
gewähren ihm eine zufriedene Seelenstimmung, ohne stürmische
Genüsse und tiefe Leiden.
Eine schon pathologische Erscheinung ist jene Art des Phlegma,
welches durch Trägheit, Apathie, Theilnahmlosigkeit, Unschlüssigkeit,
Langeweile, Mangel an Fassungskraft, Langsamkeit der
geistigen Fortschritte sich auszeichnet und den wenig tief empfundenen
Schmerz der Arbeit und Anstrengung vorzieht.
Die ungemässigten Temperamente sind das cholerische, sanguinische
und melancholische. Die Gemüthsbewegungen beruhen
auf den Strebungen, auf ihren Hemmungen und Steigerungen
durch vorgestellte Objecte mit den Zuständen der Unlust und
Lust. Hier kann nun das Streben mit Ausdauer der organischen
Actionen stark seyn bis zur Überwältigung der Hindernisse, und
es kann auch die Gemüthsbewegung der Lust und Unlust stark
seyn bei einer gewissen Heftigkeit des. Empfindens, bei einer relativen
Schwäche der Reaction durch fortdauernde Streburigen
und organische Actionen. Im ersten Fall erhält mgn das ch o le
ris c h e , im zweiten das san g u in isch e und m e lan ch o lisch e
Temperament, welche beiden letztem auf derselben Grundstimmung
beruhen nnd einander näher verwandt sind, als den anderen
Temperamenten.
Der Cholerische ist ausserordentlicher, sowohl heftiger, als
ausdauernder Kraftentwickelungen für leidenschaftlich aufgefasste
und begehrte. Zustände seiner selbst und Anderer fähig. Seine
Gemüthsbewegungen entflammen sich, wo sein Streben fortzu-
seb reiten oder zu beharren eine Hemmung erfährt, sein Ehrgeiz,
seine Eifersucht, seine Rachsucht, seine Herrschsucht kennen keine
Grenzen, so lange er in seinen leidenschaftlichen-Zuständen verharrt.
Er überlegt wenig, er handelt sogleich ohne Zweifel, weil
er allein Recht hat und vorzüglich weil er es will, und wird
nicht bald enttäuscht, er verharrt unversöhnlich in seinen leidenschaftlichen
Strebungen bis zum eignen Ruin und zum Ruin Anderer.
Bei dem Sanguinischen ist die Lust die Gfundstimmung,. bei
leichter Erregbarkeit und kurzer Dauer der Zustände. Er geniesst
und sucht den Genuss, nimmt bald Antheil, schliesst bald Freundschaftsbündnisse
und giebt sie leicht auf, wechselt seine Neigungen
und ist wenig verlässig; er wallt leicht auf und bereut bald, verspricht
leicht und viel und hält es auch jetzt, aber nicht später;
er hofft leicht und vertraut leicht,, macht viele Lieblingspläne
und lässt sie liegen, ist nachsichtig gegen fremde Fehler und
nimmt dieselbe Nachsicht für seine Fehler in Anspruch, er versöhnt
sich leicht, ist offen, liebenswürdig, gutmüthig, gesellig und
ohne Berechnung.
Bei dem Melancholischen ist die Unlust die Grund Stimmung.
Er wird so leicht erregt als der Sanguinische, aber die Empfindungen
der Unlust sind nachhaltiger und häufiger, als die der
Lust, und auch Anderer Unlust erregt sein tiefes Mitgefühl, er
fürchtet, bereut, mistraut,, ahndet bei jeder Gelegenheit, und
hört auf alle Gründe mehr, die diese Stimmung unterhalten. Er
fühlt sich leicht beleidigt und gekränkt, zurückgesetzt, die Hindernisse
auf seiner Bahn machen ihn muthlos, zaghaft, verzweifeind,
er verliert die Fähigkeit zu handeln, sich zu rathen. Sein
Begehren ist voll Wehmuth und voll der Vorstellung des Verlustes.
Sein Leid ist ungemessen und ohne Trost. Diese Schilderungen
lassen sich leicht erweitern, würden aber in weiterer
Ausführung nicht znm Zweck dieser Untersuchung gehören.
IV. Capitel. Vom Schlaf.
Jene Art von Erregung der organischen Zustände des Gehirns,
welche bei der Geistestbätigkeit stattfindet, macht allmähg das
Gehirn selbst zur Fortsetzung dieser Action unfähig, und erzeugt
dadurch Schlaf, der hier dasselbe ist, was die Ermüdung in jedem
andern Theil des Nervensystems. Das Aufhören oder die Remission
der geistigen Thätigkeit im Schlafe macht aber auch eine Integration
der organischen Züstände, wodurch sie wieder erregbar werden,
möglich. Das Gehirn,, dessen Wirkungen bei dem geistigen Leben
nöthig sind, gehorcht dem allgemeinen Gesetz für alle organischen
Erscheinungen, dass die Lebenserscheinungen als Zustande der
organischen Theile mit Veränderung ihrer Materie erfolgen. Je
länger daher die Thätigkeit der Seele dauert, um so unfähiger
wird das Gehirn diese Thätigkeit zu unterhalten und um so stärker
wird die Hemmung der Seele, bis zuletzt die Empfindungen
selbst aufhören, obgleich die Reize zu den Empfindungen fort-
dauern. Der ganz analoge Zustand tritt theilweise auch während
des Wachens bei dem Empfinden ein. Denn wenn man einen
farbigen Fleck sehr lange betrachtet, so sieht man ihn zuletzt
o-ar nicht mehr und es findet auf der Retina ein allgemeiner
Eindruck ohne örtliche Specification statt. Bei Nervenschwachen
wird es beim langen Sehen sogar dunkel vor den Augen. Nicht
bloss die geistige Thätigkeit sefbst, auch andere anhaltende Wirkungen
des animalischen Lebens, anhaltende und zuletzt ermüdende
Thätigkeit der Sinne, grosse Anstrengungen der Muskeln
bewirken dieselbe Abspannung, denselben Mangel in den organischen
Zuständen des Gehirns,, das Bedürfniss des Schlafes und
den Schlaf selbst, wegen der Mittheilbarkeit der organischen Zustände.
Endlich bewirkt auch eine Hemmung der organischen
Zustände des Gehirns durch ein an roher Nahrung reiches Blut,
wie nach reichlichen spirituösen Mahlzeiten, Sculaf. Stärker und
durch Alteration des Sensoriums wirken die schlafmachenden Mittel.
Selbst der blosse grössere Druck dés Blutes auf das Gehirn
beim Horizontalhegen wird leicht die Ursache des Schlafes. Manche,
wie ich selbst, können sich schlafen machen, wenn sie wollen,
wenn sie sich gedankenruhig hinlegen. Die Dauer und die
Zeiten dieser Periodicitat hängen theils von äusseren, theils von
inneren Ursachen ab. Der Schlaf fällt gewöhnlich mit der Nacht,
das Wachen mit dem Tag zusammen, weil die Reize im Tage
viele, in der Nacht wenige oder gar keine Wirkungen auf die
Sinne und dadurch auf'das Gehirn ausüben. Indessen liegen die
Ursachen der Dauer des Schlafes und des Wachens doch auch
in derp organischen Körper selbst. Denn der Tag lässt sich mit