
Scrophelsncht and Aehnliches. Bis zum Knabenalter hat der Geist
die Fähigkeit and Stärke zur Ansammlung von Kenntnissen und
zu seiner eigenen Ausbildung erlangt, das Wachstluxm fliesst ruhiger,
die materielle Zusammensetzung ist befestigt, und diese Lebenszeit
ist das Alter der Schule und der geistigen Erziehung,
es wird darin der Grund zu Allem gelegt, worin das spätere
geistige Leben wurzelt.
Das Alter der Geschlechtsreife beginnt mit der Pubertätsentwickelung
und endet mit dem Abschluss der Geschlechtsreife, bei
dem Weibe mit dem 45. —50. Jahre. Man kann weiter darin das
Alter der reifen Jugend und des Mannes unterscheiden. Mit der
schon früher geschilderten Entwickelung der Pubertät geht gleich-
zeitig eine weitere Ausbildung der Athem- und Stimmwerkzeuge,
wovon bei der Stimme gehandelt worden, und die vollkommenste
und blühendste Entwickelung der Gestalt vor sich, so dass sich
die Gesichtszüge oft schnell verändern und den Ausdruck annehmen,
den sie das spätere Leben hindurch behalten. Das
vorher knabenhafte Antlitz dient jetzt dem Ausdruck heftigerer
Leidenschaften, die Leitung hat aufgehört und wird nicht
mehr vertragen, die Unarten des Verzogenen Kindes brechen
aus und die Verirrungen eines selbstständig gewordenen Lehens,
was durch eigene Erfahrung und Schicksale klug werden
will und sich frei fühlt, beginnen. Da die entsprechende Entwickelung
im weiblichen Organismus früher und rascher eintritt
so verlassen die Mädchen auch früher das Spiel der gleichalterigen
Knaben und verachten sie, vor denen sie, wenn sie ihnen in der
Entwickelung gefolgt, sittsam sich scheuen und erröthen. In
Leiden Geschlechtern regt sich ein mächtiges dichterisches Leben
der Phantasie, es ist die Zeit der Ideale, ohne Neid, ohne Habsucht,
ohne Missgunst, voll offener aufopfernder Freundschaft, ein
unbegrenztes Schaffen und Sinnen liegt vor ihnen. Keiner kennt
noch seine eigenen Grenzen, welche in dem Ernst des Mannes
zum Bewusstseyn kommen. Die Liebe ist der Mittelpunkt der
edelsten Gefühle. Die auf das Individuum bezügliche vegetative
Entwickelung ist vollendet, der Strom des Wachsthums der organischen
Kraft gehet nun nach neuen Producten der Zeugung
hin. Bei denen die bildende und ausgleichende Kraft von Anfang
weniger sicher und die materielle Zusammensetzung weniger dauerhaft
war, diese widerstehen auch jetzt schon nicht mehr so gut
den äusseren Reizerj, zumal auf ein- so edles Organ wie die Lungen,
welches zu dieser Zeit wegen der Entwickelung, welche
die Athemorgane erleiden, eine viel grössere Erregbarkeit besitzt.
Dahei nach dem Abschluss der Jugendentwickelungen die vorher
ruhige Anlage zu Krankheiten der Lungen auftaucht, welche während
des individuellen Wachsthums, Vegetirens und Entwickelns so
wenig sichtbar war, als die Hektik wahrend der Schwangerschaft.
So lange die Gestalt noch wächst; bleiben auch die Epiphysen
der Knochen noch frei und durch Näthe von den Diaph^sen
getrennt, indem die Verlängerung der Knochen an diesen Stellen
erfolgt. Nachdem die volle Grösse des Individuums erreicht ist
verwachsen die Epiphysen mit den Diaphysen.
Im Mannesalter weichen die schlanken Formen der Jugend
oft einer reichern Vertheilung der Materie und einer beleibtem fettem
Gestalt, in welcher sich eine mindere Herrschaft der formenden
Kraft über die Massen kund giebt. In diesem Alter hat auch das
geistige Leben seine Reife erreicht, das Ueberschwengliche der
Empfindungen abgestreift, es ist des Erstrebten, Misslungenen,
Verfehlten, der Grenzen und des Besitzes gewiss, die Welt ist
ruhiger, klarer, ernster geworden, die Leidenschaften sind noch
da, wirken aber in anderer Richtung, Besitz erwerbend, ver-
theidigend. Haus, Hof und Familie stecken sich ab und breiten
sich aus, das Erworbene im eigenen Kreise mehrend, dann
hängt man an der Scholle Erde und bauet ein Haus auf für eine
Zukunft, die man oft nicht erlebt.
Innerhalb des Mannesalters ist eine Anlage zu Krankheiten
besonderer organischer Systeme nicht vorwaltend,^ im vorgerückten
Mannesalter treten indess allmälig die' materiellen Veränderungen
am häufigsten in denjenigen Organen ein, welche in der
chemischen Umwandlung der Materie am meisten thätig sind, wie
in den grossen drüsigen Eingeweiden, und die geringere Vegetationskraft
vermag den störenden Einflüssen um so weniger das
Gleichgewicht zu halten, je lä n g e r sie sich wiederholt haben. Nicht
die Lungen sind es jetzt, welche viel früher sich als schwächerer
Theil zeigen, aber auch nach den Erregungen, welche sie in der
Jugend erfahren, sich allmählig beruhigen; sondern mehr als andere
sind die Organe des Unterleibs den materiellen Veränderungen
ausgesetzt, während vorausgegangene Zerrüttungen des Nervensystems
sich fühlbarer und nachhaltiger, als in der Jagend
kundgeben, in welcher sie vorbereitet seyn mögen, und die Tiefe
der geistigen Erschütterungen das Mannesalter mehr als andere
zum Alter der Geisteskrankheiten machen.
Die dritte grosse Lebensperiode kann als das unfruchtbare
Lebensalter bezeichnet werden. Sie umfasst das Leben, des Menschen
von dem Aufhören der fruchtbaren Zeugung bis zum hohen
und höchsten Alter. In diesem Alter verliert die Gestalt nun
auch an Fülle und Turgor. Die Vegetation der Haare, die am
Kopfe zuerst begonnen und sich im Jünglings- und Mannesalter
dem Gesicht zugewendet, vergeht auch am Kopfe zuerst und
dauert nur im Barte bis zum höchsten Alter aus. Im hohen und
, höchsten Mannesalter zeigt sich auch eine Neigung zur Absetzung
von Kalksalzen oder Vererdung in den Knorpeln und Häuten der
Blutgefässe. Leicht verlieren auch die Zähne oder ihre Trümmer
ihren Zusammenhang mit den Kiefern. Die Alveolen verschwinden,
nachdem jene ausgefallen. Dahier die Kiefer der Greise sich
verkürzen. Diese Lebensperiode bringt es nach dem Abschluss
aller Entwickelungen mit sich, dass die Energie der Lebensfunctio-
nen gleichmässig oder ungleichmässig abnimmt, die Kraft der Bewegungen,
die Intensität der Triebe, Neigungen und Theilnahme,
die Schärfe der Sinne, die Lebendigkeit der Phantasie und der
Math des Lebens und Widerstandes vergehen. Die wenigsten Menschen
erreichen ein Alter, in welchem diese Abnahme der Kräfte
unmerklich zur Grenze des gesunden Lebens führt. Bei den