
IV. Capitel. Von d e r Ablösung d e r Knospen od er der
T h e ilu n g zwischen Stamm und Knospe.
Die Knospen können entweder im entwickelten oder im unentwickelten
Zustande sich spontan ablösen oder künstlich abgelöst
werden, und dadurch ganz selbstständig werden. Alles; diess
findet sich bei Thieren sowohl als Pflanzen.
a. Künstliche Ablösung der ausgewachsenen Knospen,
Die ausgewachsenen Knospen der Hydren können vom Mutterstamm
abgeschnitten werden und leben fort. Diese Art der
Trennung zweier Individuen ist wohl von künstlicher Theilung
eines Thiers zu unterscheiden; denn sie waren vor der Theilung
schon vollkommen ausgebildet vorhanden und nur verwachsen.
Bei den Pflanzen wird diese Ablösung der ausgewachsenen
Knospen oder der Triebe sehr oft ausgeführt, sei es, dass sie als
Setzlinge in die Erde eingesetzt, oder als Pfropfreiser auf andere
Stämme zum Anwachsen versetzt werden. Diese Fälle sind indess
nicht so rein, wie die von den Thieren. Denn die Setzlinge und
Pfropfreiser sind gewöhnlich keine durch Ausdehnung der vorhandenen
Theile fort vegetirende Reiser, sondern Triebe, an
welchen schon Knospen vorhanden sind, und bei welchen daher
die Knospen sogleich sich weiter entwickeln.
b. Künstliche Ablösung der unentwickelten Knospen. *
Hierher gehört die Fortpflanzung der Kartoffeln durch Abschneiden
der Knospenaugen aus einer Kartoffel. Die ganze Kartoffel
ist als eine Metamorphose des unterirdischen Stengels zu
betrachten. Ablösen der einzelnen Augen mit einem Theil des
sie umgebenden Zellgewebes reicht zur Fortpflanzung bin.
Ferner siad auch die abgelösten Knospen der, Versetzung
auf andere Pflanzen fähig. Diess geschieht bei dem sogenannten
Qculiren, indem man die Knospe mit einem Stückchen der Rinde
und des Holzes abscbneidet, und sie mit einer entsprechenden
Stelle einer andern Pflanze verbindet. Bei den Thieren sind diese
Versuche noch nicht ausgeführt,
c. Spontane Ablösung der ausgewachsenen Knospe, ■ ,
Die ausgewachsenen Knospen, die sich zu einem vollkomm-
nen organisirten Individuum entwickelt haben, trennen sich bei
den Hydren von selbst von dem Mutterstamme, und zwar immer
erst nach der vollkommnen Ausbildung, nachdem sie lange als
selbststrebende Individuen mit dem selbststrebenden Mutterstamm
verbunden waren. Diese Theilung wird durch allmählig fortschreitende
Einschnürung ausgeführt.
Bei den Corallenthieren hingegen bleiben alle entwickelten
Knospen, wie auch bei den Pflanzen dem Stamm fort und fort
verbunden, und helfen den perennirenden Stammbaum von Generationen
vergrössern. ,
d. Spontane Ablösung der unentwickelten Knospen.
Die spontane Ablösung der unentwickelten Knospen oder die
spontane Theilung zwischen diesen und dem Mutterstamm ist bei
den Pflanzen sehr häufig. Hierher gehört die Trennung der
Knospensporen bei den Fadenpilzen und Laubmoosen, und bei
mehreren Lebermoosen, wie den Marchantien, Lunularien u. a.
und einigen Farbenkräutern. , _ . , . -.
Auch die Bildung der Knollen und Zwiebeln an einem ausdauernden
Mittelkörper bei entweder ausdauerndem oder vergehendem
Mutterstock endet mit der Trennung dieser Knospen,
mitsammt dem aus dem unterirdischen Stengel entzogenen Nahrungsstoff,
und ebenso fallen auch die überirdischen Zwiebelknospen
bei den Dentärien, ' Saxifragen und anderen ab.
P Bei den Thieren scheinen abfallende Knospen selten zu seyn.
Man hat zwar früher häufig eine ungeschlechtliche Fortpflanzung
bei Thieren durch Keimkörner, Sporen, angenommen, indessen
ist durch genauere Beobachtung der Zeugungstheile wahrschemlich
geworden, dass in vielen solchen Fällen solche Keimkorner durch
paarige Zeugung entwickelungsfähig sind. Eine scharfe Trennunö
zwischen der einen und andern Art der Ke.mkorner ist bisher
nicht einmal bei Pflanzen, nämlich den Cryptogamen, möglich
gewesen. Keimkörner, welche ohne paarige Zeugung entstehen,
gehören, mögen sie einfache oder zusammengesetzte Zellen seyn,
i'edenfalls mit in den Begriff der Knospen. /■' m
I Abfallende Knospen stehen der Natur der Keime in den Eiei n
oder den du rch paarige Zeugung entwickelungsfahig werdenden
Keimen am nächsten. In beiden fehlt nocK die vollkommene
Organisation der Pflanze und des Thiers, und die Organisation
beschränkt sich auf die Gegenwart von einer oder mehreren Zel
len welche die Kraft zur Erzielung der ganzen spec.fischen .Organisation
enthalten. Bei den abfallenden Knospen schreitet diese
Organisation sogleich bei den gewöhnlichen Lebensbedingungen
vor- in den Eikeimen hingegen ist eine gewisse Hemmung, vermöge
welcher , sie nicht von selbst zur Organisation streben, vielmehr
werden sie erst durch die Einwirkung eines Gomplementums
entwickelungsfähig. Im Eikeime sowohl, als irn Samen, ist die
Kraft zur Erzielung der bestimmten specifischen Organisation enthalten,
denn das geht aus der Verpflanzung der individuellen
väterlichen und mütterlichen Eigenthumhchkeiten durch die Zeugung
hervor, aber beide sind gehemmt und sind nur durch ihr
Supplementum vollständig. Ein Verhältmss, welches bei den Knospen
und knospenartigen Keimkörnern ganz wegtällt. _
Die Zeugung durch Theilung und Knospen und die paarige
Zeugung' sind auch darin verschieden, dass die Theilung und die
•Knöspenbildung am sichersten die Eigenschaften des Individuums
-fortpflanzen, Daher man anch die Fortpflanzung durch betz-
linoe und Pfropfreiser in allen Fällen vorzieht, wo man alle
-Eigenschaften des Mutterstammes in dem neuen Individuum wie-
-der erhalten will. Bei der paarigen Zeugung hingegen ist der
Variation ein grosser Spielraum gegeben, und es wird nicht sic er
das eine' Individuum, sondern sicher nur die Gattung und Species
fortgepflanzt. . , ,• xr •
Uebrigens gehen Eikeime nicht selten in knospenartige Keimkörner
über. Es ist ein durch viele Beobachtungen festgestelltes