
II. Capitel. Vom Seelenleben im e n g em Sinne.
U n t e r s c h i e d v om L e b e n ü b e r h a u p t .
Die niebt in das Bewusstseyn fallenden Wirkungen des Lebens
in den Organismen sind, dass sie die zweckmässige Organisation
erzeugen und erbalten und ihres Gleichen bilden. Diese
Thätigkeit ist in den Pflanzen und Thieren gleich. Was der
Köiin von beiden als Grundstein ihres Baues von dem mütterlichen
Organismus mitbekommt, ist die Zelle mit ihrem der Wand
der Zelle anliegenden Kern versehen, bei den Thieren das sogenannte
Keimbläschen mit dem Keimfleck. Die ersten Wirkungen
der Organisation sind die Bildung neuer ähnlicher Zellen aus
Kernen. Die Keimhaut der Thiere besteht nach Schwann’s Beobachtungen
(Froriep’s Not. 1838. IV. 3.) aus einer Aggregation von
Zellen und die erste Bildung der foetalen Gewebe scheint nach
Schwann’s Beobachtungen durchgängig pflanzenzeilig zu seyn, indem
meist wie bei den Pflanzen die Zellen mit ihrem Kern an
der Wand versehen sind und aus diesem entstehen. Erst später
entfernen sich die Structuren der Pflanzen und Thiere durch
Verwandlung der Zellen in die bleibenden Gewebe.
Vergleicht man die nur den Thieren und Menschen zukom-
menden Seelenerscheinungen mit den, den Pflanzen und Thieren
gemeinsamen Erscheinungen der zweckmässigen Organisation, so
zeigt sich eine theilweise Uebereinstimmung und Verschiedenheit.
Beide gleichen sich darin, dass sie das Zweckmässige, ja selbst das
Vernünftige realisiren können, aber in den organischen Wirkungen
geschieht diess unbewusst, in den Seelenwirkungen bewusst und
mit Empfindung. Daher ist das Erzielen des Zweckmässigen in
den vegetativen Wirkungen ohne Wahl, das Einzige, was- erzielt
werden kann, ist die Form und Eigenschaft der bestimmten Pflanze,
des bestimmten Thiers, Alles, was diesem Ziel nicht homolog ist,
bleibt zur Seite liegen, das Angemessene wird angezogen und festgehalten.
Die Idee der bestimmten Pflanze ist das Thema, welches
wieder und wieder ausgeführt wird, und keine andere als
diese Idee liegt in der Natur und in dem Streben der bestimmten
Pflanze. Sie wird ausgeführt, wie ein gelerntes Kunststück
in den Regeln dieses Kunststücks. In den Seplenerseheinungen
ist eine viel grössere Bestimmbarkeit innerhalb gewisser Grenzen
gegeben.
Von den mannigfaltigen Dingen der Aussenwelt werden Bilder
aufgenommen, reproducirt, comhinirt. Der Mensch erkennt
auch das Allgemeine von mehrerem Aufgefasstem, und es bleibt
als ein Bild zurück, das man Begriff nennt, auch die Begriffe
werden unter sich und mit Bildern verbunden, das allgemeinere
davon aufgefasst und das ist Denken. Kein Modell ist hier vorhanden
für das Schaffen, als die Nothwendigkeit zu combiniren
und Begriffe d. i. Bilder aus mehreren Bildern zu machen, die
ganze mit Sinnen erfassbare Natur kann aber den Stoff zu Bil—
dern hergeben. Das Seelenleben gleicht daher einem höchst mannigfaltigen
Abspiegeln von lauter Dingen, die ausser nnd in. dem Organismus
existiren nach einem einfachen Gesetz der Combination.
Das Organisiren und Leben hingegen erzeugt immer das Gleiche
wieder, die bestimmte Form und ihre Kräfte aus den Eigenschaften
der unterworfenen Materie und nimmt keine Notiz der aus-
sern Objecte. Gieht es einige Aehnlichkeit zwischen dem einen
und andern Process, so ist es nur der Verbrauch der Bilder
nach dem einwolinenden Gesetz der Combination beim Seelenleben
und der Verbrauch der Stoffe und ihrer physicalischen
Kräfte nach dem einwohnenden Gesetz der Organisation.
Ist es nun gleich möglich in Gedankenbildern die natürlichen
Gegenstände gleich wie in Zeichen statt der Dinge selbst
zu wiederholen, so ist doch der ganze Process nur ein gewusster,
aus Gewusstem wird nur Gewusstes, aus Zeichen nur Zeichen.
Die organisirende Kraft oder das Lebenspnncip hingegen reaii-
sirt das zwar in engen Grenzen gehaltene Thema der Operation
in Gegenständen, an der Materie.' Aus dem vorgestellten Allgemeinen
kann ferner das Einzelne als vorgestelltes im Denken ausgeschieden
werden. Das Allgemeine der Keimhaut producirt die besondere
Strrfctur, die zur Natur des Ganzen gehört, aber das
Product ist im ersten Fall immer nur ein Gewusstes, im zweiten
Fall ein Gewebe, ein Organ. Bei dieser mnern Verschiedenheit
in dem Process der Seelenerscheinungen und in dem Process der
Vegetation verhalten sich beide zur Materie, an welcher sie_als
Kräfte Vorkommen, in den meisten Puncten gleich, wie vorher
bewiesen worden. Beiderlei Kräfte können mit der Materie ge-
theilt werden, beide sind nichts aus Theilen Zusammengesetztes.
Beide können latent seyn und erfordern Veränderung der Materie
zu ihrer Wirksamkeit, und bei den thierischen Wesen ist
die eine immer an die andere, gebunden, so dass die Vegetation
immer zuerst wirken muss, ehe die latente psychische Kraft in
Erscheinung tritt, bis die Organisation des Gehirns zum Wirken
der Seele erzeugt ist.
In einer gewissen Classe von Erscheinungen greift die zweckmässig
wirkende allgemeine Lebenskraft eines thierischen Geschöpfs
selbst in den Process des Seelenlebens bestimmend ein, erzeugt
Reihen von Vorstellungen, wie Träume, und bestimmt zum bewussten
Handeln, das sind die instinctmässigeo Handlungen. Die
Biene muss den ihr traumartig vorschwebenden Typus der Bie-
nenzellen realisiren, ein Thier muss Wohnungen, Gespmnste bauen,
ganz so wie seine Vorgänger, singen wie diese und wandern wie
sie, seine Brut beschützen mit Leidenschaften, die erst durch das
Geschäft der Generation entstehen. Der Anstifter von diesen
durch die Seele ausgeführten, aber nicht von der Seele concipir-
ten Vorstellungen ist die Organisationskraft, die erste rsac e
eines Geschöpfs, die Gleiches aus Gleichem schafft, derselbe Baumeister,
der alle Organe zweckmässig bildet. Er lehrt die Thiere
die Begattung, und ohne Erziehung die Jungen das Gleichgewicht
halten, die Enten auf das Wasser gehen, den Maulwurf graben
und die -Faulthiere klettern, wie er auch den Bau der Extremitä