
Furchtsamer, erschrickt, während volle Nahrung und ein Glas
Wein dem Zaghaften Muth macht.
Die unmittelbare Veränderung der organischen Zustände des
Gehirns verändert das Seelenleben am meisten, wie Entzündung,
fehlerhafte Bildung, Druck. Alle Reizungszustände des Gehirns
machen Delirien, Alles, was hemmt, sei es durch mechanischen
Druck oder fehlerhafte Bildung macht schwindelig, soporös oder
gar vollends bewusstlos. Daher erregen die verschiedensten materiellen
Umwandlungen, Tuberkeln, Eiter, Extravasat, Wasser,
ziemlich gleiche Erscheinungen der Hemmung. Der Druck des
Blutes in den Gefässen selbst wirkt ebenso wie der Druck von
aussen und macht Schwindel. Die Inanition wirkt übrigens dem
Druck völlig gleich.
Bei unmittelbaren Veränderungen des Gehirns selbst entsteht
viel leichter Alteration im Vorstellen und Denken als Veränderung
der Strebung, Leidenschaft. Zu einer Leidenschaft mit Hemmung
gehört noch ein gewisser Grad von Lebhaftigkeit der Vorstellungen,
welche die Leidenschaft unterhalten, welche bei organischer
Hemmung des Gehirns gar nicht mehr möglich ist, daher diese
auch vorzugsweise als Hemmung der Vorstellungen überhaupt erscheint.
Die organischen Zustände, welche das Vorstellen unterhalten,
finden ohne Zweifel im Gehirn seihst statt, aher die Elemente,
welche die Strebungen unterhalten, sind im ganzen Organismus.
. 2. W i r k u n g e n d e r V o r s t e l l u n g e n u n d S t r e b u n g e n a u f d e n
Or g a n i smu s .
Die Wirkungen der Vorstellungen auf dem Organismus bieten
ein reiches Feld der mannigfaltigsten Erscheinungen dar, welche
an das Wunderbare grenzen. Im Allgemeinen kann man sagen,
dass ein Zustand des Organismus, der als kommend vorgestellt
und mit der vollkommensten Sicherheit, mit vollem Glauben erwartet
wird, auch leicht in Folge einer solchen Vorstellung ein-
tritt, wenn er überhaupt innerhalb der Grenzen des möglichen
liegt. Ich erinnere als ein Beispiels für alle an den Fall, welchen
P ictet in seinen Beobachtungen über das oxydirte Stickgas erzählt,
wo man einer Dame Miss B. statt des in Ekstase versetzenden
oxydirten Stickgases, um die Wirkung der Einbildungskraft zu
prüfen, atmosphärische Luft zu trinken gab. Sie hatte noch keine
drei bis vier Athemzüge gethan, als sie, was ihr noch nie wiederfahren
war, in Ohnmacht fiel, wovon sie sich jedoch bald
wieder erhohlte. Aus der Bibi. Brit. T. 17. in der deutsehen Ausgabe
von H. D avy’s Untersuchungen über das oxydinte Stickgas
2 Bd. Lemgo 1814. p. 326. Die Wirkungen der Vorstellungen
erfolgen bei Alterationen mit Affeet meist nach allen Richtungen
auf die Sinne, die Bewegungen und Absonderungen. Aber auch die
einfachen und affectlosen Vorstellungen bringen die lebhaftesten
organischen Wirkungen hervor, wie in dem folgenden offenbar
werden wird.
a. Auf die Sinne, Phantasmen.
Phantasmen oder Hallucinationen sind Sinnesempfindungen
aus inneren Ursachen ohne äussere erregende Objecte, mit den
eigenthümlichen Energieen der Sinne. Man hat sie hin und wieder
mit den Vorstellungen verwechselt, und für solche Vorstellungen
gehalten, deren Realität geglaubt wird. -Aber dass ihre
Realität geglaubt wird, rührt eben davon her, dass sie in den
Sinnen sind und mit der Wahrheit der Sinneserscheinungen selbst
auftreten, überdiess gehört es nicht zum Wesen dieser Phänomene,
dass die Realität geglaubt wird. Die Realität blosser Vorstellungen
zu glauben, wäre ein Irrthum des Verstandes. Vielmehr
kann man ein Phantasma haben mit der vollsten Kraft einer
Sinnesempfindung, mit Farbe oder Ton, ohne doch an die Realität
desselben zu glauben. Die vorzugsweise Aufmerksamkeit aut
die Hallucinationen der Geisteskranken führt leicht zu jener fälschen
Ansicht. Ich vermeide deswegen diesen Ausdruck. Die
Zustände, von denen es sich hier handelt, führen richtiger, sofern
sie sich auf das Auge beziehen, den Namen Vision. Denn sie sind
in der That Zustände des Gesichtssinnes und so wahr in ihm
begründet, als es alle objectiven Visionen von äusseren Erregungen
sind. Bei den Gesichtsempfindungen aus onjectiven Ursachen
hat man schon Gelegenheit zu beobachten, wie das»lebhaftere
Vorstellen einzelner Netzhauttheilchen gewissen Theilchen der
Bilder eine vorzügliche Schärfe'gestattet, indem, wie man sagt,
die Aufmerksamkeit die einzelnen Theile des Gesamintbildes, d. h.
der Netzhaut, selbst nach und nach zergliedert. Siehe hierüber
oben p. 364. . j ' ' ' ’
Auch ohne Sinnesempfindungen stellen wir uns im dunkeln
Sehraum der geschlossenen Augen Grenzen, Umrisse und dadurch
Gestalten vor. Es scheint, dass auch dieses durch eine
Vorstellung einzelner Netzhauttheilchen im ganzen Sehfelde der
Netzhaut geschieht. Zur Empfindung des vorgestellten Bildes in
einem Licht oder in einer Farbe kömmt es hierbei nicht. Dazu
würde gehören, dass die Netzhauttheilchen nicht im Zustande, der
Ruhe, sondern im activen Zustande, d. h. licht oder farbig erscheinend
vorgestellt werden. Diese Art von Vorstellung dei
Grenzen im Sehfelde ist indess zuweilen so lebhaft, dass scharfe
Umrisse wiederkehren, die längere Zeit anhaltend gesehen worden
, z. B. plötzlich die Formen der unter dem Mikroskop lange
gesehenen Theilchen vor das Auge treten, nachdem zwischen dem
Sehen dieser Dinge und dem plötzlichen, Wiedererscheinen des
Gedächtnissbildes ein Zeitraum von mehreren oder vielen Stunden
verflossen ist. Aber es werden nicht blosse Umrisse von gesehenen
Dingen im Sehfelde reproducirt, sondern auch neue Confi-
gurationen producirt, wenn das Sehorgan von objectiven Eindrücken
frei ist. Diess ereignet sich häufig bei Kindern von
lebhafter Phantasie im Dunkeln, wo dann im dunkeln Sehfelde
Gesichter und schreckende Fratzen bloss in Umrissen und ohne
Farbe und Licht hervorzutreten scheinen. Alles diess scheint
noch durch eine Vorstellung der ruhigen Netzhauttheilchen zu