
Die Erfahrung lehrt, dass nicht hloss die durch Cohärenz -elastischen
Körper, wie Metalle und Holz, Zungenblättehen hilden
können. Man kann diesen Platten auch durch Spannung elastische
Platten oder Membranen substituiren, wie sich im Folgenden
zeigen wird. Auch diese membranösen Zungen geben, durch
einen Strom comprimirter Luft in Bewegung gesetzt, ohne eine
Ansatzröhre reine Töne von sich, so gut wie die Zungen der Maultrommel
und der Mundharmonica es thun. Durch Ansatz einer
Röhre vor den Zungen dei* ersten und zweiten Art entsteht ein
complicirteres Instrument, bei welchem die Luft der Röhre zur
Modification der Schwingungen der Zunge mitwirkt. Instrumente
dieser Art mit festen Zungen von Metall oder Holz sind langst
unter dem Namen der Zungenwerke bekannt; die Orgel besitzt
ein ganzes Register dieser Apparate unter dem Namen der Zungenwerke
oder Rohrwerke. Eine Classe von anderen Blasinstrumenten
ist nach demselben Princip gebildet, wie die Clarinette, die
Hoboe, das Fagot, der Serpent, die Schalmey, welche sämmtlich
ausser der Röhre eine Zunge enthalten und dadurch sich von
den Flötenwerken, bei welchen der Ton lediglich durch die Luftsäule
erzeugt und durch ihre Länge verändert wird, unterscheiden.
Aber auch das, was wir membranöse Zunge nennen, kann
mit einer Röhre verbunden zu einem ähnlichen, von einer einfachen
Zunge verschiedenen Werke werden, wie wir bald sehen
werden. Die Theorie dieser Instrumente ist für die Untersuchung
der menschlichen Stimme von der grössten Wichtigkeit.
E r s t e Cl a s s e d e r Z u n genvre' rke.
Z u n g enw e rk e mit e in e r Zunge von, einem stei.f e la s tische
n K ö rp e r: M e ta ll, H-olz.
A. Zungen nach Analogie der Stäbe.
a. Einfache Zungen ohne Rohr.
Die einfachste Zunge dieser Art ist die Maultrommel, wo ein
zwischen zwei stählernen Schenkeln liegendes, an einem Ende
befestigtes, ebenfalls stählernes Zungenblättehen durch die zwischen
der Zunge und den Schenkeln durchgetriebene Luft in Bewegung
gesetzt wird. Die Mundharmonica stellt eine Zusammenstellung
mehrerer Zungen in demselben Rahmen dar. Sie besteht
bekanntlich aus einer kleinen Metallplatte, worin längliche rectan-
guläre Locher, jedes zur Aufnahme seines Zungenblättchens, eingeschnitten
sind. In diese Oeffnungen passen dünne Plättchen
von Metall, die an dem einen Ende angelöthet sind. Sie müssen
so in ihrem Rahmen vibriren können, dass sie denselben
nicht berühren, und werden in Schwingung gesetzt dadurch, dass
man die Platte oder den gemeinsamen Rahmen gegen die Lippen
andrückt und die Luft gegen die Zungen bläst, wodurch ein klarer
Ton, nach der Länge und Stärke der Zunge verschieden,
entsteht.
Die sogenannten Mundstücke (anche) beruhen auf demselben
Mechanismus. Ein messingener oder, stählerner hohler Halbcylin-
der ist an seinem einen Ende offen, an dem andern geschlossen;
,lie flache Seite - bildet gegen das geschlossene Ende eine elasti-
1 f Platte die den Halbcylinder an diesem Theil der flachen
ä c »Wte’e . « £ « * «nd *1IM in di« Höhle de» H.lhcy-
linders hinein schwingen kann; so kann die Luft zwischen den
Rändern der Platte und der Lade in die Hoble des HalbcyAnders
eindringen oder aus demselben ausdringen. Es ist hier, wie bei
der Maultrommel und Mundharmonika ein Rahmen und eine darin
passende, bewegliche, elastische Zunge gegeben. Von den letztgenannten
Instrumenten unterscheidet sich diese Art von Mundstück
nur, dass der Rahmen hier zugleich ein Rohr bildet,
welchem die Luft, die zwischen Rahmen und Zunge durcligegan
«en ausströmt, oder von welchem aus auch die Luft gegen die
Zunge getrieben werden kann. Ein solches Mundstuck kann von
der einen oder andern Seite angeblasen werden Nimmt man
das Ende, woran die Zunge, in den Mund und blast, so dass die
Zunge kn Munde frei schwingen kann, so drangt sich die Luft
mit Unterbrechungen zwischen der Zunge und dem Rahmen in
den Halbcylinder. Bläst man von dem offenen Ende her, so dringt
sie zwischen der Zunge und ihrem Rahmen aus. Man sieht hier
wieder deutlich, dass die Hauptsache eines Zungenstucks nui
dieses selbst, und ihr Rahmen, wie bei der Maultrommel, das
Uebrige aber Zugabe ist. Eine so gebaute Zunge kann auch
mittelst eines Pfropfes, durch den sie durchgeht, wie bei den Zun
oenpfeifen der Orgel, in einen hohlen Cylinder gesetzt werde ,
durch dessen eine Oeffnung die Luft zugeblasen wird.
Die Art, wie die Zunge in Schwingung gesetzt wird, scheint
mir bisher nicht genügend erklärt wie auch Fe™ bemerk ;
sie ist meines Erachtens diese: So wie man blast, wird die
Zunge aus der Oeffnung des Ralimens getrieben. Sie entfernt
sich nach dem Gesetze der Trägheit von dem stossenden Körper,
bis die Elasticität der Zunge, die im Maass ihrer Beugung
wächst, ihrer Geschwindigkeit das Gleichgewicht halt. Da der
Druck der Luft indess fortdauert, so wurde die Zunge bei anhaltendem
Blasen in dieser Lage verharren; indess ist der Druck
der Luft bei abgewendeter Zunge viel geringer als vorher, da die
Zunge noch im Rahmen stand, die Zunge wird also durch ihre
Elasticität, wie ein Pendel, zurückgehen Sie wurde sogar bei der
anhaltend wirkenden Elasticität mit beschleunigter Geschwindigkeit
zurückgehen, wenn der anhaltende Druck der Luit sie nicht etwas
retardirte. Im Rahmen angelangt treibt sie der nun wieder stärkere
Druck der Luft wieder ab. Ware kein Unterschied in
dem Druck der Luft, so würde die Zunge durch den Druck
der Luft in gleicher Lage beständig erhalten werden , in derjenigen
Lage, welche ihr Widerstand zulasst. Nicht bloss der
eingeschossene, auch der freie Strom der Luft kann eine Zunge
in Bewegung setzen, wenn sie fein genug ist, wie z. B.
zarten Zangen in der Mundharmonica, und wenn der Strom
Luft stark ist. Bläst man z. B. mittelst eines feinen Röhrchens
von feiner Mündung frei gegen eine Zunge der Mundharmonica,
aber heftig, so geräth sie in Schwingung; ja es ist nur sogar einigemal
gelungenfeine ohne Rahmen befestigte ferne Zunge durch