
die dem Verstände gleichsam eingeboren sind, Verstandesbegriffe,
Categorien des Aristoteles, wie der Begriff der Qualität, Quantität,
Relation, Modalität. Diese Begriffe bilden dann den reiner}
Inhalt des a priorischen Denkens, welches zwar auch durch die
Erfahrung der Sinne angeregt wird,, welches aber bestimmend
und ordnend für alle durch die Sinne gewonnenen Erfahrungen
wird. Sie werden daher nicht aus der Erfahrung dedu.cirt, sondern
an der Erfahrung erläutert. L ocke hatte hingegen bei Zergliederung
des menschlichen Verstandes keinen, solchen primitiven
Inhalt des Denkens gefunden, und die in der Erfahrung angetroffenen
reinen Begriffe des Verstandes sind ihm 'von der Erfahrung
abgeleitet; der Verstand kann sie weder erzeugen noch verändern,
und er muss sie aufnehmen, wie sie ihm gegeben werden. Da
indess die Sinneserscheinungen nicht selbst ' Begriffe siud, die
Begriffe vielmehr das Verhältniss der sinnlichen Erscheinungen
ausdrücken, so frägt sich wieder, wie kann der Verstand Etwas
erkennen, was, wenn auch vorhanden, doch nicht sinnlich erfahren
■wird, und entsteht die Verbindung der sinnlichen Erfahrungen
zu einem Begriff durch a priorische Begriffe des Verstandes oder
durch eine Nöthigung, die bloss auf Gewohnheit beruht? Dies Letztere
behauptete D avid Hume. Nach ihm entstehen die Verbindungen
der Vorstellungen aus ihrer öfteren Association, so dass die Association
selbst zur subjectiven Nothwendigkeit wird, wie die Association
der Ursache und Wirkung aus der Gewohnheit beide
folgen zu sehen. Da wir nun über die angewöhnte Verbindung
unserer Vorstellungen nicht hinauskommen, so giebt es nach H ume
keine objective Erkenntniss.
Kan,t bestritt diese Lehre, weil die Wirklichkeit einer wissenschaftlichen
Erkenntniss a priori, nämlich der reinen Mathematik
die Existenz der apriorischen Begriffe beweise; Seine reinen
Verstandesbegriffe sind: 1) die Categorie der Q u a n titä t
(Einheit, Vielheit, Allheit). 2) der Q u a litä t (Realität, Negation,
Limitation). 3) der R e la tio n (Wesen und Zufall, Causalität,
Wechselwirkung). 4) der Mo d a litä t (Möglichkeit, Daseyn, Nothwendigkeit).
So wie diese Begriffe nach K ant den formalen Inhalt des
denkenden Verstandes ausmachen, so sollen nach ihm die Vorstellungen
von Raum und Zeit die primitiven Anschauungsformen
für das sinnliche Empfinden seyn. Ausser der Anwendung dieser
Principien auf die Erfahrung und die Erkenntniss dessen, was
mit den Categorien übereinstimmt, giebt es aber nach -Kant kein
Erkennen der Dinge an sich.
Dass es angeborne Vorstellungen geben könne, lässt sich nicht
im Geringsten läugnen, es ist sogar eine Thatsache. Alle Vorstellungen
der Thiere, welche von dem Instincte eingeleitet werden,
sind angeboren und unmittelbar, ein der Phantasie vorschwebendes,
wozu der Trieb vorhanden ist, es zu erreichen. Das neuge-
horne Schaf und Füllen haben solche angeborne Vorstellungen,
deren zufolge sie auf die Mutter gehen und ihre Zitzen suchen.
Findet nicht auch bei dem Menschen etwas Aehnliches in Hinsicht
seiner Verstandesbegriffe statt?
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Ich glaube, dass man diese Frage in Beziehung auf das Denken
des Menschen weder zu Gunsten von H ume noch zu Gunsten
von K ant entscheiden kann. Aus der Gewohnheit der
wiederkehrenden Verbindung zweier Dinge in der Vorstellung
wird mir die Nothwendigkeit, dass, wenn das eine vorgestellt
wird, auch das andere vorgestellt werden muss, oder, dass wenn
Etwas wieder kommt, was einst eine angenehme oder unangenehme
Empfindung in uns hervorbrachte, diese angenehme oder
unangenehme Empfindung ( jetzt auch als gewiss erwartet wird.
Auf diese Art verkettet der Hund die Vorstellung der Schläge
nothwendig mit der Vorstellung des Stocks und der Zusammenhang
zwischen Stock und Schläge ist ihm ein durchaus noth-
wendiger geworden. Aber diesen Zusammenhang abstract als
■vielen ähnlichen Verkettungen gemein unter dem Begriff, der Ursache
und Wirkung aufzufassen, Ist dem Hunde und jedem,Thiei’-e
vollends unmöglich. Die Thiere bilden keine allgemeinen Begriffe.
Es liegt nicht an der Klarheit und Unklarheit der Eindrücke, denn
•diese sind bei den Thieren gewiss ebenso wie beim Menschen. I<ch
hin daher der Meinung, dass auch ein Mensch durch blosse Erfahrung
der Sinne und durch die Gewohnheit nie zu dem abstracte«.
Begriff der Causalität komme, wenn der Verstand des Menschen
nicht ein gewisses Vermögen der Abstraetion hat, nämlich ein
Gedankending von dem Gemeinsamen vieler wiederkehrenden Verkettungen
zweier Dinge, wovon das eine das andere fordert, au
machen.
Dagegen halte ich nicht für den ursprünglichen Inhalt des
Verstandes die Verstandesbegriffe von K ant oder die Categorien
des Aristoteles, diese scheinen mir vielmehr ein Product der
Erfahrung und des Abstractionsvermögens zu seyn; sondern ursprünglich
ist das Vermögen, durch welches die verschiedenen
Gategorieen während der Erfahrung erst entstehe^, die Fähigkeit,
das Allgemeine von mehreren Besonderheiten oder von mehreren
Thatsachen der Empfindung als Gedankending sich vorzustellen,
d. h. einen Begriff zu bilden,, lóyog. Ist diese Fähigkeit
vorhanden, so wird die durch Gewohnheit erfahrene Nothwendigkeit
der Veränderung meiner selbst, durch ein Aeusserês
anit den Erfahrungen, in welchen sich dieses Verhältniss wiederholt,
- als Begriff der Causalität vorgestellt, nämlich als Nothwendigkeit
der Veränderung eines Objectes durch ein anderes, und
so entstehen nun alle Verstandeshegriffe aus dem Erheben von
'Thatsachen der sinnlichen Erfahrung zu Allgemeinem.
Etwas erscheint vor unseren Augen nicht’mehr so wie vorder,
von Anderen und Vielen erfahren wir dasselbe. Beim Thier
ileibt es bei diesen einzelnen sinnlichen, Erfahrungen, bei uns aber
entsteht der B 'e g riffd e r-V e rä n d e ru n g , er enthält bloss das,
worin die anders gewordenen Erscheinungen a, b, c, d Übereinkommen,
und es fehlt daran Alles; was bloss einer dieser Erscheinungen
■ a-,. b, c, d eigen ist. Findet der. Wechsel mit Aenderung
•des Raums statt, so entsteht der Begriff der. Bewegung. Bei Erscheinungen,
die sich ändern, sind die einzelnen Acte nur gleich
Miiller’s Physiólogié. ’2r. ßd, III. 34