
VI. Capitel. T h e o rie d e r g e sch le ch tlich er! Zeugung.
a. C. F r. W o i f f ’s A n s i c h t v o n d e r B e f r u c h t u n g d e r P f l a n z e n
u n d T h i e r e . Theorie der Generation. Halle 1764. p. 222.
C. F r . W olff geht bei seiner Lehre von der Conception von
dem Grundgedanken aus, dass die Vegetation der Pflanzen durch
die Fructification ihr Ende erreicht und dass das Ende der Achse,
sobald die Bildung der Blüthe an dieser Stelle eintritt, auch zur
Fortsetzung der Achse in der Form der Knospen unfähig wird.
Er beweist sodann, dass die Fructificationsorgane selbst nur ino-
dificirte Blätter sind. Der Kelch ist, sagt er, bei der Sonnenblume,
nichts als eine. Anzahl dicht zusammengehäufter kleinerer Blätter,
als die gewöhnlichen sind. Die Blumenblätter sind wiederum
nichts anders, wie die Gräser beweisen. Die Blumenkrone der
Gräser ist vom Kelch njc'ht unterschieden ; und sie ist von den
vorhergehenden gewöhnlichen grossen Blättern' ebenso und nicht
anders verschieden, als der Kelch von ihnen verschieden ist. Die
Farbe ist nicht wesentlich und tritt oft allmälig auf. Die Statice
hat viele Kelche, der unterste ist blass und ohne Farbe, die folgenden
fallen immer mehr ins röthlicbe; der oberste, die Blume
selbst, ist am stärksten gefärbt, aber die Figur nicht im geringe
sten von den vorhergehenden Kelchen verschieden. Die Samenkapseln
verralhen ihre Natur als Blätter, wenn sie reif sind und
von einander springen, eine jede Valvel ist dann ein wahres Blatt.
Mit dem Samen ist es ebenso. Sobald er in die Erde gesteckt
wird, gehen seine Seitentheile in Blätter über.
W olff beweist sodann, dass die Modification der Blätter bei
der Bildung der Blüthe in einer' Hemmung der Vegetation besteht.
Die Blätter, welche den Kelch der Sonnenblume ausmachen,
sind kaum den achten Theil so breit als die gewöhnlichen
Blätter und viel kürzer. Die Blätter des Kelchs und der Blume
der Gräser sind kaum den 50. Theil so lang als die gewöhnlichen
Blätter. Er fügt hinzu, dass auch die gewöhnlichen Blätter einer
Pflanze vor der Blüthenbildung nach und nach unvollkommen
werden. In der Sonnenblume und vielen anderen geschieht diess
so deutlich, dass man nicht sagen kann, wo die gewöhnlichen
Blätter der Pflanzen aufhören, und wo die zum Kelch sehörenden
anfangen. Man kann hinzufügen, dass die Internodien bis zur
Blüthe immer kürzer werden, und dass man in der Stellung der
Blätter des Kelches bei manchen Pflanzen noch deutlich die Spur
einer Spirale wahrnimmt, welche die Blattstellung am Stengel
beherrscht. Die Vegetation wird also, schliesst W olff, gegen die
Blüthe immer unvollkommner und schwächer, sie muss endlich
ganz aufhören. Dieses völlige Aufhören nun geschieht bei dem
Samen. Die Hemmung der Vegetation beruht in dem Mangel
der Säfte, und dieses geht aus dem Vertrocknen und Abfällen
der Frucht hervor. Setzt man aber eine Pflanze, von der man
ungefähr weiss, wie viel Schüsse von Blättern sie bekommen muss,
ehe die Fructification erfolgt, in ein sehr mageres Erdreich, so
Wird sie ausserdem, dass ihre Blätter sehr klein und unvollkommen
werden, auch wenn sie sonst 6 Ausschüsse von Blattern bis
zur Fructification macht, jetzt kaum 3 gemacht haben, so wird
die Fructification schon eintreten. Wird dieselbe Pflanze in ein
sehr feuchtes und fruchtbares Erdreich gesetzt, so werden ihre
Blätter nicht nur grösser und vollkommner, sondern statt sie gewöhnlich
6 Ausschüsse von Blättern bekommt, wird sie letzt 9
hervorbringen. Wenn ferner eine Pflanze in guter Erde mit der
Fructification zaudert, und immer noch Blatter treibt, so darf
man sie nur in magere Erde versetzen und d.e Fructification wird
sogleich eintreten. Endlich kann man bei einer Pflanze die in
einer magern Erde schon den Kelch und die Anfänge der Blumenkrone
und Autheren formirt hat, und in fruchtbare Erde
schnell versetzt wird, sehen, wie die Antheren wegen des Ueber-
flusses: a„ Nahrungsstoff in Blumenblätter sich verwandeln
Ferner sa<>t W olff sind die ersten Theile der jungen Pflanze,
die durch die Kraft des hinzukommenden männlichen Samens
erzenst werden sollen, von den gewöhnlichen Blättern der alten
Pflanze nicht verschieden. Die junge Plumula ist aus jungen
Blättern ebenso zusammengesetzt, wie, die Knospen bei den alten
Pflanzen. Sie werden also auch zu ihrer Hervorbringung dieselbe
Ursache erfordern, welche bei der alten Pflanze stattfand, zur
Zeit als sie ihre gewöhnlichen Blätter hervorbrachte. Der männliche
Samen oder Blumenstaub kann also nichts anders seyn, als
eben diese Ursache, die bisher gefehlt hat. Der männliche Samen
ist daher nichts Anderes, als ein im höchsten Grade vollkommene^
Nutriment. Das gewöhnliche Nutriment hört auf, dem Enutheil
der Pflanze auf den gewöhnlichen Wegen zu zu fliessen. Der
männliche Samen ist aber ein Nutriment, welches nicht auf den
gewöhnlichen Wegen zum vegetationsfähigen Theil, sondern von
aussen ihm zugelübrt wird, ■ . . „ r .
Bei denThieren geschehe die Conception aut dieselbe Weise.
Der Ort wo hier die Végétation aufhöre, sey der Eierstock, welcher
daher einer, in ihrer Entwickelung gehemmten Endknospe
gleich ist.
b. K r i t i k d i e s e r T h e o r i e .
Die Theorie der Conception von C. F r . W ol ff enthält meh-
reres vollkommen Richtige, ist aber in ihrem Endresultat unrichtig
und schliesst namentlich eine Verkennung der Natur des Samens
in sich. Es ist richtig, dass die Vegetation bei der Fructification
oehemmt wird, aber diese Hemmung wird nicht durch das vollkommenste
Nutriment aufgehoben, sondern die Hemmung ist, wie wir
sogleich sehen werden, ganz eigenthumheher Art. Eine abfallende
Knospe ist auch in ihrer Vegetation gehemmt und war es bereits
vor dem Abfallen, und wir haben gesehen, dass es höchst einfache
aus einer einzigen Zelle bestehende Knospen giebt, we e m
Hinsicht der Einfachheit dem durch Fructification sich bildenden
Keim nichts nachgeben, und welche sich doch wesentlich von
diesem in Hinsicht ihrer inneren Zustände und Kräfte unterscheid