
1. Der Eni Schluss zu einer Bewegung setzt die ihr entsprechenden
Hirnfaseru in Thätigkeit, und sie wird ausgeführt, in
wie weit es durch das System der Cerebro-Spinalnerven geschehen
kann. Siehe über diese Bewegungen oben p. 92.
2. Die Vorstellung einer Bewegung bewirkt einen Strom nach
dem Organ der Bewegung, und führt sie ohne Willen, aus. Diess
ist hier ganz dasselbe, als die Ausführung einer Vorstellung in
der räumlichen Ausdehnung des Sinnesorganes. Dahin gehören
die ohne den Willen nachgeahmten Bewegungen des Gähnens,
Lachens, Seufzens, der Krämpfe beim Sehen derselben. Leber diese
Erscheinungen ist schon oben p. 89. an seinem Orte in Extenso gehandelt.
Die mimischen Bewegungen sind gemischte Erscheinungen,
bei denen willkürliche Darstellungen mit einlaufen.
3. Plötzliche ganz leidenschaftslose Veränderungen der Vorstellungen,
welche vollkommen objective Verhältnisse betreffen,
können unwillkürliche Bewegungen kervorrufen, wie die Bewegung
des Lachens. Dahin gehört der plötzliche Widerspruph
zweier Vorstellungen oder die überraschende Auflösung eines
Widerspruchs»
4. Die Vorstellung von der eignen Kraft macht kräftig. Wer
sich Etwas getraut zu vollbringen, vollbringt es leichter, als wer
sicli’s nicht getraut, ferner kann die Vorstellung von einer gewiss
eintretenden Veränderung in den Kraftäusserungen des Nervensystems
so heftige Veränderungen hervorbringep, dass eine bis dahm
unmögliche Kraftäusserung möglich ist. Dieses geschieht um so
leichter, wenn sich dabei ein Mensch zugleich in der Strebung,
d. h. im leidenschaftlichen Zustande befindet. Hierher gehört die
Selbstheilnng der Krankheiten durch die von gewissen Handlungen
erwartete wunderthätige Wirkung, durch die als gewiss vorge-
stellie Wur.derkur oder den Glauben. Wirkungen, welche innerhalb
gewisser Grenzen nicht bestritten werden können.
5. Die Strebungen oder Gemüthsbewegungen bringen unwillkürliche
Kraftäusserungen in den Muskeln und Nachlässe der Kraft
hervor, je nach den excitirenden oder deprimirenden Vorstellungen.
Häufig sich wiederholende Leidenschaften bedingen einen
stationären Ausdruck des Gesichts und verrathen die Grupdstim-
mung, gleich wie sich der einzelne leidenschaftliche Zustand durch
die physiognomischen Bewegungen verräth, Siehe über die leidenschaftlichen
Bewegungen oben p. 90.
c. Auf den Bildungsprocess und die Absonderung.
Ganz analog sind die Wirkungen der Vorstellungen und Leidenschaften
auf den Bildungsprozess und die Absonderung. Die
hierher gehörigen Phänomene lassen sich folgendermassen ordnen.
1. Uebermässige Anstrengungen des Geistes beschränken die
Ernährung.
2. Die Vorstellung erregt einen Strom des Nervenprincips
nach dem Organ, wo das auf die Vorstellung bezügliche abge-»
sondert wird, und um so mehr als man sich hierbei in einer Ge-
müthsbewegung befindet. So wird der Speichel reichlicher abgesondert
bei der Vorstellung der Speisen, die Milch, wenn die
Mutter das Junge um sich hat und sich dasselbe mit Strebung
vorstellt (H ome), der Samen bei der Vorstellung wollüstiger Bilder.
.3. Die Vorstellung, dass ein Bildungsfehler durch einen gewissen
Act aufgehoben wird, verstärkt die Wirkung der bildenden
Thätigkeit, dass dieser Fehler zuweilen ausgeglichen wird. Dahm
gehört das Heilen der Warzen durch sogenannte sympathetische
(Juren, si fabula vera. '
4. Die Leidenschaften erregen profuse Absonderungen, lhra-
nenfluss, Schweiss, Diarrhoe, oder Verminderung der qualitativen
Umänderung. So wird die Milch der Amme nach Leidenschaften
derselben in ihren materiellen Bestandteilen so fehlerhaft, dass
sie unverdaulich und reizend für das Kind ist. Unter gewissen
Bedingungen entstehen auch in Leidenschaften Retentionen, sey
es, dass die natürlichen Bestandteile des Secretes zurückgehalten
werden und die Absonderung bloss wässrig ist, jurina aquosa
nach Schrecken), oder dass die Absonderung gar nicht nach den
Drüsencanälen erfolgt, und das Secret vielmehr in das Blut der
Capillargefässe des Secretionsorganes und so in die ganze Blutmasse
übergeht, wie bei der Gelbsucht von Zorn, Aerger und
anderen Alterationen.
5. Die Dispositionen zu besonderen Krankheiten der Vegetation
werden durch Leidenschaften schnell in Vitia manifesta
umgewandelt. Kummer, tiefes Leid bringen in kürzester Zeit
disponirte Phthisis, disponirte Leberkrankheiten, Herzkrankheiten
zu Tage und reiben schnell auf. •
6. Die Ausbildung des Geistes durch Erfahrung und vielseitige
Bildung veredelt auch die körperlichen Formen, besonders
des Gesichtes, wie man bei Vergleichung der Formen der verschiedenen
Stände sieht. Das Erworbene erbt sich dann auch
fort. Man sicht diese Wirkung an den sich absondernden Standen,
bei welchen wenige Vermischungen mit heterogenen Elementen
Vorkommen, und wo eine sorgfältige.Erziehung der Kinder
gewöhnlich ist. Die Wirkung geistiger Bildung auf die Gesichts-
form.en kann man sich übrigens nicht anders vorstellen, als dass
aller überflüssige Bildungsstoff entfernt wird, und die Materie von
der Form des Organismus mehr beherrscht wird.
S e e l e n ä u s s e r u n g e n i n d e n z u s am m e n g e s e t z t e n , g e t e i l t e n
u n d v e rw a c h s e n e n T h i e r e n .
a. Zusammengesetzte Thiere.
Bekanntlich giebt es unter den niederen Thieren viele, welche
zu einem Ganzen verbunden sind und deren Stamm in mehrere
Individuen ausläuft. Schon die Pflanze ist mehr als System von
zusammenwirkenden Individuen, denn als einzelne Pflanze zu betrachten.
Denn bei ihrem Wachsthum ist jede Knospe em dem
Urtheil gleichgebildeter Theil, welcher auch das Vermögen der
selbstständigen Existenz hat, wenn er getrennt xvird oder sich
selbst trennt, und wird fähig zu einem System von ähnlichen
Theilen heranzuwachsen. Die Gefässe des Knospenindividuums
setzen sich auch in den Gefässschichten des gemeinsamen Stammes
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