
Temperamentes gründet sich auf die Lehre der griechischen Naturphilosophen
von den vier Elementen Luft, Wasser, Feuer,
Erde und den diesen entsprechenden-Qualitäten Wärme, Kälte,
Trockenheit, Feuchtigkeit. Jenen Elementen sollen aber im
menschlichen Körper vier Grundbestandtheile Blut, Schleim, Galle
und Scbwarzgalle entsprechen, je nach deren* Vor wiegen, entstehen
die Temperamente.
Es gereicht wenig zur Aufklärung des Gegenstandes hier
anzuführen, welche mannigfache andere Eihtheilungen der Temperamente
versucht worden. Allerdings liegt es sehr nahe, in
den Grundformen der Functionen und ihrer organischen Systeme
eine Begründung der Temperamente zu suchen, z. B. in dem
vegetativen, motorischen und sensibeln System, und von dem
Verwiegen eines dieser Systeme die Temperamente zu erklären.
So würde man ein vegetatives■, irritables und sensibles Temperament
erhalten, Aber es sind nicht gerade aus dem Vorwiegen
eines der organischen Systeme die geistigen Eigenschaften der
Temperamente abzuleiten. Denn die Muskelkraft ist weit entfernt
cholerisch zu machen; und das phlegmatische Wesen kömmt bei
gut Vegetirehden und schlecht vegetirenden vor. Nicht alle
Wohlgenährte und Dickbeleibte sind phlegmatisch, es giebt sehr
hagere Menschen genug von entsetzlichem Phlegma Und es giebt
cholerische von Wohlgenährter, hagereri musculöser und zarter
Beschaffenheit und ebenso sanguinische. Uebeihaupt sind die
Bestrebungen den Temperamenten einen bestimmten Körperbau
anziiweisèn fehlerhaft. -Man inUSS vielmehr Vö-ft den Tèmperk-
menten gewisse1 physiologische Constitutioneft unterscheiden ; ßdie
allerdings auf die relative Ausbildung der Organischen -Systeme
gegründet sind; ivië die musCulösé, vegetative, sensible Constitution,
welche sich mit den Temperamenten verbinden können.
Was die Lehre Vön deri Temperamenten- gar verwirft hat,
ist die Vermischung der pathologischen Constitutionen mit den
Temperamenten. ‘Da sollen die Phlegmatischen -gedunsen f- blass
und lymphatisch seyn, was einen relativen UeberfluSö vim Liquor
sanguinis gegen die Blutkörperchen andeuten würde. Krankheiten
der Säftebildung, Skrophelsucht, Bleichsucht u. dergl. sollen
dabei dispönirt sêyn. , Dié Sanguinischen führt' man bis zum
phthisischen Habitus und zur phthisischen Constitution, und lässt sie
zu Fiebern, Lungènkrankheitërt,: activen Blutungen geneigt seyn. Die
Chóléfiker sollen zu Krankheiten der Leber dispönirt -seyn. Alles
diesS und’ Aehnliches beruht auf der Verwechselung und Vermischung
der leucotischen, phthisischen, hepatischen, nervösen Constitutionen
und anderer krankhaften Anlagen mit den Temperamenten.
F.s giebt Viele Cholerische, die sich im Affect Alles eher
verderben, als die Leber, z. B. schlecht verdauen, ‘Herzklopfen
bekommen, zittern und zucken. Die biliöse Constitution mit der
Disposition zu Lebëraffectiönen allein wird eine gelbliche Farbe
mit sich führen und in Leidenschaften überhaupt, nicht bloss im
Aefger und Zorn die Anlage zar Erscheinung bringen.
Nach meiner Meinung beruhen die Temperamente lediglich
auf der Verschiedenen Disposition zu Strebungen und Gemüthshewegungèn,
die von den Hemmungen und Erregungen der Triebe
herrühren, d. h. auf der Disposition zu den Zuständen des Begehrens,
der Lust und Unlust und auf der Nahrung, welche diese
Seélenzusténde in def Mischung und in den Zuständen der or-
ganisirten Theile vorfinden. Dass die Strebung in der Grund-
eigenschaft dér organischen Wesen ihr Selbst zu affirmiren beruhe,
welche, Ohne immer bestimmte Empfindungen zu erregen,
doch in das Gebiet des Vorstellens einwirkt und sich mit Vorstellungen
combinirt, ist schon als wahrscheinlich hingestellt worden.
Wenn diese Strebungen wegen der organischen Grundlage
weder heftig sind, noch anhalten, so entsteht das phlegma-
tisch e oder gemässigte Temperament, bei welchem die Vorstellungen
über die Dinge mehr oder weniger Vorstellungen
und Combination von Vorstellungen bleiben, ohne auffallende
Hemmungen oder Erweiterungen des -Selbstgefühls, ohne merkliche
Lust, Unlust und Begierde zu erregen. Der Phlegmatische,
vön dem wir hier handeln, ist keine pathologische Erschein
nung. Seine Gedanken gehen nicht träger vor sich, als bei Änderen,
und es ist hier eine gewisse Grösse dés geistigen Lebens,
wie in jedem andern Temperamente möglich. Bei guten geistigen
Anlagen wird diese Art des Phlegma zu Handlungen und ausserordentlichen
Érfolgén möglich machen, die selbst bei grösseren
Triebën nicht möglich sind. Denn ohne grosse Strebungen und
Gémüthsbéwegungen bleibt man kalt, man lässt sich nicht zu
Handlungen hinreisSen, welche man morgen bereut, man kann
sicherer und zuverlässiger seyn, séinè Erfolge sicherer berechnen;
in der Gefahr und im entscheidenden Moment hat man, wenn es
auf Rath, Berechnung; Erwägung und nicht auf eine schnell zu
entwickelnde Energie ankommt, seine Kräfte' zusammén. Energie
des Handelns, die auf der Fähigkeit zu Strebungen beruht, darf
man allerdings bei ünserm Phlegmatischen nicht erwarten, aber
Gewinn durch Zaudefii und behutsam berechnende Ausdauer.
Vorgänge, welche den Cholerischen, Sanguinischen zu schnellem
leidenschaftlichen Handeln bestimmen, welche sie zu herben und
bittefti Empfindungen veranlassen, Averdeh bei dem Phlegmatischen
öbjëCtiv vorübergehen Und in ihm bloss das Nachdenken anregén,
so dass er weder klagt, noch drëinscblagt, sondern ruhige Betrachtungen
über die Menschen Und menschlichen Zustände anstellt.
Ef empfindet seine Leidén nicht stark, trägt sie mit
Geduld, und empfindet auch nicht allzuviel bei anderer Leidfen.
E r ‘schliesst nicht häufige Freundschaften Und bricht sie nicht,
und kann dabei ein recht zuverlässiger und in der Gesellschaft
hülfreicher Mann seyn. Seine Plane erreicht er weniger sicher,
wenn es auf Kraftentwickelung in kürzer Zeit ankommt, und Andere
eilen ihm dann voraus,1 wenn és keine Eile hat, und sich
die Sache ab warten lässt, kömmt er ruhig zum Ziele, wenn andere
Fehler über Fehler gemacht, Und längst durch ihre Strebungen
abwegs geführt sind. Der Phlegmatische kennt seine
Grenzen und wird nicht in fremde Gebiete und in Cpnflicte gebracht.’
Dieses; so wie eine plänmässige, ruhig verfolgte Thätigkeit,
bei der er weiss, was er will und Selbsttäuschungen Vermeidet,