
den. Die abgefallene Knospe bedarf zu ihrer Entwickelung nichts
als neues Nutriment von aussen, welches sie entweder in der Erde
oder in einem andern vegetirenden Ganzen bei der Inocuiation
findet. Das Nutriment hingegen, welches der männliche Sarnen
dem unbefruchteten Keime giebt, ist so wenig blosser vollkommenster
Nahrungsstoff, dass er vielmehr so gut wie der weibliche
Keim die ganze Form der Pflanzenspecies oder Tbierspecies in
sich enthalt. Dieses sieht man sowohl bei der gewöhnlichen Zeugung,
als aus. der Bastarderzeugung. Bei der gewöhnlichen Zeugung
hat das- Product nicht bloss die Eigenschaften der Mutter,
sondern ebenso bestimmt auch die des Vaters an sich., wie diess
von Menschen und Thieren bekannt ist. Die Race, die körperliche
Form, die Neigungen, Leidenschaften, Talente, ja seihst Krankheiten
pflanzen sich vom Vater ebenso sicher als von der Mutter
auf das Product fort, und da sie durch den Samen in den Keim
kommen, so muss die Form des Vaters in dem Samen bereits enthalten
.seyn, gleich wie die Form der Mutter.in dem Keim der
Mutter. Dasselbe erkennt man an den Mittelformen, welche durch
die Vermischung verschiedener Species entstehen. Das Maulthier
theilt die Eigenschaften des Pferdes und Esels, und die Bastarderzeugung
der Pflanzen bedingt eben so häufig reine Mittelformen,
welche man nicht als Hemmungen der einen oder andern
Form betracliten kann. Will man daher den Samen Nutriment
nennen, so ist er jedenfalls ein solches Nutriment, welches so gut
wie der Keim die Form der bestimmten Pflanzen- und Thierspecies
und aller ihrer individuellen Eigenschaften in sich enthält.
In gleicher Weise lässt sich auch die Theorie derjenigen
widerlegen, welche den Samen statt als Nutriment, vielmehr ,als
das die Vegetation des Keimes hemmende betrachten, welches der
Fortsetzung der Achse die Grenze setze. Diese Hemmung tritt
schon bei den Pflanzen an den weiblichen Blüthen ohne das
befruchtende Princip ein, das befruchtende Princip aber enthält
selbst w'ieder die Form, und ist also weder allein ein Reiz, noch
ein Hemmendes.
c. N a t u r d e s Ei e s u n d S am e n s u n d d e r C o n c e p t i o n ,
Der unbefruchtete Keim stimmt mit der Knospe überein,
dass beide die Form der speciellen Pflanze der Kraft nach
enthalten, und unterscheidet sich von der Knospe, dass eine
Blüthenknospe durch sich selbst keine neue Knospen treiben
kann, eine Knospe aber nicht bloss sich entwickelt, sondern auch
der Stamm »für eine unendliche Multiplication werden kann, ln
dem unbefruchteten Keim ist daher ausser der Anlage zur Form
der Pflanze auch eine eigene Art von Hemmung enthalten, welche
die Ursache ist, dass die Form nicht erzielt werdenkann, und
diese Hemmung fehlt der Knospe. Eine Knospe kann gehemmt
seyn, wenn der Nahrungsstoff zur Vegetation fehlt, wie bei der
abfallenden Knospe. Die Hemmung des unbefruchteten Keimes
ist viel tiefer,' denn dieser Keim entwickelt sich nicht, wenn er
auch den nöthigen Nahrungsstoff erhalt. Von welcher Art ist
diese Hemmung? Da sie nicht in dem Mangel an Nahrungsstoff
allein beruht, so muss sie wahrscheinlich darin bestehen, dass
der Keim qualitative Behaftungen erlangt, welche der Knospe
fehlen und welche die Entwickelung des Keims in der prädispo-
nirten'Form unmöglich machen, ohne ein Supplement, welches
den Keim ergänzt. Diess; Supplement ist der Samen, welcher
auch die Anlage zur Form enthält, aber auch mit einer ihm eignen
qualitativen Behaftung, welche den Samen hindert, die prä-
disponirte Form allein zu erzielen, und nicht minder eine Ergänzung
durch den weiblichen Keim nöthig hat. Die Behaftung des
Eies und des Samens sind nicht von gleicher Art, sondern in
beiden verschieden, indem jedes das Supplement des andern ist.
Beide sind nicht gleiche Hälften eines Ganzen, sondern die Behaftung
des Eies, wenigstens der Thiere, ist von der Art, dass
es, und nicht der Samen, der zum Keimen bestimmte Theil und
schon die präformirte Urzelle ist, oder die präformirten Urzellen
enthält, welche den abgebrochenen Faden der Vegetation fort-
setzen. Der Samen hingegen ist so behaftet, dass er zunächst
nicht keimt, sondern ein von der Form beseeltes flüssiges Inci-
tament ist. ,
Hierbei lässt sich an die Vegetationsart der Zellen in den
Organismen erinnern. Die Pflanzenzellen haben das Vermögen
den ihnen dargebotenen Nahrungsstoff in eine noch flüssige Muttersubstanz
für die Grundlage neuer Zellen zu verwandeln, Cytobla-
stema S c h l e i d e n , in welchem die Bildung neuer Zellen durch die
Wirkung einer vorhandenen Zelle beginnt, indem sieh in diesem
Cytoblastem Kerne, und um die Kerne wieder Zellen bilden.
Auf dieselbe Weise vegetiren nach S c h w a n n ’s Untersuchungen
die thierischen Zellen. Der Keim, selbst eine Zelle, kann daher
betrachtet werden als eine, zur bestimmten Form der Pflanze
prädisponirte Zelle, deren Behaftung durch qualitative Veränderung
darin besteht, dass sie kein Cytoblastem zu bilden vermag.
Der Samen hingegen enthält, trotz der ihm inwohnenden Anlage
zur bestimmten Form eines organischen Wesens, keine Urzellen
und ist nicht eine schon zum Individuum organisirte Urzelle,
sondern gleicht mehr einem Cytoblastem mit der Anlage zur bestimmten
Form, aber mit der qualitativen Behaftung, dass es selbst
unfähig ist, ohne die Gegenwart einer Urzelle, zu vegetiren. Indem^
aber die individualisirte Urzelle mit der Anlage zur Form
mit dem nicht individualisirten Keimstoff oder Cytoblastem des
Samens zusammen kommt, so beginnt die Vegetation der individualisirten
Urzelle, so zwar, dass sowohl die Urzelle des Keims,
als der Keimstoff des Samens auf die Producte der Urzelle Einfluss
haben, und das neue Individuum eine Verschmelzung beider
Formen, der mütterlichen und väterlichen Form ist.
Die Wechselwirkung des Samens und des Eies ist nicht das
einzige Beispiel von der Wirkung zweier, von der bestimmten
Form beseelten Wesen aufeinander, und selbst nicht das einzige
Beispiel von der völligen Verschmelzung zweier von bestimmter
Form beseelten Substanzen in ein Individuum. Um das Eigen-
thündiche dieser Verschmelzung klarer einzusehen wird es nütz