
Tendenz zur Mitbewegung von der Geburt an und vor der Erziehung
des Gesichtssinnes stattfindet, so kann sie nur in der Organisation
der Ursprünge der N. oculomotorii liegen. So auffallend
nun die Tendenz zur Mitbewegung in den gleichnamigen geraden
Augenmuskeln, welche vom N. oculomotorius versehen werden,
isV so merkwürdig ist der Mangel dieser Tendenz zur Mitbewegung
in den geraden äusseren Muskeln beider Augen und
in den beiden N. abducentes. Wir können zwar in einem gewissen
Grade beide N. abducentes und dadurch dié äusseren geraden
Muskeln beider Augen zugleich wirken lassen, indem wir die
Convergenz der Sehachsen vermindern und die Augen bis zur
parallelen Stellung der Sehachsen führen; aber hier ist auch die
Grenze; und niemand vermag, hei noch so grosser Anstrengung
die Augen zur Divergenz zu bringen. Der Grund davon liegt
nicht in der Schwäche der Musculi recti externi, noch in der
Art ihrer Insertion, denn diese sind gerade, wie bei den übrigen
geraden Augenmuskeln; diese Erscheinung entspringt auch
nicht aus der Angewöhnung; denn sie ist auch angeboren und
der Neugeborne,' obgleich er noch nichts zu fixiren vermag, kann
seinen Augen jede" Stellung, aber kerne divergirende gehen.
Aus dem Antagonismus des Jteetus internus,der vom N. oculomotorius
versehen ist, kann die Erscheinung auch nicht erklärt
werden. Der Rectus externus eines einzelnen Augés kann durch
Wirkung des N. abducens dieses Auge ganz nach aussen stellen f
der Abducens des andern Auges kannves auch an diesem Auge
allein; aber beide Abducentes können durchaus nicht zugleich
die Wirkung äusführen, die jeder einzelne allein ausüben kann.
Kurz es ist Thatsache, dass die gleichnamigen Äeste des N. oculomotorius
beider Augen eine angeborne Tendenz und Nötbigung
zur Mitbewegung haben, und dass diese Tendenz den TU;abducentes
beider Augen nicht allein fehlt, dass vielmehr die starke
Wirkung des einen die Wirkung des andern ausschliesst. Diese
prästabilirten Gewalten in beiderlei Nerven sind für die Bewegungen
der Augen zum Zweck des Sehens von der grössten
Wichtigkeit. Wir wollen einmal die Voraussetzung machen, die
Natur liätte statt des N. abducens einen Ast des N. oculomotorius
zum Musculus rectus externus gehen lassen, so würde bei
der Tendenz, zur Mitbewegung in gleichnamigen Aesten der Oculomotorii
beider Augen allerdings die Divergenz der beiden Augen
so leicht seyn, wie sie es jetzt nicht ist, so leicht, als jetzt
die Convergenz ist; aber die gleichzeitige Bewegung beider Augen,
des einen nach aüssen, des andern nach innen, mit Parallelismus
oder Convergenz der Sehachsen, wie wir die Augen bei
dem schiefen Blick auf seitliche Gegenstände richten, würde
dann nicht möglich seyn. Der Musculus rectus externus des einen
Augeä wird mit dem Rectus externus des andern Auges die
Tendenz zur Mitbewegung haben, gerade so, wie es hei den
Gleichnamigen Aesten des Oculomotorius beider Augen ist. Beide
Augen würden also gleichzeitig entweder nach oben durch den
Rectus superior, oder gleichzeitig nach unten durch den Rectus
inferior, oder gleichzeitig nach innen durch den Rectus internus,
M Gleichzeitig nach aussen durch den Rectus externus gezogen
werden- die Wendung des einen Auges nach innen, des andern
l ,Uen wäre dann gar nicht möglich. Dass diese Bewegung
,,aCV r w h d war ein Eigener Nerve der N. abducens nöthig,
Te? keine Tendenz zur Mitbewegung mit dem der andern Seite
, t Nun kann das eine Auge A durch den Abducens nach aussen'
das andere B durch den Rectus internus nach innen bewegt
werden Bei der Tendenz zur Mitbewegung beider Becti intern
i wird zwar auch in dem Auge A eine Tendenz zur Stellung
nach innen entstehen; - diese wird aber durch die stärkere Wirkung
des N. abducens auf A überwuuden. Diese nothwendige
stärkere Bewegung des Musculus abducens fühlen wir in der
Tbat bei der mit Anstrengung verbundenen Bewegung eines
E S Vanz «ach aussen. Diese aus sicheren Thatsachen folgende
Theorie erklärt vollkommen die bisher für unerklärlich
gehaltene Thatsache, dass der Musculus rectus externus bei al-
fen Wirbelthieren einen eigenen Nerven, J n N. aWuMns er a •
Vah Jessen, Beiträge z. Erkenntnis d. psychisch, Lebens. 18dl. 18Ö.
. Auf diese Art lässt es sich auch erklären, warum der obeie
schiefe Augenmuskel einen eigenen Nerven,, den N. trocbleans,
erhalten musste, der gleichfalls nicht die Tendenz zur Mitbewe-
aung mit dem der andern Seite hat. Wir müssen zuei t die
Wirkung der Musculi ohliqui feststellen. Der Musculus obliquus
inferior zieht das Auge nach innen und oben, wie- man sich
leicht an der Leiche, bei unversehrter Augenhöhle überzeugen
kann, wenn man den Obliquus inferior von vorn prapanrt und
dann gegen seinen Ursprung anzieht. Der Obliquus superior
dreht oder rollt das Auge nach unten und etwas aussen. B ell
hat diess schon aus Versuchen an Thieren und an Leichen bewiesen.
Untersuchungen des Nervensystems, p. 153. Bei einem
von mir angestellten Versuche, wo ich den Muskel ohne grossere
Verletzung von oben blosslegte, ohne dass das Auge von se“
Fettpolster verrückt wurde, und dann den Muskel « g
ich immer das Auge sich im Segment eines Cirkels nach unten
und ein wenig nach aussen rollen. Die Auswart^ewegun
viel geringer als die Einwärtsbewegunng durch den Musculus
obliquus inferior. Wirken beide Muskeln zusammen oder zieht
man sie zugleich gegen ihre Ursprünge an, so wird das Aug
vorgezogen und nach innen gestellt, Der Musculus obliquus su-
perfor hat keine Tendenz zur Mitbewegung mit dem der andern
Seite, sein Nerve verhält sich in dieser Hinsicht, wie der N. ab
ducens. Bei der Bewegung des einen Auges nach aussen un
unten, geht das andere Auge nicht auch nach aussen und
unten, .sondern nach innen und unten ; diess Verhaltmss ist angeboren;
es beweist, dass die Bewegung des Musculus obhquus su-
perior in einem Auge durch den N. trochleans die Thalgke t
des Trochlearis des andern Auges ausschliesst. Mit dem Obliqu
inferior ist es ganz anders; er stellt das Auge nach mnen ^
oben durch einen fcur Mitbewegung geneigten Zweig es .
lomotorius; diese Bewegung ist bei beiden Augen gcmeinsc w ^
lieh leicht und erfolgt sogar unwillkührlich im c a e.