
gut sichtbaren Plättchen am Unterleibe der Gamma'rus pulex und
anderer niederen Crustaceen müssen hierher gezogen werden,
wenn die Bewegungen dieser Organe auch durch Muskeln, durch
ein anderes contractiles Gewebe bewirkt werden mögen als die
Wimperbewegungen der Schleimhäute. Bis jetzt lässt sich nur
so viel aufstellen;'
1. dass die Wimperbewegungen der Scbléimbautè durch irgend
ein noch unbekanntes contractiles Gewebe bedingt werden,
welches
2. ■ entweder in der Substanz der Wimpern oder an ihrer
Basis liegt;
3. welches durch seine Contractilität im Allgemeinen mit
dem Muskelgewebe "und anderen contractilen Geweben derThiere
übereinstimmt;
4. dessen Eigenschaften darin mit dem Muskelgewebe wenigstens
der unwillkührlichen Muskeln des Herzens, den Muskeln
der schwingenden Blätter der Crustaceen übereinstimmen, dass
sie fast unaufhörlich sich mit gleichem Rhythmus wiederholen;
5. dessen Eigenschaften darin dem Muskelgewebe des Herzens
gleichen,1 dass sie sich auch nach der Absonderung des
Theiles vom Ganzen noch lange äussern;
6. welches sich aber vom Muskelgewebe. wesentlich darin
unterscheidet, dass die Bewegungen von der örtlichen Application
der Narcotica nicht aufgehoben werden,
7. und dass die Wimperbewegung unter Umständen vorkömmt
(an den unentwickelten Embryonen der Corallen), wo
eine zusammengesetzte Organisation unwahrscheinlich ist.
Darin, dass die Nerven bei dem Phänomen der Wimperbewegung
nicht unmittelbar mltwirken, gleichen diese Bewegungen
den Oscillationen gewisser Pflanzen, namentlich der
Oscillatorien. Wie weit diese Vergleichung richtig ist, kann
‘sich erst aus weiteren Untersuchungen ergeben. Wie sich
diess aber verhalten mag, jedenfalls ‘ giebt es in den flimmernden
Schleimhäuten ein Agens, welches auch die Tbä-
tigkeit dieser mikroskopischen Organe behêrrscht,; indem die
Wimpern so häufig in Reiben wirkend beobachtet werden. Es
wirkt hier eine Kraft, welche über die Selbstständigkeit einer
einzelnen Wimper hinausgeht, und wenn man auch "dieses! reihenweise
Wirken, diese Wellen aus der Befestigung vieler
Wimpern an einem contractilen Streifen erklären könnte, so
zeigt sich doch oft ein gewisses Abnehmen und Zunehmen in
der Lebenskraft grosser Strecken einer wimperriden Haut, welches
allgemeinere Ursachen haben muss.. Ich habe an den Kiemen
einer neuen, Sabella verwandten Gattung von Anneliden,
die ich in grosser Menge im Meerwasser von Copenhagen mitgebracht,
unter dem Mikroskope zuweilen ganz grosse Strecken
der Wimpern lange Zeit ganz ruhen und bald wieder thätig werden
gesehen. Erscheinungen, wovon Analogien in der Pflanzeü-
welt oft genug Vorkommen, und die daher nicht nothwendig von
der Variabilität des Nerveneinflusses erklärt werden müssen!
Die Erklärung der Strömungen, welche durch die Wirnperbewegung
hervorgebracht werden, hat auch ihre grossen Schwierigkeiten.
Eine blos'se Schwingung der Wimpern von einer Seite
zur andern kann keine Direction eines Fluidums bewirken. Auch
die Bewegung einer Wimper in einem kegelförmigen Raume,
wie P urkinje und, V alentin meist die Bewegung sahen, kann
bloss einen Cirkel des Fluidums um die Wimper bewirken. Damit
Wimperbewegungen eine Strömung in einer Richtung hervorbringen,
ist es nöthig, dass die Wimpern nach einer Richtung
schlagen und sich krümmen, wie P urkinje und V alentin die
Bewegung zuweilen, und wie ich sie in den meisten Fällen sah.
Aber auclr in diesem Fall entsteht nur, eine Strömung, wenn die
sich wieder aufrichtende Wimper beim Aufricbten mit kleinerer
Fläche auf die Flüssigkeit wirkt, als beim Schlagen.
III. Capitel. Von d er Muskelb ewegung und den verw
an d ten Bewegungen.
I. Von den contractilen Geweben.
Sieht man von dem bis jetzt noch nicht weiter bestimmbaren
contractilen Gewebe ab, welches die Ursache der Wimperbewegungen
ist, so kann man 4 Formen des' contractilen Gewebes
unterscheiden, das contractile Pflanzengewebe, das leim^e-
bende contractile1 Gewebe dér Tliiere, das contractile Gewebe an
den Arterien und das Muskelgewebe.
a. V o m c o n t r a c t i l e n G e w e b e d e r P f l a n z e n .
Die wesentlichsten Phänomene der Pflanzenreizbarkeit sind
bereits oben Bd. I. p. 40. erwähnt worden. Es handelt sich hier
bloss um eine Vergleichung des contractilen Gewebes der Pflanzen
und Thiere. D utrochet hat über diess Gewebe bei den
Pflanzen in seinem Werke Recherches anatom. et physiol. sur la
structure intime des animaux et des végétaux. Paris 1824. Aufschlüsse
gegeben. Die Blätter der Mimosa sensitiva sind von einem langen
Stiel getragen, an dessen Basis man einen den Stiel umgebenden
länglichen Wulst bemerkt, ln diesem Wulst liegt das Princip der
Bewegung. Wird dieser Wulst der Länge nach durchschnitten
und seine Durchschnitte untersucht, so sieht man mit dem Mikroskope,
dass die Achse von den Röhren eingenommen ist, welche
die Gefässcoinmunication des Blattes mit dem Stengel bewirken.
Das Gewebe desselben besteht aus einer grossen Menge rundlicher
durchsichtiger Zellen, deren Wände mit Kügelchen bedeckt
sind. Dieser Bau weicht in einigen Punkten von dem Bau der
Pflanze in den übrigen Theilen ab; das Mark der Sensitiva besteht
aus Zellen,, in welchen einige kleine Kügelchen enthalten
sind; im jungen Zustande der Pflanze ist in den Markzellen
eine durchsichtige Flüssigkeit enthalten, die von -kalter
Salpetersäure gerinnt, während das Gerinnsel von warm-er“! Säure
wieder aufgelöst wird. Die Markscheide besteht aus Tracheen.
Die Holzschichte, welche die Markscheide bedeckt, besteht aus