
Ansicht kann wieder sehr verschieden seyn,
nach der Lage des Krcuzungspunctes, welchen
man für die Directionen annimmt.
Hierher gehört: a) die Ansicht derjenigen,
welche glauben, dass man die Direction
des Lichtes wahrnehme, und also auch in
der Direction des Lichtes selbst sehe, eine
merkwürdiger Weise seihst in den physikalischen
Lehrbüchern sehr häufig verbreitete
Vorstellung. Schon P orterfield hat die Unstatthaftigkeit
derselben bewiesen und V olkmann
zeigt dasselbe.
Beim gewöhnlichen Sehen wird jeder Punct des Bildes auf
der Retina durch die Spitze eines Lichtkegels bestimmt, dessen
Basis die Breite der Pupille ist. Welcher dieser Strahlen des
Kegels soll die Direction bestimmen? Der Achsenstrahl; aber die,
peripherischen Strahlen sind, wenn sie beim Sehen durch ein Kar-
tenloeh isolirt werden, auch hinreichend. Ist der Punct a so
weit vom Auge entfernt,
dass seine Strahlen vor der
Netzhaut in o sich zum
Puncte vereinigen, und sind
a mn zwei Kartenlocher, so
entwerfen sich bei xy -zwei
Bilder von den, durch die
Kartenlocher durchgehenden
Lichtbündeln.
Ist hingegen a in der zweiten Figur zu nahe dem Auge, so
dass das Bild hinter die Netzhaut
fällt, und mn wider
die Kartenlocher, so erscheinen
zwei Bilder von den durch
die Kartenlocher durchgehenden
peripherischen Strahlen
des Lichtkegels nämlich x y .
Bei einer bestimmten Entfernung
des leuchtenden Punctes a kann die Entfernung ,von x und
y der zweiten Figur so gross als die Entfernung von x und y
der ersten Figur seyn, und die Bilder erscheinen dann an demselben
Ort, dennoch ist die Direction der Strahlenbündel (a;o in
der ersten Figur und ox’ in dei zweiten ganz verschieden.
b) Die zweite Modification der zuletzt erwähnten Theorie ist
die von P orterfield und B artels, dass jeder Netzhautpunct in
der Richtung einer auf der Netzhaut oder der Tangente des Netz-
liautpunctes senkrecht stehenden Linie sehe. Diese Ansicht ist ganz
wülkührlich.
c) Volkmann stellt einü dritte,, Modification der unter 2.
genannten Ansicht auf. Die Richtung der Empfindung sei begründet
durch die Lage der empfindenden Stelle zum Kreuzungspunct der
Sehstrahlen, welcher nach seinen Untersuchungen mit dem Netzhautbildchen
und dem Objecte in einer Linie liegt. Vergh oben p. 322.
Und dieses finde zufolge angeborner und nicht zu erklärender Gesetze
statt. Allerdings findet physikalisch die vollkommenste Ueberein-
, Stimmung zwischen den Objecten und den Netzhautbildern statt,
und der genannte Kreuzungspunct ist es, durch welchen die von
den einen zu den andern gezogenen Linien gemeinschaftlich durchgehen.
Indessen liegt nach meiner Meinung in der Thätigkeit
des Sehnerven kein nach aussen Wirken in einer bestimmten
und exclusiven Richtung. V olkmann statuirt eine unerklärliche
angeborne Beziehung der Netzhauttheilchen. zu einem Kreuzungspunct
hinter der Linse. Die Annahme von etwas Unerklärlichem
hat man bei der unter 1 angeführten Ansicht nicht nö-
thig. Jedem Bild ist seine Richtung durch seine Lage auf der
Netzhaut und durch die Lage dieser Stelle zur ganzen Netzhaut
bestimmt, und in derselben Ordnung, aber ohne Kreuzung proji-
ciren sich die Gegenstände in der Vorstellung. Da§ Projiciren
kann nicht Von einer blassen Biegung der Netzhaut abhängig seyn,
es ist nach meiner Meinung in der Ordnung der Netzhauttheilchen
zu einander begründet.
Alle Erklärungen der Richtung des Sehens nach- dem Princip
der zweiten Theorie leiden an einem gemeinsamen Fehler. Das
Sehen mit zwei Augen zugleich widerspricht ihnen sämmtlich.
Wenn die Richtung des Sehens abhängt von einer Wirkung der
Netzhaut in irgend einer bestimmten Richtung nach aussen, entweder
in der Direction des Drehpunctes der Augen, oder in einer
Richtung, die auf der Netzhaut senkrecht ist, so ist das Einfachsehen
mit beiden Augen gar nicht' denkbar.
Denn das Auge A wird das im Mit-
telpunct der Netzhaut liegende Bild des
Punctes c in der Richtung ace sehen, das
Auge B wird hingegen das in den Mit-
telpunct der Retina fallende, Bild von c
in der Richtung bed sehen. Dasselbe c
wird also nach jener Theorie an zwei
ganz verschiedene Orte versetzt werden
müssen. , Dass die Mittelpunete beider
Netzbaute immer einfach sehen, kann nicht
entgegnet werden. Denn wenn sie dasselbe
Object ,an demselben Orte sehen,
so können sie es nicht in den Richtungen
ace und bed nach aussen setzen, so
können sie nicht einfach sehen.
Hängt hingegen die Richtung, in welcher
etwas gesehen wird, bloss vom Verhältniss der afficirten Netzhauttheilchen
zur ganzen Netzhaut ab, so wird c auf den identischen
Stéllen a und b beider Netzhäute einfach gesehen, und die
Mitte des Gesichtsfeldes beider Augen einnelimen.
U r t h e i l ü b e r G e s t a l t , G r ö s s e , E n t f e r n u n g , B ew e g u n g .
Zuletzt kommt hier in Betracht das Urtheil über die Gestalt
der Körper, ihre Grösse, Entfernung und Bewegung. Das Urtheil