
der Aussenwelt, welche nun als ausser dem Körper des Individu
ums räumlich existirend gesetzt und fort und fort in dem nun
entstandenen Sehraum der Vorstellung sich widerholt. Vom Auge
m sofern es sieht weiss der Neugeborne nichts. Der Sehende
hat überhaupt weüig Gelegenheit zu erkennen, dass im Auge gesehen
wird. Nur in den Fällen, wo zwar im Auge emptunden,
aber mohts bestimmtes Aeusseres gesehen wird, hat man die Gelegenheit
zu bemerken, dass das Auge der Schauplatz dieser Wirkungen
ist, im Empfinden des Dunkels vor den geschlossenen
Augen und im Empfinden der durch die geschlossenen Augenlieder
wirkenden Helligkeit. Auf die eben dargestellte Art muss
der neugeborne Mensch lernen die sichtbare Aussenwelt sich selbst
gegenüber zu setzen oder die sichtbare Welt ausser sich zu setzen.
B i l d e r d e s e i g e n e n K ö r p e r s im S e h f e l d e .
Gewisse Theile unseres Körpers machen nun fast immer ei-
* ne” Theil des Sehfeldes des Auges und also auch der Gesichtsvorstellungen
aus. Wenn wir mit einem Auge sehen, so wird die
eine Seite des Sehfeldes vom Bilde der einen sichtbaren Seite der
Nase eingenommen. Bewegen wir die Augenbraunen herab, so nehmen
die Augenbraunen den- obern Theil des Sehfeldes ein. Wird
die Wange erhoben, so sieht man einen Theil davon an der untern
Seite des Sehfeldes, und wird der äussere Theil des Museums
orbicularis palpebrarum contrahirt, so wird! auch der äussere
Tb eil des Sehfeldes durch ein Schattenbild ^ was von den Um-
gebungen des Auges herrührt, begrenzt. Bilder von Thèilen
unseres Körpers können also in der ganzen Peripherie des Seh-
feldes erscheinen, und zwischen den Bildern von unsern Körper-
theilen liegen dann die Bilder dér äussern Gegenstände. Wenn
tj-Yj e'nem Au§e sehend die Nasenspitze fixiren, so ragt das
Bild der Nase von der einen Seite des Sehfeldes bis in die Mitte.
Wenn wir mit beiden Augen zugleich sehen und die Nasenspitze
fixu-en, so liegt das Bild der Nasenspitze in' der Mitte des untern
i heils des Sehfeldes, beiden Augen zugleich an gehörend, Während
die Bilder der Nasenseiten zum Theil verloren gehen, indem das
eme Auge äussere Objecte sieht an der Stelle, wo das andere ein
undeutliches Bild der Nase hat. Wird das Auge mehr nach abwärts
gewandt, so erscheint am untern Theil des Sehfeldes nicht
mehr bloss die Nase, die Wangen und die Lippen, sondern auch
der Rumpf und die Extremitäten. Bei jeder Stellung des Auges
aber sieht es immer einen Theil unseres Körpers, der eine bestimmte
Stelle in der Peripherie des Sehfeldes oben oder unten
oder an den Seiten einnimmt, und das Bild unserer Körpertheile
macht einen mtegrirenden Theil der meisten Gesichtsempfindungen
und Gesichtsvorstellungen aus.
Obgleich die Bilder unseres Köipers auch nur auf dem Sehfelde
der Netzhaut abgebildet, und von diesem aus dem Sensorium
prasentirt werden, so legt ihnen das .Sensorium mit derselben
Sicherheit wie den Bildern äusserer Gegenstände Objectivität bei.
Genau genommen ist das Bild unserer Hand, das wir sehen,
nicht die Hand selbst, sondern nur ihr Schein. Wir greifen nach
Etwas, und indem wir diess thun, geschieht im Bilde des Sehfeldes
der Netzhaut dasselbe, vvir sehen, dass wir greifen, indem der
Schein unserer Hand den Schein des Objectes ergreift. Von
demselben Acte werden wir auch durch einen andern Sinn, durch
das Gefühl der Hand und ihrer Bewegungen unterrichtet. Wunderbar
scheint nun, dass, obgleich das Fühlen unserer Körpertheile
und das Sehen derselben an ganz verschiedenen Orten geschieht,
doch beiderlei Empfindungen nie in Widersprach gerathen. Die
Harmonie und die Vereinigung beiderlei Empfindungen geschieht
auch durch die Vorstellung. Dass dem so ist, können wir an einem
Beispiel uns versinnlichen, wo die Verschiedenheit des Ortes
noch auffallender ist, die Vorstellung aber gleichwohl beiderlei Empfindungen
nicht minder enge verknüpft, Wenn wir das Bild
unseres Körpers und seine Bewegungen im Spiegel sehen, die
Hände bewegen und davon durch das Gefühl sowohl, als durch
das Bild im Spiegel unterrichtet werden, so gelingt es uns auch,
das Gefühlte und das Gesehene, obgleich es. an ganz verschiedenen
Orten Stattfindet, durch die Vorstellung zu Einem zu verbinden.
V e r k e h r t s e h e n u n d G e r a d e s e h e n .
Nach optischen Gesetzen werden die Bilder in Beziehung
zu den Objfecten verkehrt auf der Netzhaut dargestellt, was oben
im Objecte ist, erscheint unten im Bilde und.umgekehrt, das rechte
links, das linke rechts, wählend die relative Lage der Theile des
Bildes ganz dieselbe bleibt. Es entsteht nun die Frage, ob man
die Bilder in der That wie sie sind verkehrt, oder oh man sie
aufrecht wie im Objecte sehe. Da Bilder und afiicirte Netzhaut-
theilchen eins und dasselbe sind, so ist die Frage physiologisch
ausgedrückt, ob die Netzbauttheilcben beim Sehen in ihrer na-
turgemässen Relation zum Körper empfunden werden.
Meine Ansicht der Sache, welche ich bereits in der Schrift
über die Physiologie des Gesichtssinnes entwickelte, ist die,, dass,
wenn wir auch verkehrt .sehen, wir niemals als durch optische
Untersuchungen zu dem Bewusstseyn kommen können, dass wir
verkehrt sehen und dass wenn Alles verkehrt gesehen wird, die
Ordnung der Gegenstände auch in keiner Weise gestört wird.
Es ist wie mit der täglichen Umkehrung der Gegenstände mit der
ganzen Erde, die man nur erkennt, wenn man den Stand der
Gestirne beobachtet, und doch ist es gewiss, dass innerhalb 24
Stunden Etwas im Verhältniss zu den Gestirnen oben ist, was
früher unten war. Daher findet beim Sehen auch keine Disharmonie
zwischen Verkehrtsehen und Geradefühlen statt; denn es
wird eben Alles und auch die Theile unseres Körpers verkehrt
gesehen und Alles behält seine relative Lage. Auch das Bild unserer
tastenden Hand kehrt sich um. Wir nennen daher die Gegenstände
aufrecht, wie wir sie eben sehen. Eine blosse Umkehrung'der
Seiten im Spiegel, wo die rechte Hand den linken Theil
des Bildes einnimmt, wird schon kaum bemerkt und unsere Ge