
III. Von der Wellenbewegung bei der Schallleitung.
1. F o r t s c h r e i t e n d e W e l l e n b e i d e r S c h a l l e i t u n g .
W eber a. a. O. p. 501.
Die Fortleitnng der Schwingungen tönender Körper geschieht
in der Regel durch Verdichtungs- und Verdünnungswellen, nicht
durch Beugungswellen. Auch das Wasser leitet die Schallwellen
auf diese Art.. Diese Art der Bewegung ist also von den Beugungswellen
des Wassers ganz verschieden.
, Ein der Luft, von ’ einem Punct aus nach allen Richtungen,
mitgetheilter Stoss erregt eine sphärische Welle verdichteter Luft,
von der Form einer bohlen Kugel, welche nach allen Richtungen
gleichmässig sich ausdehnt und also ihre Kugelgestalt behält. Eine
sich in der Luft plötzlich ausdehnende Kugel würde eine solche
Welle erregen. Die von einer sich ausdehnenden Kugel gestösse-
nen Lufttheilchen erhalten eine dieser Ausdehnung entsprechende
Bewegung in der Richtung des Radius und im nächsten Augenblick,
wenn die sich ausdehnende Kugel sich wieder zusammenzieht,
und in ihrer Umgebung eine Verdünnung bewirkt, eine
entgegengesetzte Bewegung. Diese Bewegung erfahren sofort alle
Theilchen der Luft, durch welche die sphärische Welle durchgeht.
Aber die Grösse der Bahn, Welche die Lufttheilchen vorwärts
und rückwärts durchlaufen, was mit den Wellen des Wassers
verglichen, die Höhe des Wellenberges ist, nimmt mit dem
Fortschreiten der Welle ab, während die Dicke der Welle bei
ihrer Ausdehnung gleich bleibt; gerade so, wie wenn eine auf
dem Wasser erregte sphärische Welle bei gleichbleibender Breite
mit dem Grad ihrer Ausdehnung niedriger wird. Die hohle Kugel
der fortschreitenden Welle nimmt gleichmässig an Durchmesser
zu, ihr Umfang nimmt daher wie die, Quadrate ihrer Durchmesser
zu. In eben demselben Verhältniss nimmt der Wellenberg
der Welle ab. Diess ist die Ursache, dass die Intensität des Schalls
in freier Luft ab nimmt, wie die Quadrate der Entfernungen der
Schallwelle vom Orte ihrer Entstehung zu nehmen. Bei der Wellenbewegung
der Luft in einer R.öhre ist kein Grund zu dieser
Abnahme, i
Bewirkt der stossende oder schwingende Körper in freier Luft
keinen Stoss nach allen Richtungen, wie eine sich ausdehnende Kugel,
sondern in einer-Richtung, so ist die dadurch erregte Welle auch
sphärisch,1 gerade so, wie eine auf dem Wasser durch Stoss in einer
Richtung erregte Welle, doch nach allen Richtungen fortschreitet,
also kreisförmig ist. Doch die Grösse des Wellenberges oder die
Grösse der Bahn, welche die Theilchen der Luft durchlaufen,
durch welche die Welle durchgeht, ist in der Richtung des Stos-
ses stärker, weil sie von der Richtung des Stosses selbst zum
Theil abhängt. Finden daher die Schallwellen in dem tönenden
Körper in einer Richtung statt, wie bei einer schwingenden Saite,
und einer schwingenden Luftsäule, so, wird auch der Schall in
dieser Richtung deutlicher und stärker, gehört. Hierzu scheint
mir auch folgender Umstand Tür gewisse Fälle beizutragen. Die
Welle eines der Wellenbewegung fähigen Mediums, kann, wenn
der Anstoss in einer gewissen Breite auf dasselbe geschieht, zusammengesetzt
gedacht Werden aus .lauter nebeneinander liegenden
cirkelförmigen Wellen von gleichem Durchmesser. Diese
Wéllen f decken sich in einer mit der Breite - des Anstosses parallelen
Richtung, decken* .sich aber nicht an den freien Enden der
Wellen. Die Welle wird also in einer auf die Breite des Anstosses
senkrechten Richtung stärker seyn.
Die Stärke der Schallleitung hängt ceteris paribus vom. Verhältniss
des tönenden Körpers zum schallleitenden ah. Je gleichartiger
der schallleitende Körper dom tönenden ist, um so vollkommener
ist die Mitfheilung, umgekehrt um so unvollkommener.
^ Die tönende Luft, z. B. eines Blaseinstrumentes theilt der
Luft ihre Schwingungen so vollkommen mit, dass eine Verstär—
kung durch andere Medien nicht stattfindet, theilt hingegen ihre
Schwingungen festen Körpern schwer mit. Feste Körper hingegen
theilen ihre Schwingungen unvollkommen der Luft, und vollkommen
andern festen Körpern mit. Die Schwingungen werden
ferner beim Uebergang aus einem Medium in ein ungleichartiges
anderes, wie heim Licht, theils fortgeleitat, theils zurückgeworfen.
Hieraus erklärt sich, warumFelsenmassen dem in der Luft erregten
Ton ein Hinderniss sind, während hingegen, der Ton eines
festen Körpers, z. B. eines Stabes, stärker dem Ohr durch eine
Schnur, als durch die Luft mitgetheilt wird. . JNäch W heatstok
kann man die Töne eines Saiteninstrumentes durch einen Drath
auf einen fernen Resonanzboden leiten.
Abgesehen von der eben bezeichneten verschiedenen Stärke
der Mittheilung kann ein Ton durch Resonanz selbst stärker werden,
als er im tönenden Körper selbst war. Die Resonanz entsteht
durch die Vergrösserung der Qberfläche der gleichartigen schwingenden
Theile. Daher tönt eine Stimmgabel stärker, wenn sie
auf einen festen Körper aufgesetzt wird. Hierauf beruht auch
die Wirkung des Steges und des Resonanzbodens bei den Saiteninstrumenten.
Die Resonanz ist ferner stärker bei einem begrenzten, als bei
einem unbegrenzten Körper. Ein begrenzter Körper wirft nämlich
die Schallwellen zum Theil von seinen Rändern und Flächen
zurück und diese rückkehrenden Wellen mit den vom tönenden
Körper neu erregten Wellen. Bei der Durchkreuzung der Wellenberge
wird aber die Höhe der Wellenberge-verstärkt. W e b e r
ét a. O. p. 536.
2 . S t e h e n d e S c h w i n g u n g e n i n s c h a H I e i t e n d e n K ö r p e r n .
Stehende Schwingungen entstehen bei schallleitenden, begrenzten
und zugleich elastischen Körpern. Schon vprher wurde angeführt,
dass ein begrenzter schallleitender Körper von seipen
Rändern und Ecken die fortschreitenden Wellen zurückwerfe,
und dass sich dem zufolge die kommenden und rückkehrenden
M ü lle r ’* Physiologie. 2r Pd II. 2 7