
_Nothwendigkeit einer Bewegung und keine andere vorhanden ist.
Denn wir sind im Stande, drei und mehr verschiedene Bewegungen,
die nicht den geringsten Zusammenhang haben, lange neben
einander fortzuführen. Wir lesen, singen, spielen; präpariren
und singen und rauchen gar dazu. Dann aber hängt der letzte
Grund der willkührlichen Bewegung von keiner Vorstellung eines
Zweckes ab; denn die willkührlichen Bewegungen erfolgen
schon beim Fötus, ehe irgend ein Zweck vorgestellt wird, ehe
eine Vorstellung von dem, was durch die willkührliche Bewegung
vollbracht wird, möglich ist; wir müssen uns die Sache durchaus
einfacher machen.
"Wie werden die ersten willkührlichen Bewegungen beim Fötus
veranlasst? Die ganze Zusammensetzung der Zustände, unter
welchen hei Erwachsenen willkührliche Bewegungen eingeleitet
werden, fehlt hier. Der eigene Körper des Fötus ist hier allein
die Welt, welche dunkele Vorstellungen in ihm hervorbringt und
auf welche er zurückwirkt. Er bewegt seine Glieder anfangs
nicht zur Erreichung eines äussern Zweckes; er bewegt sie bloss,
weil er sie bewegen kann. Da indess zur willkührlichen Bewegung
eines einzelnen Theiles ,bei dieser Voraussetzung kein Grund
vorhanden ist, vielmehr der Fötus hiernach gleichviel Grund hat,
alle seine Muskeln zugleich zu bewegen, so muss irgend eine Ursache
bestimmen, dass gerade diese oder jene willkührlichen Bewegungen
eintreten, dass jetzt dieser, dann jener Fuss oder Arm
angezogen wird.
Die Kenntniss der .Lageveränderungen, welche durch bestimmte
Bewegungen hervorgebracht werden, wird erst allmählig
und durch die Bewegungen selbst erworben; . das erste Spiel des
Willens auf einzelnen Gruppen der .Faserursprüngen der motorischen
Nerven in der Medulla oblongata kann daher offenbar
noch keinerlei Zweck der Lageveränderung haben; es ist »ein
blosses Spiel ohne,alle,Vorstellung von den Wirkungen, welche
davon in den Gliedern hervorgebracbt werden. . Durch diese
zwecklose willkührliche Exeitation der Faserursprünge entstehen
bestimmte Bewegungen, Lagevefänderungen, Empfindungen davon;
die Excitation gewisser Fasern erregt immer dieselben Bewegungen
, Lageveränderungen . und ihre zum Bewusstsein kommenden
Empfindungen.. Hierdurch entsteht die Verknüpfung gewisser
Empfindungen mit gewissen Bewegungen im dunkeln Be-
wusstseyn. Wird hernach ein gewisser Theil des Körpers von
aussen zu einer Empfindung angeregt, so ist schon so viel Erfahrung
im Sensorium vorhanden, dass die darauf erfolgende
willkührliche Bewegung auch an dem gereizten Gliede sich äussern
wird, dass das ungeborne Kind das gedrückte Glied auch
bewegt und nicht alle Glieder zugleich reagirend bewegt. Auf
diese Art müssen sich die willkührlichen Bewegungen auch bei
den Thieren aushilden. Ein Vögel, der, zu singen anfängt, setzt
aus einer innern instinctmässigen Nöthigung willkührlich die Ursprünge
der Nerven seiner Kehlkopfmuskeln in Action ; hierdurch
entstehen Töne. Durch die Wiederholung’ dieses Spiels lernt
erst der Vogel die Art der Ursache mit der Art der Wirkung
imiinfen Der Instinct dieser traumartig und unwillkuhrhch
wirkenden Impulse im Sensorium hat auch beim Menschen gleich
anfangs Antheil an der Hervorrufung gewisser an sich willkuhr-
lioher Bewegungen. Im Sensorium des neugehornen Kindes ist
eine Nöthigung zu Saugbewegungen der Mundtheile; aber die
Ausführung dieser Bewegungen im Einzelnen ist wieder ein ganz
willkürliches Spiel. Aus dieser Betrachtung ergiebt sich, dass
die willkührliche Excitation der motorischen Nervenursprunge
etwas Unmittelbares und Ursprüngliches, mit der Ausbildung . des
Thieres Gegebenes ist, und dass die Ursache der willkührlichen
Bewegungen von keinem vorgestellten Zwecke, wie beim Erwachsencn
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Wir haben schon aus vielen anderen Thatsachen gesehen,
dass 'das in der Medulla oblongata wirksame Nervenprincip in
einem ausserordentlichen Grade von Spannung ist, dass die geringste
Veränderung des Status quo das Gleichgewicht der V’ei-
theUung aufhebt und Entladungen hervorbringt, wie sie steh
durch Lachen, Niesen,Schluchzen etc. äussern. So lange das
Gleichgewicht, sich erhält, sind wir zu allen willkührlichen Bewe-
<*untTen aller Körpertheile gleich geschickt, um! das ist der Zu-
stand der Buhe. Jede Bewegungstendenz, welche von der Seele
ausgeht, stört diess Gleichgewicht und bewirkt eine Entladung
; in bestimmter Richtung, d. h. erregt eine gewisse Summe Fasern
des motorischen Nervenapparates.;
Der Einfluss des Willens auf die Fasern des motorischen
Apparates ist nicht das einzige Factum dieser Art. Die Central-
theile aller Gehirn- und Rückenmarksnerven, auch der^ sensibeln
und der Sinnesorgane, sind der willkührlichen Intention fähig.
Es ist für die Theorie der willkührlichen Bewegungen von Wichtigkeit,
diese Erscheinungen zu zergliedern. Unsere Sinneserscheinungen
sind gewöhnlich mit einer beständigen Mitactton des
Willens verbunden. Indem wir eine zusammengesetzte Figur erblicken,
prägen wir uns bald diesen, bald ]enen Theil derselben
lebhafter ein; wir nennen diess Aufmerksamkeit. Wir sehen z. B.
eine architectonische Rose, ein Vieleck, dessen Winkel durch Linien
verbunden sind. Obgleich nun das Bild dasselbe bleibt,
empfinden wir bald diesen,, bald jenen Theil der Figur lebhafter,
bald sehen wir die Peripherie, bald einzelne Dreiecke, bald
Vierecke, welche in das Ganze hineingelegt sind, lebhafter. Diess
geschieht nicht bloss, indem wir durch Bewegungen der Augen
mit den Sehachsen diese Figuren verfolgen und gleichsam beschreiben,
sondern bei unverwandtem Blick prägt die Intention,
die Aufmerksamkeit bald diesen, bald jenen Theil der Figur der
Anschauung lebhafter ein, während die übrigen zwar empfunden
werden, aber unbeachtet bleiben. Durch die Mitwirkung dieser
die Gesichtsempfindungen begleitenden Intention kömmt es, dass
wir zuweilen aus sehr dunkeln Gesichtseindrücken doch eine
ganz bestimmte Gestalt zu erkennen glauben, wobei wir uns oft
täuschen. Dasselbe findet beim Gehörsinn statt, urtd hier ist es
noch deutlicher, dass. diese Veränderung der Sinneseindrücke
durch die Intentio nicht von Muskelbewegungen abhängt. Bei