
darbieten, daher wir gleichsam zwischen den Bildern durchzugo
hen scheinen, was für die Vorstellung so viel wird > als ein Hindurchgehen
zwischen den gesehenen .Gegenständen im Sehraume.
So wird es also klar, dass das vorgestellte Sehfeld höchst
wandelbar ist, während das Sehfeld der einfachen Empfindung
durchaus von dem Umfang der Nervenhaut oder der inneren centralen
Theile des Sehapparates im Gehirn abhängig ist. Dem
letztem entspricht am meisten ein solches Empfinden in der Nervenhaut,
wobei wir uns gar keine Objecte vorstellen, z. B. die
Empfindung des dunkeln Sehfeldes bei geschlossenen Augen,
oder die Empfindung des lichten Sehfeldes hei geschlossenen Augen,
wenn das Licht durch unsere Augenlieder scheint. Hier
scheint auch das Sehfeld unmittelbar vor oder im Auge zu seyn.
Sobald aber mit dem Gesehenen sich irgend eine Vorstellung von
schon gesehenen Objecten verbinden lässt, so tritt auch die Pro-
jection nach aussen in der Vorstellung ein, und die Grösse iii
welcher man sich das Gesehene vorstellt, hängt selbst von individuellen
Erfahrungen ab. Daher ist die Angabe der Einzelnen
so sehr verschieden, wie gross sie die, in dem vorerwähnten Versuch
von P urkinje sichtbaren Adern der Nervenhaut sehen und
wie weit vor dem Auge diese Figuren zu schweben scheinen.
Der Gesichtssinn verhält sich in dieser Weise ganz anders
zu den äussern Gegenständen als der Gefühlssinn. Für den letztem
sind die Objecte unmittelbar gegenwärtig und das Mass für
die Grösse der äussern Objecte ist unsere Leiblichkeit, welche die
Objecte berührt. Eine von der Hand berührte Tafel erscheint
an der berührten Stelle so gross als Theile der, Hand davon afli-
cirt werden, denn ein Theil unseres Leibes den wir empfinden,
ist hier das Mass. Die berührende Stelle der Hand macht nämlich
einen Theil aus von der empfindlichen ganzen Körperoberfläche,
und die berührte Stelle der Tafel erscheint so gross, Jals
die berührende Stelle der Hand im Verhältniss zu unserm ganzen
Körper erscheint. Alle Unterscheidung unserer Körpertheile hängt
aber wieder ab, von, der Möglichkeit die von verschiedenen Kör-
pertheilen kommenden Nervenfasern im Sensorium zu unterscheiden.
Beim Gesichtssinn hingegen sind die Bilder der Gegenstände
nur Bruchtheile der Gegenstände selbst, realisirt .auf der sich gleich-
bleibenden Netzhaut. Aber der Process des Vorstellens, welcher
die Empfindungen des Sehens zergliedert, erhebt nach aussen wirkend
die Bilder der Gegenstände, mitsammt dem ganzen Sehfelde
der Netzhaut in der Vorstellung zu; ganz Varianten Grössen, wobei
nür das relative Verhältniss der Bilder zum ganzen Sehfeld' oder
der afficirten Netzhauttheilchen zur ganzen Netzhaut ungestört
bleibt. ............ '
V olkmann (Beitr. zur Physiol. d. Gesichtssinnes. Leipz. 1836.)
macht die Befnerkung, dass die Netzhaut in keinem Falle ihre räumliche
Ausdehnung empfinde, und dass selbst der Gefühlssinn nicht
die eigene Leiblichkeit zur Anschauung bringe. Er beruft sich auf
die Beobachtungen von E. H. W eber, dass die Distanz zweier Puncte
an verschiedenen Stellen der Haut'sehr verschieden empfunden
werde. Siehe oben BandI. 3. Buch. 3. Abschnitt. V olkmann stellt
daher den Satz auf, die Haut schätzt die Grösse der Objecte so, dass
sie die Grösse der letzten ihr wahrnehmbaren Distanz als Mass-
einheit annimmt. i Nennen wir diese Masseinbeit x , so sei die
Grösse eines Zolles für die Fingerspitze 12 x , für eine Stelle in
der mittlern Gegend des Arms 1 x. Denn jede Stelle der Haut
gebe einem betasteten Objecte so vielmal die Grösse x als sie
Stellen enthalte, die x als Gesondertes zu unterscheiden im Stande
sind. Nach dieser Ansicht müsste, .wenn ich mit der Fingerspitze
den Mittelarm berühre, dieselbe Stelle von der Fingerspitze 12
Mal so, gross, als von der Haut des. Arms empfunden werden.
V olkmann wendet seine Ansicht auch auf die Netzhaut an, auch
sie nehme bei Schätzung der Grösse d:e letzte sichtbare Distanz
als Masseinheit ein. Die von W eber beobachteten Erscheinungen
lassen indess noch eine ändere Erklärung, nämlich aus der Vermischung
oder Irradiation der Empfindungen, bei welcher sie
gleichsam Zerstreuungskreise bilden, zu.
■Nach a u s s e n W i r k e n d e s G e s i c h t s s i n n e s .
Es kömmt nun zunächst zur Frage, wie das nach aussen Wirken
des Sehens zuerst entsteht. Mehrere Physiologen wie T our-
tual, V olkmann, Bartels, legen dem Gesichtssinne selbst das
Wirken nach aussen, oder Setzen des, Gesehenen nach aussen zu.
Aber was ist zuerst aussen? Da der zuerst Sehende das Bild seines
Körpers noch nicht von andern Bildern zu'unterscheiden vermag,
so kann das nach aussen Setzen des Gesehenen nichts Anderes, als
ein Unterscheiden des Gesehenen vom Subject, ein Unterscheiden
des Empfundenen vom empfindenden Ich seyn. Das nach aussen
Setzen des Gesehenen ausser dem eigenen Körper ist Sache des
Urtheils,. wie schon in der Einleitung zur Physiologie der Sinne
erörtert wurde. Man sagt, der Neugeborne setze die Gesichtsobjecte
gleich anfangs ausser seinem Körper und,ausser seinem Auge ;
aber der Neugeborne kennt sein eigenes Auge, wie seinen eigenen
Körper in der Form von Gesichtsempfindungen nicht; und muss
erst durch die Erfahrung lernen, welches von den Bildern, die er
sieht, sein eigener Körper ist. Man kann also nur sagen, dass der
Neugeborne das Empfundene: ausser dem empfindenden Ich setzt,
und nur in diesem Sinne setzt er das Empfundene nach aussen.
Bei den Thieren ist diese Reaction des Sensoriums nach aussen
viel sicherer, durch Mitwirkung des Instinctes, denn das Thier
geht bald auf die Zitze der Mutter zu, und in seinem Sensorium
muss ein angeborner Antrieb seyn, das gesehene Bild, das dem
sehenden Ich äusserlich oder Object ist, durch Bewegungen zu
erreichen. Weiss der Neugeborne das Bild des eigenen Körpers
anfangs nicht vom Bild der Aussenwelt zu unterscheiden, so bemerkt
er bald, dass gewisse Bildchen im Sehfeld fast beständig
wiederkehren, und dass sieh diese Bildchen bewegen, wenn sich
der Körper willkührlich bewegt. Diese sind Bilder des eigenen
Körpers, alle übrigen Bilder verändern sich theils ganz unabhängig
von dem eigenen Körper, theils entsprechen ihre Veränderungen
nicht den Bewegungen des Individuums. Das sind die Bilder