfolge der Eindrücke
hat, ist die Wirkung der Intention eine andere. Das Gehörorgan
unterscheidet örtlich höchstens, dass das ein ë oder das andere
Ohr hört, oder schärfer hört, und dann kann allerdings auch,
wenn in beide-Ohren Verschiedenes gesprochen wird, die Intention
sich dem einen oder dem andern Eindruck mehr hingeben. Bewunderungswürdig
ist aber die Wirkung der Intention auf die
Unterscheidung der schwachen Töne; wir überhören gewöhnlich
die schwachen Nebentöne der Saiten und anderer Tonwerkzeuge,
durch Intention schärfen wir die, Empfindung derselben, wie
die des leisesten Geräusches. Noch merkwürdiger ist die Fähigkeit,
durch Intention von vielen gleichzeitig gehörten Tönen eines
Orchesters jeden herauszuhören, und selbst dem schwachem
Klang eines Instrumentes unter den übrigen mit Aufmerksamkeit
zu folgen, wobei die Eindrücke der übrigen an Schärfe abnehmen.
Beim Schluss dieser Einleitung in die Physiologie der Sinne
wirft sich die Frage auf, ob die Zahl der Sinne eine beschränkte
sei, und ob es nicht bei' einzelnen Thieren auch noch andere geben
könne. Die Täuschung in welche S pallanzani verfiel, indem
er den geblendeten Fledermäusen, wegen ihrer- geschickten Flugbewegung
in der Nähe der Wände, einen eigenen Sinn zuschrieb,
ist bekannt. Ebenso dass Manche den Thieren wegen ihrer Vorempfindung
der Witterungsveränderung einen eigenen Sinn zuschrieben.
Da der Zustand des Luftdrucks, die Menge des Wasserdampfs
in der Atmosphäre, die Temperatur, die Electricität
auf die ganze thieriscbe Oeconomie unseres Körpers schon so bedeutend
wirken, dass wir ihre Veränderungen empfinden, so
kann man sich recht gut die Möglichkeit solcher, u n d noch
grösserer Wirkungen auf die Thiere denken. Indessen wird
auch bei grosser Abhängigkeit von der Witterung in Hinsicht
der Empfindung damit kein neuer Sinn gegeben seyn. Die
Witterung kann vielmehr durch die sZustände des ganzen Nervensystems
empfunden werden, und sie wird es zumeist durch
die Empfindungen der Nerven, die' am zahlreichsten und ihr
am meisten ausgesetzt sind, der Gefühlsnerven. Ein besonderer
Sinn für die Electricität, woran man als möglich bei irgend
einem Thiere gedacht hat, ist a priori nicht statthaft. Denn die
Electricität wirkt schon, wie oben gezeigt wurde, auf alle Sinne,
deren eigenthümlicbe Empfindungen sie anregt. Das Wesentliche
eines neuen Sinness liegt nicht in dem Umstand, dass damit Perception
von äusseren Gegenständen entsteht, die gewöhnlich
nicht auf die Sinne wirken, sondern dass die äussern Ursachen
eine eigenthümlicbe Art des Empfindens erregen, welche in den
Empfindungen unserer fünf Sinne.noch nicht enthalten ist. Eine
eigenthümlicbe Art des Empfindens wird von den Kräften des
Nervensystems abhängen, und dass eine solche bei einzelnen filieren
vorkomme, lässt 4 sich a priori nicht läugnen, indess ^ sind
keine Thatsaclien bekannt, welche die Existenz einer neuen eigentümlichen
Sinnesart feststellen ; auch ist es ganz unmöglich, über
die-Natur einer Empfindung etwas an Anderen, als an sich selbst
zu erfahren.
Einige haben die inneren Empfindungen des Gefühlssinnes,
wodurch'wir die Zustände unseres Körpers erfahren, als etwas
vom Gefühlssinn Verschiedenes angesehen, Sund das Gemeingefühl
coenaesthesis einem Sinne ziemlich nahe gestelt. Diese Unterscheidung
ist fehlerhaft, denn die Gefühle des Gemeingefühls sind von
derselben Gattung, wie die Gefühle der Haut, welche von aussen
, erregt werden, in manchen Organen nur unbestimmter, dunkler.
Auch ist es für den Sinn gleich, ob er von aussen oder innen
gereizt wird, und bei keinem Sinne unterscheiden wir objective
und subjective Empfindungen, als etwas wesentlich Verschiedenes.
Die Bezeichnung Tastsinn drückt allerdings eine besondere Beziehung
des Gefühlssinnes zur Aussenwelt aus. Aber das Tasten
bringt nur die Energien des Gefühlssinnes zur Perception, welchen
überall dieselben Nerven mit doppelten Wurzeln, die gemischten
Hirn-und Rückenmarksnerven dienen. Das dem Tasten
Analoge kömmt auch bei den andern Sinnen vor, es ist ein will-
kührlich dirigirtes Fühlen, so giebt es aber auch ein Hören,
Sehen, Schmecken, Riechen (Spüren). Allgemeine Litteratur der
Physiologie der Sinne: Le Cat traité des Jens. Amst. 1744. E lliot
über die Sinne. Leipz. 1785. Steinbuch Beiträge zur Physiologie
dér Sinne. Nürnberg 1811. T ourtual die Sinne des Menschen.
Münster 1827.