
sehen Spannung möglich. Daraus sieht man, dass die Grösse
der organischen Spannung zur Strebung, bei einer das Selbstgefühl
betreffenden Vorstellung die Intension dieser Vorstellung bestimmt
und ihren Impuls oder Heftigkeit ausmacht., Die Erregbarkeit
der organischen Zustände compensirt die Grösse des Erregenden
zur Erzielung eines Quantums von Leidenschaft.
Die Strebungszustände der Seele haben wieder organische
Fol gen in vielen odpr den meisten Theilen des ganzen Organismus.
Auch leidenschaftlose Vorstellungen erregen böi gehöriger
Lebhaftigkeit Wirku ngen in vom Gehirn verschiedenen Theilen,
Sinnesorganen/ Muskeln, wie die Visionen und die Bewegungen
zeigen, die von Vorstellung einer Bewegung, z. B. des Gähnens
entstehen. Siehe oben p. 89. Aber die Wirkungen der Strebungen
auf den Organismus sind verhältnissmässig viel stärker und
umfangreicher. Jede Hemmung des Selbstbeharrungsstrebens bringt
■ deprimirende Wirkungen auf das geistige Vermögen und die körperlichen
Actionen, unangenehme Empfindungen und Hemmung
der Bewegungen hervor, jede Erweiterung des Selbstbeharrung-s-
strebens und Strebens zur Integration wirkt dagegen imcitirend
auf Empfindung und Bewegung, und in beiden Fällen wird selbst
die Er nährung und Absonderung verändert. Diese Mittheilung
geht yom Gehirn aus. Wach allen-Richtungen der Nerven verbreitet
sie sich und bringt örtlich stärkere Wirkungen nach
der verschiedenen Disposition der Individuen hervor. Hierbei
entstehen besondere^ Strömungen nach den Organen, die das
Vorgestellte der Leidenschaft realisiren, z. B. zu den Geschlechts-
theilen bei den Liebesappetiten, zu den Speicheldrüsen: bei den
Verdauungsappetiten. Deswegen ist der Sitz der verschiedenen
Leidenschaften aber nicht in den verschiedenen peripherischen
Organen. Die Organe ‘haben nur so fern Antheil daran, als ihre
Erregung auf das Sensorium und die organischen Zustände bei
den Strebungen wirkt. Bei denjenigen Leidenschaften, wo die
Ausführung der Begierden nicht durch besondere Organe vorgesehen
ist, ist das organische Gefolge eine ganz allgemeine Irradiation
durch das Nervensystem, Bewegungen, Empfindungen, Ernährung
verändernd, erbebend und angenehm erweiternd in den
excitirenden, deprimirend in den deprimirenden Leidenschaften.
Der mit besonderen localen Diathesen Behaftete erfährt die Exci-
tation und Depression vorzugsweise an diesen, z. B. an der Leber,
am Herzen, am Darmkanal, am Rückenmarkssystem. Siehe das
Nähere hierüber Bd. I. 3. Aufl. p. 833. Bd. II. p. 90.
Die Grundleidenschaft der' Traurigkeit hat die Vorstellung
des Unangenehmen zum Qbject, die Grundleidenschaft der Freude
vom Behagen bis Jubel hat die Vorstellung vom Angenehmen
zum Object. Das Unangenehme ist im einfachsten Fall und meist
bei dem Thiere die unangenehme körperliche Empfindung. Die
davon herrührende Hemmung der Strebung ist die Traurigkeit.
Da an die Stelle der Empfindungen die Vorstellungen treten, so
ist das Unangenehme auch die Vorstellung der unangenehmen
Empfindung ohne Wirklichkeit der Empfindung, und auch die
Vorstellung macht traurig, und erregt wieder unangenehme wirkliehe
Empfindungen. Aber auch jede nicht auf Empfindung bezügliche
Vorstellung, welche eine Hemmung des Strebens lnvol-
virt, 1 iR dem Menschen unangenehm und erregt die Traurigkeit.
A — a. Die Hemmung des Strebens bei dem Selbstgefühl A
därch die 'Vorstellung A ^ - a ist das Trauern. ; So lange das
Selbstgefühl nicht bis auf A — « reducirt ist, ist man traurig,
die Traurigkeit erneut sich mit der Vorstellung A , so lange das
— ß nicht aufgehoben ist. Ist das Gleichgewicht ganz hergestellt,
so hat das Unangenehme allen Stachel verloren. Daher werden
die vorgestellten üebel durch die Zeit geheilt. . ‘‘ .
III Das Angenehme ist im einfachsten Fall und meist bei dem
Thiede das; was körperliche Empfindung von Behagem und Lust
und freien Vorgang der körperlichen Actionen hervorbringt, auch
die blosse Vorstellung davon ist angenehm und macht Freude.
Im Allgemeinen macht aber beim Menschen ]ede Vorstellung
freudige Welche das vorgestellte. strebende Eigenleben erweitert,
ein HindernisS beseitigt und uns befreit. A + a. Das Streben
mit Erweiterung des Selbstgefühls A bis zu A + a ist das Beha^
gen und Erfreuen, es dauert bis zur Herstellung des Gleichgewichts
zwischen A und A + a . Ist dieses eingetreten, so hat «
keine Wirkung mehr, es sei denn dass die Vorstellung A eintutt
Und von neuem in A-\-a übergeht. . . .
Das1 angenehm vorgestellte und noch nicht mit uns vereinigte
wird begehrt. Das Begehren beruht dann, dass zwei Vorstellungen
von Zuständen unsers Eigenleben* durch das Streben in Spannung
gegen einander treten, welche sich nicht sogleich ausgleichen kann.
Die Vorstellung a ist das Angenehme; die Vorstellung des wirklichen
Zustandes unserer selbst ist A — a- die Vorstellung des
möglichen Zustandes unserer selbst ist A -+- ß. - Wir streben
diese-Vorstellungen ins Gleichgewicht zu setzen, sind aber durch
ein Hinderniss in Spannung erhalten. Die Spannung zwischen
A— a und A + a durch das Streben ist das Begehren, es unterscheidet
sich von der Freude, dass das Eine nicht in das Andere
übergeht, sondern das Eine das Andere balancirt so dass das
A— a die Vorstellung W&nVA+a hervorrutt1, die \ orstellung von
N + ß aber die Vorstellung von A — a. Sobald sich das wirkliche
Eigenleben von A — a zu A und A ■+• ß erweitern kann,
geht das Begehren in Freude (in diesem Fall Befriedigung) über.
Die Spannung zwischen dem wirklichen A — a und A ist das
Streben das Hemmende zu entfernen, die Spannung zwischen
A — a und A + a ist das Streben das Erweiternde zu erreichen.
Durch die Leidenschaften werden Unsere Vorstellungen von
den Verhältnissen der Dinge leicht fehlerhaft. Sobald die Dinge
ausser uns' oder auch sobald Wahrheiten, Meinungen in Beziehung
zu uns als strebenden gedacht werden, sind wir nach dem Vor-
he rgehenden • aüch im Stande, objective V e rh ältn isse ; leidenschat^
lich aufzufassen. Durch die Leidenschaft erhalten die'Meinungen
von obiectiven Dingen eine Intensität, dass sie durch Grunde
nicht widerlegt werden können. An und für sich ist keine Vorstellung
vön objectiven Dingen in diesem Sinne intensiv oder
heftig, sondern nur klar oder unklar und durch Grunde mehr