
An Nerven, deren weisse Substanz vollständig entwickelt ist, sah
er zuweilen seitwärts hier und da einen Zellenkern, der in dem
blassen, von jener Membran gebildeten Saum liegt. Bei den grauen
Nervenfasern kommt es nicht zur Bildung der weissen Substanz.
( V a l e n t in bemerkte in der Hirnsubstanz der jungen Embryonen
in den Zellen an ihren Wandungen aussen einzelne,
bald sich mehrende Körnchen, eine Umlagerungsmasse. Die anfängliche
Zelle wird zum Nuclens, deren Kern zum Kernkörperchen
und die Umlagernngsmasse zur Grundmasse der Ganglienkugel.
An den aus Zellen entstehenden Nervenfasern lagern sich
hernach Zellenkerne, Zellenfasern und Zellgewebefasern auf ihrer
Oberfläche ah.)
S c h w a n n ’s Entdeckungen gehören zu den wichtigsten Fortschritten
, welche je in der Physiologie gemacht worden. Sie
begründen erst eine bisher unmöglich gewesene Theorie der Vegetation
und Organisation. Es hat an trefflichen Beobachtungen
und Entdeckungen in allen Theilen der Physiologie nicht gefehlt.
Einige Zweige dieser Wissenschaft sind bereits in hohem Grade
ausgebildet. Was aber die ersten Fundamente betrifft, worauf
das Ganze ruhen sollte, so waren sie, muss man sich gestehen,
theils äusserst schwach, theils gar nicht vorhanden, und daher
der geringe Zusammenhang zwischen verschiedenen einzelnen
praegnanten Beobachtungen aus ausgebildeten Theilen def Wissenschaft.
Diese Fundamente sind nun geliefert, und bereits hat
S c hw a 'n n selbst in seinem Werke die allgemeinen Schlüsse aus
den Beobachtungen von S c h l e id e n und ihm selbst zu einer Theorie
der Organisation und Vegetation der organischen Wesen mit
ebenso viel Klarheit als Schärfe gezogen. .Wir können hier nur
die Hauptzüge seiner Gedanken andeuten, i
Es giebt ein gemeinsames Entwickelungsprincip für die verschiedensten
Elementartheile der Organismen, der Thiere und
Pflanzen, und dieses Princip ist die Zellenbildung. Es ist zuerst
eine structurlose Substanz da, welche entweder innerhalb oder
zwischen schon vorhandenen Zellen liegt. In dieser Substanz
bilden sich nach bestimmten Gesetzen Zellen, und diese Zellen
entwickeln sich auf mannichfache Weise zu den Elementartheilen
der Organismen.
In jedem Gewebe bilden sich die neuen Zellen nur da, wo
zunächt der frische Nahrungsstoff in das Gewebe eindringt. Hierauf
beruht der Unterschied zwischen gefässhaltigen und gefässlosen
Geweben. Bei den ersteren ist die Nahrungsflüssigkeit, der Liquor
sanguinis durch das ganze Gewebe verbreitet, daher entstehen
hier die neuen Zellen in der ganzen Dicke des Gewebes. Bei
den gefässlosen wird die Nahrungsflüssigkeit nur von unten zugeführt,
wie bei der Epidermis. So entstehen heim Knorpel zur
Zeit, wo er noch gefässlos ist, die neuen Knorpelzellen nur ringsum
an seiner Oberfläche oder in deren Nähe, weil hier Cytoblastem
eindringt. Der Ausdruck Wachsthum durch Appositio ist richtig,
wenn man ihn auf die Entstehung neuer Zellen, nicht auf das
Wachsthum der vorhandenen bezieht, die neuen Zellen der Epidermis
entstehen nur unten, bei den gefässhaltigen Geweben aber
entstehen die neuen Zellen in der ganzen Dicke des Gewebes.
In beiden Fällen aber wachsen die Zellen durch Intussusception.
Die Knochen befinden sich gewissermassen in einem Mittelzustande.
Der Knorpel ist anfangs gefässlos und die neuen Zellen bilden
sich daher nur in der Nähe der äussern Oberfläche. Nachdem
die Gefässe in den Markkanälen entstanden sind, kann die Bl^ n”g
von neuem Cytoblastem und neuen Zellen theils auf der Oberfläche
des Knochens, theils rings um diese Markkanälchen stattfinden.
Daraus erklärt sich die Structur, die Schichtung des Knochenknorpels
in Lamellen, welche theils mit der Oberfläche, theils
mit den Markkanälchen concentrisch sind.
Der Process der Zellenbildung ist aber folgender. In dem
anfangs structurlosen oder feinkörnigen Cytoblastem zeigen sich
nach einiger Zeit runde Körperchen, diese sind in ihrem frühesten
Zustande, wo sie sich erkennen lassen, Zellenkerne, um die
sich Zellen bilden. Der Zellenkern ist granulös und entweder
solid oder hohl. Vom Kern entsteht zuerst das Kernkörperchen,
um dieses schlägt sich eine Schichte feinkörniger Substanz nieder,
der Kern wächst, um den Kern bildet sich dann die Zelle, indem
auf der äussern Oberfläche des Zellenkerns eine Schichte einer
Substanz niedergeschlagen wird, die von dem umgebenden Cytoblastem
verschieden ist. Diese Schichte ist anfangs noch nicht
scharf begrenzt. Hat sich die Zellenmembran consolidirt, so dehnt
sie sich durch fortdauernde Aufnahme neuer Molecule zwischen
die vorhandenen aus,' und entfernt sich dadurch von dem Zellenkern,
wobei der Kern an einer Stelle der innern Fläche der
Zellenmembran liegen bleibt. Die Zellenbildung ist nur eine
Wiederholung desselben Processes um den Kern, durch den sich
der Kern um das Kernkörperchen bildete, nur dass dieser Process
intensiver bei der Zellenbildung, als bei der Kernbildung vor
sich geht. Die Zellenmembran ist bei verschiedenen Zellenarten
chemisch verschieden, selbst an denselben Zellen ist die chemische
Zusammensetzung nach dem Alter der Zelle verschieden, die Zellenmembran
der jüngsten Pflanzenzellen löst sich nach S c h l e id e n
in Wasser, später nicht. Noch mehr ist der Inhalt der Zellen
verschieden, Fett, Pigment u. a. In der anfangs wasserhellen
Zelle kann allmählig ein körniger Niederschlag zuerst um den
Zellenkern entstehen, es kann auch umgekehrt ein körniger Inhalt
der Zellen allmälig aufgelöst werden.
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