
300 V. Buch. Von den Sinnen. I. Abschn. Voim Gesichtssinn
würfe von G oethe, gegen die NEWTow'sche Farbenlehre* zeigen sich
als ungegründet. G oethe lieht als eine nothwendige Bedingung des
prismatischen Farbenhildes hervor, dass das Bild begrenzt sei, dass
ein Helles an ein Dunkles grenze, nur an dieser Grenze erscheine die
Farbe. ' Weil zur Erzeugung der Farbe überhaupt Hell und Dunkel
zugleich nötbig sei. Daher erscheine das Unbegrenzte, die weisse
Wand, durch das Prisma gesehen, nicht gefärbt, sondern weiss.
Dass sie weiss erscheint, ist indess eben eine Gonsequenz der New-
Ton’schen Theorie, denn ,da von allen Puncten der weissenWand
weisse, d. h. blaue, rothe, gelbe Strahlen zugleich reflectirt werden,
so wird jeder Theil der Nervenhaut, auch von allen farbigen
Strahlen zugleich, a. h. vom Weiss beleuchtet. Zur Erscheinung
der dioptrischen Farben ist allerdings die Grenze von Hell und weniger
Hell oder Dunkel, aber auch im Sinne der Newto n ’schen Farbenlehre
nöthig; denn nur diejenigen farbigen Strahlen können als solche
gesehen werden, welche nicht mit den andern, Farben wieder im
Bilde zusammen treffen, und sich an der Grenze des Bildes1 vermöge
ihrer abweichenden Brechbarkeit isoliren. Versl. B randes
a. a. 0. p. 69.
Endlich ist die: Erklärung der prismatischen Farben,‘welche
G oethe giebt, selbst ungenügend. Nach G öethe’s Vorstellung
wird an der Grenze eines dunkeln und hellen Bildes, durch die
Refraction das dunkle Feld über den hellen Grund, und dieses
über jenes bewegt, und hierdurch entstehen an der Grenze die
Farbensäume. Indess das Licht kann zwar an der Grenze des
Dunkeln, das in Beziehung auf das Auge das Affectlose ist, über
die ruhenden Theile des Auges zerstreut werden, aber das Dunkle
kann sich nicht über ein Helles ausbreiten, denn dunkel ist physiologisch,
worauf doch Alles in diesen Fragen zuletzt zurüek-
kömmt, nur derjenige Theil des Auges,' wo die Nervenhaut im
Zustande der Ruhe empfunden wird. Ueber diesen Mangel der
GoETHE’schen Ansicht habe ich mich bereits ausführlicher in dem
Buche über die Physiologie des Gesichtssinnes Leipz. 1826. p.
399. 409. ausgesprochen, wo ich die Fehler der GoETHE’schen
Ansicht zu zeigen suchte, wo es mir aber *), indem ich einige
Grundsätze derselben festzuhalfen suchte, nicht sie zu verbessern
gelang. G oethe’s grosse Verdienste um die Farbenlehre betreffen
nicht, die Hauptfrage von den Ursachen der prismatischen Farben.
Es ist hier nicht der Ort seine erfolgreichen Bemühungen in
Hinsicht der physiologischen Farben, der moralischen Wirkungen
der Farben, und der Geschichte der Farbenlehre aüseinanderzu-
setzen.
2. Natürliche Farben der Körper. Pigmente.
Die natürliche Farbe der nicht selbst leuchtenden Körper
, ) De r Artikel über die GoETHE’scbe Farbenlehre ist die Beobachtungen
ausgenommen) ein schwacher Abschnitt dieser Schrift, welche in mehreren
wichtigeren Abhandlungen die Resultate ausdauernder Anstrengungen,
enthält. - > , :
rührt zunächst von dem Lichte her, welches ihnen zugeworfen
wird, und welches sie wieder zurückwerfen und unserrn Auge zuwenden,'
zum Theil hängt ihre Farbe aber auch von ihrer Affinität zu
dem Lichte und den verschiedenen Arten dekfarbigen Lichtes ab, indem
sie alles farbige Licht bald vollständig zurückwerfen, bald vollständig
und unter Erscheinung der Erwärmung absorbiren, bald
theilweise zurückwerfen und theilweise absorbiren, bald alles Licht
ganz hindurchlassen, bald gewisse Strahlen hindurchlassen, andere
absorbiren. Ein weisser Körper ist ein solcher, der alle Arten
des färbigen Lichtes zugleich zurückwirft, ein schwarzer derjenige,
welcher alle Arten des Lichtes in sich auinimmt und, keines
reflectirt, ein farbiger aber derjenige, der gewisse farbige Strahlen
des weissen Lichtes absorbirt oder durchlässt, andere aber zurückwirft.
Ein durchsichtiger, ungefärbter Körper lässt alle Arten Strahlen
und also farblos durch sich hindurchgeben, indem er nur einen
sehr geringen Theil von allen Arten Strahlen farblos reflectirt. Ein,
durchsichtiger, gefärbter Körper absorbirt gewisse; Strahlen des
Lichtes, und lässt den farbigen Rest durch sich hindurchgehen.
Dass die; Farbe der undurchsichtigen Körper davon abhängt, dass
sie gewisse Strahleh des Lichtes absorbiren oder durchlassen, andere
aber zurückwerfen, lässt sich erfahrungsmässig beweisen.
Werden farbige Körper, welche sonst die Strahlen a reflectiren,
von einem anderen durchaus homogenen farbigen Lichte beleuchtet,
so sind sie nicht im Stande das letztere, welches sie absorbiren,
zu reflectiren und erscheinen daher ganz farblos. Ein homogenes
gelbes Licht giebt, wie Brandes bemerkt, ein mit Kochsalz
abgeriebener und auf der Weingeistlampe brennender Docht.
In diesem Lichte erscheinen alle farbigen- Gegenstände mit-Ausnahme
der gelben farblos. Das meiste farbige Licht ist indess.
nicht homogen und enthält, ausser dem überwiegenden farbigen
Licht einer Art, auch weisses Licht. Durchsichtige* farbige Körper
zeigen entweder eine, andere Farbe bei reflectirtem, als bei
durchfallen dem Lichte, oder zeigen bei reflectirtem und durchfallendem
Lichte dieselbe'Farbe. Dieselbe Wolke kann bläulich
von reflectirtem, gelb oder orangefarben bei durchfallendem Lichte
erscheinen. Im ersten Falle lässt sie die gelbrothen Strahlen
durch, welche wir nicht sehen, und sendet die reflectirten bläulichen
zu unserm Auge; im zweiten Fall sehen wir die durchfallenden
gelbrothen Strahlen, nicht aber die reflectirten blauen.
B randes erklärt auf diese Weise das bald bläuliche, bald gelbro-
the Ansehen der Atmosphäre. Die heitere Luft erscheint am
Abend gegen Osten bläulich, wo sie das blaue Licht zu uns reflectirt,
das gelbrothe durchlässt, was daher von uns nicht gesehen
wird, sie erscheint gelbroth im Westen, von wo sie das gelb-
rothe Licht zu uns durclilaHst, während sie das blaue. Licht reflectirt.
So ei scheint auch bläuliches Milchglas gegen das Licht
feuerroth. Andere durchsichtige Körper erscheinen bei reflectirtem
und durchgehendem Licht gleichgefärbt; sie reflectiren einen
Theil eines farbigen Lichtes «, während sie einen andern Theil
von a durchlassen, dabei absorbiren sie die übrigen farbigen