dieser Ansicht ist im gewöhnlichen Zustande, so lange die Sen-
sitiva nicht erschüttert wird, allein die untere Hälfte des Wulstes.
thätig; und nur bei der Erschütterung äussert die obere
Hälfte ihre Reizbarkeit. Das heisst mit anderen Worten: die
untere Hälfte des Wulstes, welche den Blattstiel beständig nach
oben drückt, ist auf äussere Reize gar nicht afficirhar, gar nicht
reizbar, sie wirkt bloss unter dem Einfluss der allgemeinen Lebensreize;
gerade dann, wenn plötzliche Pvcize wirken, aussert sie
ihre Contractilität nicht mehr. Diese Erklärung der Facta geht
aus den von D utrochet entdeckten Thatsacben nicht nothwendig
hervor, und einige Beobachtungen scheinen ihr zu widersprechen.
Die abgeschnittenrn Stücke des Wulstes contrahiren sich im
Wasser, sie mögen oben öder unten oder an den. Seiten des
Wulstes abgeschnitten sevn; ihre Contractilität müsste daher an
allen Seiten des Blattstieles gleich scyn; indessen ist doch die
folgende, auf eihen snpponirten Antagonismus von Elasticität und
Contractilität beruhende Erklärung viel unwahrscheinlicher. Nimmt
man an, dass der ganze längliche Wulst rund um die Basis des Blattstiels
sich ohne Unterlass nach innen zusammenzieht (wie es im Wasser die
abgeschnittenen Theile desselben thun), so wird im nicht erschütterten
Zustande der Blattstiel gegen seine Insertion hingezogen,
und er ist aufgerichtet. Jede Erschütterung soll nun, wie das
Leben der ganzen Pflanze, so nämlich die Contractilität des
Wulstes stören; der Blattstiel wird sich dann, so lange die Folgen
der Erschütterung dauern, nicht mehr erhoben, erhalten können,
er wird sich (seiner Elasticität folgend?) senken. Haben
die Fol gen der Erschütterung aufgehört, so wirkt die Contractilität
des ganzen Wulstes wieder, und der Stiel erhebt
sich in der Richtung seiner Insertion wieder. Die Bewegung
der Blättchen im Momente der Erschütterung gegen einänder
wäre dann auch als Zustand der Ruhe der lebendigen Contractilität
zu betrachten, wie er auch im Schlafe der Pflanze eintritt,
und die Entfaltung ausser der Zeit der Erschütterung fiele in die
Zeit der Wirkung ihres Wulstes. Man sieht, dass sich die Phänomene
auch so erklären lassen. Die abwechselnden Bewegungen
der Blättchen von Hedysarum gyrans wären kein unüber-
steigliches Hinderniss gegen diese Erklärung. Man nimmt >in diesem
Fall, statt des Antagonismus zweier lebendigen Kräfte, eine
rhythmisch wirkende lebendige Kraft, eine abwechselnd wirkende
Contractilität an, wärend die Theile in den Zwischenzeiten der
Elasticität allein folgen. Wäre die letztere Erklärung richtig; so
würde , sich die Contractilität der Pflanzen in dem Puncte wesentlich
von der der thierischen, d. h. mit Nerven begabten Wesen
unterscheiden, dass störende-Eingriffe sie auf einen Augenblick
auf heben, während diese Einflüsse bei den Thieren auf die
Nerven wirkend, die Wirkung der Nerven entladen und eine
Verstärkung der Contraction, eine Zuckung hervorbriogen. Ich
halte indess die Erklärung von D utrochet für wahrscheinlicher,
weil nach mehreren Beobachtern der auf Erschütterung gesenkte
Blattstiel der künstlichen- Erhebung, widersteht, die Senkung des
Blattstiels sich also als activer Moment erweist.
Nicht die unmittelbar gereizten Theile allein zeigen Contractilität;
die Reizung pflanzt sich vielmehr auf eine noch unbekannte
Art und wahrscheinlich durch Veränderung^ der Saftströmung in
den Gefässbündeln auf andere oder alle reizbaren Theile der
Pflanze fort, so dass von dem gereizten Theile aus, selbst dann,
wenn die Reizung ohne Erschütterung durch Brennen odei’ Säuren
geschah, allmählig die nächsten, dann die entfernten Theile
der Pflanze afficirt werden. D ütrochet hat durch Verletzung
verschiedener Theile der Pflanze und Beobachtung der darauf
stattfindenden Erfolge der Reizung es wahrscheinlich zu machen
gesucht, dass die Fortpflanzung der Reizung nicht durch das
Mark und die Holzfasern, sondern durch die Saftgelässe geschehe.
Die längere Beraubung von dem Licbteinflusse und eine niedere
Temperatur machen die Pflanze zur Aeusserung der Contractilität
auf plötzliche Reize unfähig,' während die mit dem Schlafe
und Wachen zusammenfallenden Bewegungen derselben Theile
anfangs noch fortdauern.
b. V o n d em l e im g e b e n d e n c o n t r a c t i l e n G e w e b e d e r T h i e r e . ,
Die ersten Spuren der lebendigen Contractilität zeigen sich
bei den Thieren in einem den fasern des Zellgewebes sowohl
durch seine Structur als durch seine chemischen Eigenschaften
so ähnlichen Gew’ebe, dass man verleitet werden könnte, es für
damit identisch zu halten, und dem Zellgewebe nicht bloss die ihm
auch nach dem Tode zukommende elastische Contractilität, sondern
auch organisches Zusammenziehungs-Vermögen zuzuschreiben.
Wir wollen es vorläufig leimgebendes contractiles Gewebe
nennen, ein Name, der seine Verschiedenheit von den aus Faserstoff
bestehenden Muskeln hinlänglich bezeichnet. Da es am meisten
Aehniiehkeit mit dem Zellgewebe besitzt, so wollen wir zuerst
èinen Blick auf dessen Structur und chemische Eigenschaften
werfen. . T
Die Zusammensetzung dés Zellgewebes ist schon oben ±>u. 1.
p. 410. beschrieben. Es besteht aus mannigfaltig durchflochte-
nen Fascikeln, die wieder aus parallelen,, ganz glatten, durchsichtigen
Primitivfasern bestehen. Diese Fasern sind sehr fein und
messen nach K rause nac^ d °BDAIf (Mueller’s Archiv
1834.) 0,0007 englische Linien im Durchmesser. _ Die Beschaffenheit
dieser Fasern ist so eigenthümlich, dass sie sogleich
unter dem Mikroskop jedesmal von anderen Fasern leicht unterschieden
werden können. Ausser ihren glatten Rändern und ihrer
durchsichtigen Beschaffenheit haften sie in ihrer geschwungenen
Lage etwäs ganz Characteristisches. Unausgèspannt bilden diese
Fasern keine geraden Fäden, immer liegen sie b.ogèfi- oder wellenförmig.
Doch bleiben die Fasern eines primitiven Bündels bei
den Biegungen parallel. Diess Verhalten kömmt von der grossen
Elasticität des Zellgeavebes. her. So oft diese Bündel gedehnt
werden, jedesmal nehmen sie, sobald die Dehnung auf hört, die
verschlungene Lage wieder ..ein. In chemischer Hinscht gehört
das Zellgewebe (von Blut und Lymphe ausgewaschen) in die Classe