
80 IF . Buch. Bewegung. II. Abschn. V. den verschied. Muskelbewegg.
hörlichen raotorisclien Erregung der betreffenden Nerven abhängen.
"Wir werden jedoch bei der Lehre von den antagonistischen Bewegungen
Thatsacben kennen lernen, welche beweisen, dass nicht
bloss die Sphincteren, sondern eigentlich alle animalischen Muskeln
dieser beständigen motorischen Erregung äusgesetzt sind.,
^Nlr sehen nach den bishei' betrachteten Thatsacben theils
periodische, theils dauernde unwillkührliche Bewegungen, vom
Gehirne und Bückenmarke abhängig. Dasselbe beobachten wir
in den Krankheiten dieser Organe; sowohl beständige Contracturen,
als abwechselnde, oft sehr regelmässige Zuckungen, beständiges
Wanken des Kopfes, ^Zittern, und. die auch in Perioden
eintretenden tonischen Krämpfe sind Ausdruck der Zustände: dieser
Organe. Die Ursachen dieser Typen sind unbekannt; man
weiss nur, dass beständige Contracturen mehr bei ganz örtlichen
und unveränderlichen Degenerationen beobachtet, sind, obgleich
jede Degeneration auch periodische Krampfanfälle verursachen
kann. Im Allgemeinen kann man sagen,: dass fast ade mit Bewegungen
verbundene Nervenkrankheiten Anfälle machen,,, und
selbst die Rückenmarksentzündung bewirkt, bei gleich fortschreitender
Ursache, ihre tetanischen Krämpfe doch in Anfällen.
Diese Erscheinungen, so wie die Perioden der epileptischen Anfälle
bei gleichbleibenden Ursachen, scheinen uns zu lehren, dass
die Excitabiiität der Centralorgane durch dauernde Krankheitsursachen
von der dauernden Impression eben, so sehr erlischt,
wie die Excitabiiität der Nerven für Sinneseindrücke durch.., die
damit verbundene materielle Veränderun g der Nerven, momentan
auf hört und das? die Bqactionsfähigkeit gegen Einflüsse'in beiden
Fällen von der während dér Zeit der Ruhe hergestellten
Excitabiiität abhängt. Phänomene, welche für alle solche,gesunde
oder krankhafte Symptome typisch sind, sind das Vergehen des
Eindrucks eines lange, betrachteten farbigen Fleckens und sein
Wiedererscheinen, und jene im Sensorium sich täglich «erneuende
Periodicität des Wachens und Schlafes; denn auch hier hören
die Reactionen auf, obgleich die Impressionen fortdauern, und
die,, Reactionen erscheinen gegen die fortdauernden Eindrücke
von selbst wieder. g
III. Antagonistische Bewegungen. Die Muskelbewegungen
■ treten nicht bloss, von Zeit zu Zeit, auf die vorn Nervensystem
aus erfolgenden Entladungen des Nervenprincips; ein. Es , sind
Gründe vorhanden, anzunehmen, dass.besonders im animalischen
Muskelsystem die leise Contraction der Muskelfasern niemals ganz
aufhört und dass sie auch in den Sogenannten Zeiten der Ruhe
schwächer fortdauert. Man kann dipss nicht allein aus der Re-
traction der durchschnittenen Muskeln des lebenden Körpers ersehen,
sondern noch entschiedener aus dem Umstande, dass Muskeln
von selbst noch einen bedeutenden Grad von Gpntraction äussern,
wenn nur ihre Antagonisten durchschnitten öder gelähmt
sind., Bei der einseitigen Lähmung der Gesichtsmuskeln ziehen
die Gesichtsmuskeln der entgegengesetzten Seite ,von selbst die
Gesichtszüge nach ihrer Seite hin. Bei ,der halbseitigen Lähmung
der Zunge wird diese beständig nach der andern Seite
I m-nsezoeen. Nach der Exstirpation des mittlern Theiles der Un- I terkinnlade, wodurch-die Muskeln ihre Fixation verlieren welche
I das Zunoenbein vorwärts ziehen (vorderer Bauch des digastri- I cus mvlöhyoideus, geniohyoideus) und welche die Zunge vorwärts I ziehen (yenioglossus), wird das Zungenbein durch den Stylohyoi-
' (leuä und dieZunge durch den Styloglossus so kräftig nach ruck-
iw ä r ts gezogen', dass die grösste Gefahr der Erstickung entsteht.
m Man sièht aus allem diesem, dass die ruhige Lage verschiedener
I ipheile unseres Körpers nicht der Ausdruck einer absoluten Ruhe
m j er Muskeln ist, dass vielmehr die verschiedenen Muskelgruppen
® durch, gleiche Gegenwirkung sich das Gleichgewicht halten, und
Belass jedesmal, ..wenn die Lage eineé Theiles aus seiner mittlern
Sstellun" des Sogenannten Zustandes der Ruhe verändert wird,
I die Bewegung eines der im Antagonismus begriffenen Muskeln oder
■ méllrerer derselben verstärkt Wird. Fast an allen Theilen des
B Körpers giebt es antagonistische Gruppen von Muskeln. An den
1!Extremitäten sind es die Flexoren und Extensoren, die Supina-
W toren und Pronatoren, die Abductoren und Adductoren, die Ro-
Btatorén nach auswärts und einwärts. Häufig sind auch die Bun-
lld e l der Nervenfasérn für diese Gruppen in besonderen Nerven
B wer einigt. Die Beugér der Hand und Finger werden z. B. vom
B n. medianus und ulnaris, die Strecker vom N. radialis versehen;
tfdie Béüger des Vorderarms sind vom N. musculo-cutaneus, die
»Strecker vom Radialis mit Nervenzweigen versorgt. Die Strecker
IIIdes Unterschenkels sind vom N. cruralis, die Beuger vom N.
ffischiadicus abhängig. Die Musculi peronaei, welche den äussern
«Fussrand heben, sind vom N. B peronaeus abhängig; der Tibialis pösticus ist vom N. tibialis. vfersehen. Die Motoren ries Eusses und fl der Zehen nach rückwärts abwärts sind vom N. tibial.isj die Motoren
Id es FusseS und der Zehen in entgegengesetzter Richtung vom Ni pe-
B ronaeus abhängig. Die häufig in einer Richtung erfolgenden Kiäm—
■ pfe bei Affectionen dös Rückenmarkes, wie der Opisthotonus, Em-
■ prosthotonus, und Pleurotonus im Wundstarrkrampf zeigen auch,'
Bdals in der Anordnung der Fasern in den Centraltheilen die
B gleichzeitige Bewegung der Extensoren oder der Flexoren etc.
W erleichtert séyn muss; wiewohl Bellingeri’s Ansicht, dass die
■ vorderen Stränge des Rückenmarks der Flexion, die hinteren
■ der Extension dienen, keine erfahrungsmässige Basis hat. Man
» d arf diese Bemerkung jedoch nicht in zu grosser Ausdehnung
»gelten lassen. Das oben erwähnte Factum von der Vertheilung
H der Nefven ist nicht 1 allgemein.' Zuweilen giebt derselbe Nerve
1 Zvveige an Antagonisten, wie der Hypoglossus an die Abwärtszie-
IIher, des Zungenbeins und ä*n einen Vorwärtszieher desselben; der
j»N. peronaeus an die Musculi peronaei, die den äussern Fussrand
H heben, und an den Tibialis anticus, welcher ihnen entgegenwirkt.
»Mit der grössten Leichtigkeit können sich antagonistische Mus-
m kein in ihren Wirkungen verbinden. Die Peronaei una der Ti—
I bialis anticus werden zu Hebern des Fusses, wenn sie zugleich
H wirken. Der Flexor radialis und die Extensores radiales der
M Hand werden Abductoren der Hand, wenn sie zusammen wirken.
^ Auch hat sich der vön Ritter angenommene Gegensatz der Flexo-
Müller’»} Physiologie. 2v Bii. I. 6