
Ein schmeckbarer Stoff muss in der Regel entweder aufgelöst,
oder wenigstens in der Feuchtigkeit der Zunge auflöslich seyn,
nicht auflösliche Stoffe bewirken nur Gefühlsempfindungen der
Zunge. Ob auch der blosse Contact eines nassen thierischen Nahrungsmittels
„und des lebendigen Organes Geschmack errege, ohne
die in dem Nahrungsstoffe enthaltenen aufgelösten Theile ist zweifelhaft.
Gase erregen zuweilen auch den Geschmack, wie die
schweflichte Säure.
Zur innigen Einwirkung des schmeckbaren Stoffes ist die
Befeuchtung der Zunge., ' gleichwie der Nasenschleinihaut beim
Geruch nöthig. Besondere Leitungsapparate ausser dem Schleim
der Zunge fehlen bei diesem Sinne. Daher sich die Untersuchung
wie beim Geruchssinn sehr vereinfacht.
II. Capitel. Vöm G e schmacksorgan.
Der Sitz des Geschmacks, sind die Fauces und besonders die
Zunge, die jedoch als Schlinkwerkzèug oft bei den Thieren wichtiger
wird, so dass die zahlreichen Abweichungen dieses Organès
in vergleichend anatomischer Beziehung nur Wenig Interesse für
die Physiologie des Geschmacks selbst haben und hier übergangen
werden können. Wenn die Zunge fleischlos- und spröde ist, wie
bei den Fischen und vielen Vögeln (mit Ausnahme der Papageien,
Enten, Gänse u. A.), so darf man deswegen doch nicht Mangel
des Geschmackssinnes voraussetzen. Denn diese Empfindung ist
eine Eigenschaft der , ganzen Fauces, nicht'eines, besondern Orgar
nes, sondern der Schleimhaut jener Höhle'. Nur bèi denjenigen
Thieren, welche ganze Thiere mit Federn und Haaren verschlingen
, 'wird die Geschmacksempfindung schon durch die Art Res
Fressens vermieden, wie bei den Schlangen u. a. Hierher gehören
auch die Insecten- und ^körnerfressenden Vögel; . üeber das
bewegliche, von Einigen für ein Geschmackswerkzeug gehaltere
Organ am Gaumen der Cyprinen siehe oben p. 35.
Beim Menschen erregt die mechanische Berührung des, weichen
Gaumens die Empfindung des Eckels, was immer noch yon einer Reflexion
auf die Geschmacksnerven erklärt Werden könnte, die Empfindlichkeit
des Gaumens für schmeckbare Substanzen ist aber durch
die Versuche von D umas, Autenrieth, R iohErand, H orn, L'enhossec,
T reviranus, B ischoff bestätigt, - ich empfinde deutlich den Geschmack
des Käses, am Gaumen, wenn ich z. B. ein Stückchen
Schweitzerkäse am weichen Gaumen reibe. Dass der N. hypoglossus
BewegungsnerVe, der Lingualis Empfindungsnerve der Zunge ist,
geht aus den Versuchen von D upuytren , Mayo und mir hervor,
mach welchen die Reizung. dés Hypoglossus dgrch Galvanismus
oder Zerrung, Zuckungen der Zunge, die Zerschneidung des Lin-
gualis aber lebhafte Schmerzen bewirkt. Die Versuche- am Lingualis
erfordern in Beziehung auf Bewegung die Vorsicht, die
auch bei den Versuchen über die Wurzeln der Rückenmarksnerven
nöthig ist. Der Nerve muss erst vom centralen Theil abge-
schnitten, und dann das peripherische Stück gereizt werden. Reizt
man den-Lingualis, so lange er noch mit dem centralen Ende
in Verbindung steht, so ist zu befürchten, dass eine Zuckung
der Zunge und anderer Theile durch Reflexion entstehe, wie ich
sie selbst neulich einmal beobachtete.
In ‘Hinsicht der Contfoverse, welcher der Nerven der Zunge,
ausser dem motorischen Hypoglossus, als Geschmacksnerve anzusehen
sey, der Jj. lingualis oder glossopharyngeus, und der Ansicht
von P anizza, B ischoff u . A. über diesen Punct verweise ich
auf das früher mitgetheilte und B ischoff im encyclop. kV orterb.
der med. Wissensch. R. .W agner tritt aus physiologischen und
anatomischen Gründen der Theorie von P anizza bei (F roriep’s
Not. 1837. N. 75.), ebenso V alentin und B runs Versuchen zufolge,
während die Versuche von K ornfeld, Gurlt und mar jener
Ansicht nicht günstig sind. Vergl. Muell. Arch. 1838. CXXX. ^ «
V alent. Repert. 1837. 221. V alentins Versuche betrachte ich
nicht als entschieden zum Vortheil jener Theorie sprechend, da
vierzehn Tage nach der Durchschneidung des Glossopharyngeus
ein Thier wieder anfangen soll zu schmecken. Dieser Zeitraum
ist so kurz, dass es gerade hierdurch wahrscheinlich wird, dass
die Thiere den Geschmack nicht verloren hatten. Alcock’s Versuche
{Land. med. gaz. 1836. Nov.) hatten, kein ganz entschiedenes
Resultat. Der Geschmack für Bitteres war nach Durchschneidung'
des Glossopharyngeus verloren, nach Durchschnei-
dung des Lingualis nur am vordem Theile der Zunge verloren
Der Verf. theilt sowohl dem Glossopharyngeus als Lingudlis und
auch den Gaumenästen des Quintus Geschmack zu, dm Versuche
an diesen letztem Nerven fielen nicht ganz definitiv aus.
Von grosser Wichtigkeit sind die pathologischen Beobachtungen,
dass nämlich nach Zerstörung des Quintus der Geschmack- verloren
geht, wie in den Beobachtungen von P arry, B ishop und
R omberg- vorliegt. Druck einer Geschwulst auf den N. lingualis
brachte Verlust des Geschmacks hervor. S ie h e Muell.
1834* 132. und R omberg in Muell. Archiv. 1838. 3. tlejt. lm
letztem Fall war bei einer Person, die auf der einen Seite der
Zunge nicht schmeckte und'nicht fühlte, der Anfang des dritten
Astes durch eine kleine Geschwulst verändert, der Glossopharyngeus
aber gesund. * . „ • .
Dass der Lingualis. der Hauptgeschmacksnerve der Zunge ist,
halte ich aus den Versuchen von Magendie, G ur l t , K ornfeld
und mir, so wie aus den pathologischen Beobachtungen von P arry,
Bishop und R omberg erwiesen, nicht aber für erwiesen, dass (tei
N. glo sso p h a ry n g eu s ohne Antbeil am Geschmack am hintern 1 neu
der Zunge und in den Fauces ist. R omberg schreibt Jm “
Empfindung des, Eckels zu, wodurch der Eingang in das Verdauungssystem
geschützt wird.
' III. Capitel. Vom Geschmack und von den W irk u n g en
d e r Geschmacks nerven.
Eine Theorie der verschiedenen. Geschmackswirkungen ist
vollends unmöglich. Das Qualitative des Geschmacks an Sich, in