
376 V. Buch. Von, den Sinnen. I. vlbschn. Vom Gesichtssinn.
sondern gleichgültig, indifferent, z. B. Gelb und Grün, oder Roth
und Orange, oder Violet und Blau. Eine Disharmonie kann
aber durch das Dazwischentreten einer andern Farbe aufgéhohen
werden, welche zu einer der disharmonischen harmonisch) zur andern
indifferent ist. Beispiele davon sind dié Verbindungen Roth,
Grün, Gelb, oder Gelb, Violet) Roth, oder Blau, Orange, Roth,
oder Roth, Grün, Blau u. s. w. Die Disharmonie Von Roth und
Gelb löst sich auf durch das dazwi.schentretende Grün,' welches
harmonisch zu Roth und indifferent zu Gelb ist.
Die Maler machen von diesen physiologischen Grundsätzen
bewusst oder unbewusst vielfachen Gebrauch, und der wohlthätige
Eindruck der Farben .in, einer Malerei beruht in der geschickten
Zusammenstellung der Harmonien und der Auflösung der Disharmonien.
Oft ist diess Princip bis zur Beobachtung der farbigen
Schatten angewandt worden. Die vorzugsweise Wahl trüber
grauer Farben vermeidet den-Irrthum der Disharmonien,-verzichtet
aber zugleich auf die ganze Macht der harmonischen Farben.-
eindrücke. Ausführlich hat über diesen Gegenstand R unge in
seinem Werk über die Farben gebandelt, welches zu diesem Artikel
vorzugsweise benutzt worden ist.
4. Von der gleichzeitigen Wirküng beider Augen.
Durch die gleichzeitige Wirkung beider Augpn entstehen die
Erscheinungen des Einfachsehens durch zwei Órganè unter bestimmten
Bedingungen, des Doppelsehens unter andern. Bedingungen,
und des Wettstreites der Gesichtsfelder beider Augen.
A. V om E i n f a c h s e l i e n mi t zw e i Au g e n .
J. Mueller Physiologie des Gesichtssinnes.-feipz. 1826. p. 7,1.
Das Einfachsehen bei zwei Organen glaubten Einige am
leichtesten dadurch zu erklären, dass sie wie Galt, anhahmen,
man sehe gar nicht mit beiden Augen zugleich, sondern nur entweder
mit dem einen oder andern. Bei Menschen von sehr ungleicher
Sehweite beider Augen kömmt ein solcher vorzugsweiser
Gebrauch eines Auges wohl vor, aber bei der grossen Mehrheit
der'Menschen sind beide Augen beim Sehen desselben Objectes
zugleich tbätig, wie man sich aus den unter bestimmten Bedingungen
entstehenden Doppelbildern leicht überzeugt. Von zwei
hintereinander gehaltenen Fingern erscheint der erste doppelt,
wenn der zweite fixirt und einfach gesehen wird, erscheint der
zweite doppelt, wenn der erste fixirt und einfach gesehen wird,
und das eine der Doppelbilder gehört dein einen, das andere dem
andern Auge an.
Das. Einfachsehen mit beiden Augen findet nur an bestimmten
Stellen beider Netzhäute statt, andere Stellen der Netzbaut
beider Augen sehen, wenn sie zugleich1 affieirt werden, immer
doppelt. Es kömmt zunächst darauf an, diejenigen Stellen beider
Netzhäute durch Erfahrung kennen zu lernen, welche die Eigend
Wirkungen des Sehnerven. Einfacheehen. 377
schaft haben, zugleich affieirt ihr Bild an demselben Ort des
Sehfeldes zu sehen, man kann sie der Kürze des Ausdrucks wegen
identische nennen.- Auf folgende Weise lernt man diese Stellen
kénnen.
Wenn man im Dunkeln hei geschlossenen Augen eine bestimmt
stelle des Auges und sonnt der Netzhaut ah sich mit dem Finger
druckt, so entsteht ein feuriger Kreis im Sehfelde, und der
der Druckstelle entsprechende feurige Kreis wird aus Gründen die
p. 358. angegeben, sind scheinbar an der entgegengesetzten Seite
des Gesichtsfeldes sichtbar. Drückt man nun in dem einen Aus«
den obern Theil mit dem Finger, im andern Auge den untern
■ eil, so sieht man, zwei feurige Kreise, einen obern und einen untern,
der obere gehört der untern Druckstelle des einen Au^es
der untere der obern Druckstelle des andern Auges an. Diese
Stellen beider Augen sind also jedenfalls nicht identisch; denn sie
sehen ihre Affectionen an ganz verschiedenen Orten. Drückt man
die äussere Seite beider Augen, so entstehen auch zwei Figuren
wovon ]ede der entgegengesetzten Druckstelle angehört. Drückt'
man die innere Seite eines jeden Auges, so entstehen auch zwei'
leurige Kreise an den äussersten Seiten des Sehfeldes, der rechte
gehört dem rechten, der linke dem-linken Auge an. So viel ist
also gewiss, dass weder der obere Theil der einen Netzhaut «nd
der untere der andern, noch die äussern Seiten beider Netzhäute
noch die inncrn Seiten derselben zusammen identisch sind. Sie
sehen ihre Affectionen immer an differenten Orten und die Di
stanz Ber Orte beträgt sogar die ganze Breite des Sehfeldes.
,ldentlsc1h Slnd daSegen die äussere Seite des einen Au-es und
die innere des andern, oder in beistehenden Figureh a fiel Auges
- f* ist identisch mit a des Auges
B, h des Auges A identisch .mit
h des Augés B. Identisch ist
ferner das Obere des einen Auges
nnt dem Obern des andern,
das Untere des einèn Auges mit
dem Untern des andern. Wird
z. B. der Druck des Fingers im
Dunkeln an beiden geschlossenen
Augen unten angebracht,
4 ^ .
ir . . . , - s9 erscheint nur ein feuriger
Kreis oben in der Mitte des Sehfeldes; wird der Druck in
heiden Augen oben angebracht, so erscheint nur ein feuriger
Kreis unten in der Mitte des Sehfeldes,- Desgleichen drückt man
AllSe , dwA»ussere Seite «, im Auge B die innere Seite a\
oder was dasselbe, in beiden Augen die linke Seite, so erscheint
nur eine feurige Figur ufid sie liegt zur äussersten rechten. Drückt
man hingegen 6 des einen, und l> des, andern, oder die rechten
heden beider Augen zugleich, so erscheint wieder nur ein Feuer-
Kreis und zwar zur äussersten linken. Kurz man kann sich die
Sphären beider Netzhäute gleichsam sich deckend tlenken, wie
n der beistehenden Figur, so dass das Linke des einen mit dem
Linken des andern, das Rechte des einen mit dem des andern, das