
wie weit er von Geruch, Gefühl, Gesicht, Ton verschieden,' ist
hier, wie in alien Sinnen ein Unerklärliches. Das Wesen des
Blauen als Empfindung lässt sich nicht übersetzen, .es kann nur
empfunden werden und man muss dabei stehen bleiben, dass es
eine Eigenschaft der specifischen Nerven ist, dass der eine blau
sieht j der andere Schall hört, der andere riecht u. s. w. Aber
die Ursachen der Unterschiede mehrerer Empfindungen, deren
ein und'derselbe Nerve fähig ist, lassen sich wohl auffinden, wie
es heim Gesicht, Gehör auch geschehen ist. Man weiss,. dass der
eine Ton von dem andern durch die Zahl der Stösse verschieden
ist, dass bei den farbigen Eindrücken eine verschiedene Zahl der
Wellen in gleicher Zeit stattfindet. Beim Geschmack, gleichwie
heim Geruch sind wir weit von einer solchen. Theorie entfernt.
Bellihi Sandte die alte Ansicht ,von der verschiedenen
Form der kleinsten Theilchen der Körper zur Erklärung der verschiedenen
Geschmäcke an, eine Ansicht, wogegen sich theoretisch
Nichts einwenden lässt, die aber nicht bewiesen werden kann.
Zur Zeit, wo man Alles aus chemischen Polaritäten erklärte} war
auch- die Anwendung der Polaritäten auf das Geschmacksorgan
geläufig.
Ausser dem Geschmack empfindet die Zunge-durch das Gefühl
sehr fein und richtig, wie Wärme und Kälte, Kitzel,
Schmerz, Druck Und dadurch Form der Oberflächen.
Die Gefühlsempfindung kann in- der Zunge seyn, während
der Geschmack bleibt und umgekehrt. Siehe MueEl. Arch. 1835.
p. 139. Hieraus wird es wahrscheinlich, dass’ die Leiter für
beiderlei Empfindungen, wie in der Nase, nicht dieselben sind.
Begreiflicher weise könnten in einem Nervenstamm Fasern, von
sehr verschiedenen qualitativen Eigenschaften enthalten .seyn.
Atis den schon mitgetheilten Thatsachen geht, hervor, dass
der N. lingualis Ursache von Geschmacksempfindungen ist, aber
die lebhaften Scbmerzensäusserungen beim Durchschneiden dieses
Nerven beweisen augenscheinlich, dass er auch .Gefühlsnerve der
Zunge ist. Auch dem N. hypoglossus kömmt ausser .seiner motorischen
Eigenschaft Gefühl zu. Siehe oben B. I. 3. Aufl. p. 666.
Da viele Substanzen während sie geschmeckt werden auch
riechen, so ist der Gesammteindruck derselben für die Vorstellung
oft mehr oder wenig vermischt. Durch Zuhalten der Nase lässt
sich aber in solchen Fällen ermitteln, was dein Geruch angehört.
Manche feine Weine verlieren sehr viel von ihrer Wirkung, wenn
man beim Trinken die Nase zuhält.
Nach den Versuchen von H orn (lieber den Geschmackssinn
des Menschen. Heidelberg 1825.) scheinen nicht alle Substanzen
auf den verschiedenen Papillen der Zunge gleich zu schmecken,
eine Ansicht, worauf besonders auch die von dem ersten Geschmack
oft verschiedenen Nachgeschmäcke'zu führen scheinen. H orn hat
Versuche mit einer Menge von Substanzen angestellt, welche theils
gleich schmeckten in allen Regionen des Geschmacksorganes, theils
sehr verschieden schmeckten, in der Gegend der Papillae filiformes
und Papillae'vallatae. In Hinsicht des Einzelnen verweise ich
auf die Abhandlung.
Die Nachempfindungen sind beim Geschmack sehr deutlich
und oft lange dauernd, das Schmecken einer Substanz verändert
den Geschmack einer andern. Wenn ich Calamus Wurzel
gekaut habe, so schmeckt mir nachher Milch und Caffe säuerlich;
der Geschmack des Süssen verdirbt den Geschmack* des
Weines, der Geschmack des Käses erhöht ihn. Es ist also wie
bei den Farben^ wovon eine die Empfindung der ihr entgegengesetzten
öder complementären erhöht. Doch ist es noch nicht
gelungen die Gegensätze der Geschmäcke unter allgemeinen Principien
wie bei den Farben aufzufassen; aber die Kochkunst benutzt
die Consonanzen in der Folge und Verbindung der Geschmäcke
von jeher practisch, gleichwie dié Malerei und Musik die Grundsätze
der Harmonie practisch angewandt haben, ohne das Gesetzliche
zu kennen.
Häufige Wiederholung desselben Geschmacks hintereinander
stumpft ihn immer mehr ab, so wie eine Farbe um so schmutziger
erscheint, je länger sie betrachtet wird. Kann man bei verbundenen
Augen zwar im Anfang weissen und rothen Wein unterscheiden,
so verliert man doch bald diese Fähigkeit, wenn man
öfter den einen und andern probirt, wie man leicht erfahren kann.
Kommen'die schmeckbaren Substanzen nur einfach mit der
Oberfläche des Organes in Berührung, ohne darauf herum bewegt
zu werden, so werden sie oft sehr undeutlich, zuweilen gar
nicht geschmeckt. Dagegen wird der Geschmack geschärft durch
wiederholtes Andrücken, Reiben und Bewegen der schmeckbaren
Substanz zwischen Gaumen und Zunge. Entweder ist hier der
mit Impetus verbundene. Eindruck, stärker, wie beim,Geruch, oder
die Thatsacbe hängt von der schnellen Abstumpfung der schmek-
kenden Theilchen ah, so dass die Bewegung nöthig ist, um das
schmeckbare auf immer neue, noch frische oder unermüdete
Theilchen des Nerven zu bringen. Eine Wechselwirkung von 2
thierischen, sich berührenden Oberflächen, die R aspail neulich
annahm, ist deswegen ganz unwahrscheinlich, weil die Reibung
denselben Erfolg hat, wenn die schmeckbare Substanz auf andere
Alt auf der Zunge bewegt wird, ohne dass die Zunge den
Gaumen berührt.
Die subjectiven Geschmäcke sind noch wenig bekannt. Ausser
der Empfindung des Eckels von mechanischer Reizung der
Zungenwurzel und des. Gaumensegels gehört hierher die oben
angeführte Beobachtung von H eule von Geschmacksempfindung
durch einen feinen Strom der Luft und die Empfindung des säuerlichen
und alkalischen Geschmacks hei der Belegung der Zunge
durch zwei heterogene Metalle, die kettenartig verbunden werden.
Was der Erklärung - dieser Erscheinung durch Zersetzung dei
Speichelsalze entgegen zu stehen scheint, Wurde bereits oben B.
I, 3. Aufl. 629. angeführt.
Auch eine Veränderung des Blutes scheint auf den Geschmack
zu wirken, so" wie narkotische Stoffe im Blut Veränderung des
Sehens, Flimmern wor den Augen u. dgl. bewirken. Hieiher gehört
die Beobachtung von Magendie, dass Hunde, denen Milch
ins Blut injicirt worden, mit der Zunge sich das Maul zu lecken