
bei gespanntem Trommelfell. Sehr auffallend ist der Erfolg beim
Picken einer 8 Fuss von mir entfernten .Taschenuhr. Diess höre
ich bei gespanntem Trommelfell durchaus so scharf, wie im gewöhnlichen
Zustande, vielleicht noch schärfer, Während bei dieser
Spannung augenblicklich aller dumpfe Lärm der Strasse stumm wird.
Die Erklärung dieser Erscheinungen ist aus dem vorausgeschickten
leicht. Je mehr das Trommelfell' gespannt wird, um
so mehr würde sein Grundton und alle' Töne, die es selbst mit
Schwingungsknoten angeben könnte, sich erhöhen, in demselben
Grade würde aber auch seine Fähigkeit zu vollkommenen Mitschwingungen
für tiefere Töne abnehmen. Je mehr ein Ton dem
Eigenton des sehr gespannten Trommelfells homolog ist, um so
leichter / wird er auch im gespannten Zustande des Trommelfells
noch gehört werden.
Bei dieser Gelegenheit lässt sich eine Auwendung auf die
Pathologie machen. Es kömmt nicht ganz selten1 vor, dass Schwerhörige
bloss die Fähigkeit zum Hören tieferer Töne verloren haben,
während - sie die Fähigkeit für hohe, wenn auch schwache
Töne behalten. Ein schwerhöriger College von mir hört hohe Töne
besser als tiefe. In einem solchen Fall lässt sich eine zu'starke
Spannung des Trommelfells als sehr wahrscheinlich vermuthen.
Dieser Umstand kann in der dunkeln Diagnostik der Ohrenkrankheiten
als wichtiges Moment benutzt werden. Diese zu starke
Spannung kann natürlich auf mehrfache Weise» verursacht werden,
1) durch Verschliessung der Eustachischen Trompete.' Die Luft der
Trommelhöhle kann sich dann vermöge der Körperwärme ausdehnen,
sie kann auch theilweise resorbirt werden, in beiden
Fällen muss, aber das Trommelfell entweder näch aussen oder innen
stark gespannt werden. 2) Contractur des Museulus tensor
tympani. Bei meinem Collegen ist die. Trompete frei, denn er
kann' Luft'in die Trommelhöhle blasen. Im ersten Fall, wenn
die Spannung des Trommelfells entweder- durch Ausdehnung der
Luft der Trommelhöhle oder Resorption derselben entstanden ist,
wird begreiflicherweise die Operation der Anbohrung des Trommelfells
oder des Zitzenfortsatzes der Trompete, von Nutzen für
die Schwerhörigen seyu, im zweiten Fall hingegen wird sie nichts
nützen. Hieraus erklärt sich zum Theil schon der so verschiedene
Erfolg jener Operationen.
Der Antheil des Museulus tensor tympani an der Modifie'ation
des Hörens lässt sich jetzt aus den aufgestellten Principien beur-
theilen.
Darf man als sehr wahrscheinlich annehmen, dass der Mus-
culus tensor tympani bei einem sehr starken Schall, ebenso durch
Reflexbewegung in Thätigkeit tritt, wie die Iris und der Orbicularis
palpebrarum bei einem sehr starken Lieliteindruck, indem die Reizung
von den Sinnesnerven zum Gehirn, vom Gehirn zu den motorischen
Nerven verpflanzt wird, so ist einleuchtend, dass bei sehr, starkem
Schall durch Reflexbewegung dieses Muskels eine Dämpfung
des Gehörs eintritt. Der starke Schall bewirkt schon durch Reflexion
Nicken der Augenlieder und bei nervenreizbären Personen
ein Zusammenfahren vieler Muskeln. Die genannte Annahme ist
daher sehr wahrscheinlich*). Bei stärkerer Spannung des Trommelfells
durch den Tensor tympani, aus was immer für einer
Ursache, muss ferner die Fähigkeit zum Hören tiefer Töne mehr
abnehmen, als für das Hören hoher Töne.
. Hier kömmt nun zur Frage, ob der Museulus tensor tympani
auch der Willkühr unterworfen sei. Nach meinen Beobachtungen
verhält-sich dieser Muskel, wie, auch der Stapedius, mikroskopisch,
wie alle animalischen Muskeln , er besitzt nämlich die regelmässigen
Qucrstreifen seiner primitiven Bündel. Die sogenannten La-
xatoren sind dagegen keine Muskeln. Im sogenannten Mugculus
mallei externus konnte ich keine Charactere der Muskeln erkennen,
welche im Tensor tympani so deutlieh sind, und er ist blosses.
Band. Aber die beiden wirklichen Muskeln der Gehörknöchelchen
gehören ohne allen Zweifel dem animalischen System
an. Zwar haben die Muskeln des Gefässsystems, Herz und Lymph-
herzen, auch Querstreifen, und dieser Character gehört ausser den
animalischen Muskeln, die »sich aus dem -äussern Blatt der Keimhaut
entwickeln, auch denjenigen an, welche sich aus der mitt-
lern oder Gefässschicht der Keimhaüt bilden. Aber die organischen
Muskeln der Eingeweide sind constant ohne Querstreifen
deh primitiven Bündel der Fasern. Da ferner die kleinen Muskeln
des äussern Ohrs willkührlich sind' (ich bewege sie namentlich
den M. anti tragicus, deutlich), So ist/kein Grund5 vorhanden
den Muskeln der Trommelhöhle eine gleiche Stellung abzusprechen.
Dafür spricht auch .der Ursprung des Nervus tensor
tympani vom dritten Ast des Trigeminus, nämlich vom Nervus
pterygoideus internus und der Ursprung des Nervus stapedius
vom Nervus facialis.
Die willkührliche Bewegung des Museulus tensor tympani lehrte
schon F abricius ab Aquapendente, F abricitjs 'behauptete durch
willkührlichen Einfluss auf den Tensor tympani einwirken 'zu können,
indem er willkührlich ein- Geräusch im Ohr erregen konnte.
Er konnte die Bewegung nur gleichzeitig in beiden Ohren zugleich
verursachen. Mayer kannte einen Gelehrten, der die Bewegung
seiner Gehörknöchelchen so sehr in-seiner'Gewalt hatte
dass man sogar das feine Geknirsche deutlich hören konnte, wenn
man das Ohr dicht an das seine legte. Vergl. L inqke Handbuch
der Ohrenheilkunde. Leipz. 1837. I. p. 472. Ich besitze denselben
willkürlichen, Einfluss in beiden Ohren, . stärker auf das linke
kann den Einfluss auch auf das linke Ohr isoliren. Das Geräusch
besteht in einem Knacken, wie das Knistern des electri-
schen Funkens, oder wie wenn man-die klebrig gemachte Fingerspitze
auf Papier drückt und dann plötzlich abzieht. Verstopft sich
derselben gehört w ird , kann übrigens auch durch die Einbeugung d
T rommelfells einen Eigen-Ton des Trommelfells hervorbringen. Die
glaube ich wenigstens an mir bemerkt zu haben. Ich empfand bei de
-Schall der Kanone zugleich einen Ruck, ähnlich, wie man ihn b s
wenri man plötzlich bei zugehaltener Nasen- und Mundöffnung dur<
Inspiration das .Trommelfell nach einwärts spannt.
M ü l le r ’s Physiologie. 2r Bd. II, 29