
II. Muskeln mit cylindrischen, nicht varicösen Primitivfasern
und ohne Querstreifen der primitiven Bündel. Im ganzen Tractus
intestinalis der höheren Thiere, vom eigentlichen Oesophagus
an bis zum After, kommen diese Muskelfasern vor. Diess ist um
so auffallender, da die willkührlichen Muskelfasern des ‘ Schlundes
der ersten Glasse angehören. Im Dickdarm des Menschen
war die Breite der Primitivfasern der Muskeln 0,0007, 0,0011,
0,0013 Englische Linien nach S chwanm’S Untersuchungen. Ihre
Ränder waren ganz glatt. Auch am Muskelmagen der Vögel
fand R. W agd er. keine Ouerstreifen, obgleich dieses Muskelfleisch
roth ist (B urdacii’s Physiologie öuj, und diess haben
wir eben so gesehen. Auch im Uterus des Menschen und
im schwängern Uterus des Kaninchens und an der Urinblase
fand S chwann keine mit Querstfeifen versehenen Fasern. In
der Iris ' des Menschen und des Kaninchens konnte S chwann
keine einzelnen Fasern isoliren. Doch zeigten sie, wie auch in
L auth’s Untersuchungen (Ihstiiut. Nr. 57. 70. 73.), eine? deutlich
faserige Structur, und zwar liefen die Fasern in der Nähe des
Pupillarrandes eöricent risch, in der Peripherie' radial. Die Cir-
kelfasern der Iris des Ochsen bestehen nach Lauth aus primitiven
Muskelfasern in Bündel vereinigt,' die durchfiochten verliefen.
L auth unterschied bloss Längenfasern, aber keine Querfasern. In
der Iris des Schweines konnte S chwann die Fasern ohne Mace-
ratiön leicht darstellend hindern er sie auseinander zerrte. Sie
sind sehr fein, 0,0002»—0,0003 Engl. Lin. breit, vollkommen
cylindrisch, nicht perlsehnurartig. Unter den Wirbellosen finden
sich die Muskelfasern ohne Qüerstreifen, nach R, W agner’s Untersuchungen,
durchgängig vor bei den untersuchten Mollusken
(Cephalopoden, Gasteropoden, gehäusigen Aeephalen, Ascidien), und
ebenso bei den Echinodermen.
Ueber die. Entstehung der Muskeln und über V alentin’s Beobachtungen
hierüber siehe oben Bd. I. 362. Ueber die physicali-.
sehen Eigenschaften der Muskeln siehe Haller Element, libr. XI.
S. 2. §. 2. E- H. W eber’s AnatomieI I. 396.
2. Von den Lehenseigenschaften der Muskeln.
Die Lebenseigenschaften, welche*' man in den musculösen
Theilen wahrnimmt, sind, ausser den allgemeinen, allen tliieri-
schen Theilen zukommenden Eigenschaften, Empfindlichkeit und
Contractionskraft. ErStere kömmt nur den in ihnen sich verbreitenden
Empfindungsfasern und nicht dem Mtiskel selbst zu, letztere
ist die wesentliche Energie des Muskels, die er auf jedwede
Art der Reizung- äussert, während die Lebensenergien anderer
Organe äüf dieselben Reize andere, z. B. Empfindungen, Absonderung
u. s. w. sind. Die Empfindlichkeit der Muskeln für
äussere Eindrücke ist gering, wie man bei Verletzungen derselben
durch Schnitte und“ Stiche sieht. Eine durch die Haut
durchgedrungene Nadel kann ohne Schmerzen tief in einen Muskel
eingCstosseh werden; auch an dem blossliegenden Herzen
hat man nur einen sehr geringen Grad von Empfindlichkeit bemerkt.
Gleichwohl besitzen die Muskeln ein sehr feines Gefühl
für ihre Zustände, oder vielmehr ihre Nerven leiten vortrefflich
die Zustände, in welche sie durch die Contraction versetzt
werden, wie wir denn hierdurch nicht bloss die Ermüdung
und den Krampf der Muskeln empfinden, sondern durch die Zusammenziehung;
der Muskeln hei unseren Tastbewegungen ein
sehr bestimmtes Gefühl von der räumlichen Anordnung der Körper
erhalten und. durch die Kraft der angewandten Zusammenziehung
die Schwere und den Widerstand der Körper messen
und vergleichen. Das Gefühl der Muskeln kann wohl nicht von denselben
Nervenfasern abhängen, welche ihre Bewegung bervorrufen.
Wenn man beim Frosch auf einer Seite die hinteren Wurzeln der
Nerven für die Hinterbeine durchschneidet, die vorderen unverletzt
lässt, so verliert der Frosch alle Spur von Empfindungskraft, nicht
bloss in der Haut, sondern auch in den Muskeln des Unterschenkels
und Fusses, während er die vollkommenste willkührliche Bewegung
in diesen Muskeln behält. Man kann ganze Stücke seines Beines
abschneiden, und er wird dadurch nicht zu Bewegungen veranlasst.
Schnitt ich bei einem Frosch auf einer Seite A die hinteren,
auf der anderen Seite B die vorderen Wurzeln durch, so
behiélt er in dem Bein A die Bewegung, wo er die Empfindung
verlor, im Bein B die Empfindung, wo er die Bewegung einbüsste.
An dein Beine B, das er nicht bewegen konnte, empfand er
den Schmerz, .der ihn zum Forthüpfen veranlasste, wobei er das
Bein B nachschleppte.
Die Muskeln bewegen sieh, sobald sie selbst oder ihre motorischen
Nerven auf irgend eine Art gereizt werden. Alle Reize
bringen dieselbe Wirkung hervor, sowohl mechanische als chemische,
Kälte, Wärme und electrische Reize. Alle diese
Reize bewirken aber auch von ihren Nerven aus Bewegung.
Die Säuren bewirken leichter diesen Erfolg, wenn sie
auf den Muskel, als wenn sie auf den Nerven wirken; doch ist
es nicht für alle Fälle gültig, was oben Bd. I, p. 596. bemerkt
wurde, dass die Säuren zwar, auf den Muskel wirkend, Bewegung
bervorrufen, auf den „Nerven allein wirkend, den Muskel ruhig
lassen.' B ischof® Und W inbischmann haben wenigstens öfter auch
im letzteren Fall einen Erfolg gesehen. Haller hat die Eigenschaft
des Muskels^, auf jederlei Reize sich zusammenzuziehen, sich
zum besondere Studium gemacht, und dieser specifischen Eigenschaft
den Namen Irritabilität ertheilt, welche der specifischen
Reizbarkeit der Nerven, Sensibilität, entgegen gestellt wurde.
Deux mémoires sur les parties sensibles et irritables. Lausanne I I bd.
Es haben sich^indess an den Namen Irritabilität, in diesem Sinne,
so viele hypothetische Vorstellungen und falsche Begriffe angehängt,
dass er bessèr in der Historie der Medicin, als in der
Physiologie s'elbst ferner figurirt.
Die Gontractilität der Muskeln gegen Reize, die auf sie selbst
oder ihre Nerven angebracht werden, äussert sich in ihnen noch
einige Zeit nach dem Tode; sie bleibt in den musculösen Theilen
um so länger, je weniger zusammengesetzt die Structur eines
Thieres ist. Mit der Zusammensetzung der Structur nimmt die
Abhängigkeit der Theile von einander zu, und. in demselben Grade