
säume auch mit einem Auge und ohne Doppelbilder des Gegenstandes
hervor. Das Folgende'enthalt die Resultate meiner eigenen
Beobachtungen.
1. Betrachtet man mit einem Auge ein weisses Feld auf
.schwarzem Grunde, so dass der Refraetionszustand einem fernem
Puncte als dem Felde entspricht, so wird das undeutliche weisse
Feld auf schwarzem Grunde mit einem leichten und feinen Farbensaume
umgürtet erscheinen, dessen Farben vom Weissen nach
dem Schwarzen violet, blau, gelb, roth sind. Meistens ist nur
das Blaue und das Gelbe einigermassen deutlich.
2. Betrachtet man ein weisses Feld auf schwarzem-Grunde,
so dass der Refraetionszustand einem nähern Gegenstände als dem
augeschauten entspricht, so ist der Farbehsaum des undeutlichen
Bildes in eben der Folge roth, gelb, blau, violet aber umgekehrt,
nämlich vioiet, blau ist dem Schwarzem, gelb, roth dem Weissen
näher.S
ieht man mit beiden Augen undeutlich und also Doppelbilder,
so ist, wenn die Augenachsen sich hinter dem Objecte der
Doppelerscaeinung kreuzen, die Folge der Farben wie im ersten
Falle. Kreuzen sich die Augenachsen vor dem Objecte der Doppelerscheinung,
so folgen sich die Farben wie in dem zweiten
Falle.
Sehr lebhaft erscheinen auch die Farbensäume an den Rahmen
der Fenster, wenn man durch diese blickend fernere Gegenstände
fixirt, oder mit auf das Fenster gerichteten Augen einen
nähern Gegenstand, den vorgehaitenen Finger, deutlich ansieht.
Dje Farbensäume erleiden eine Verunreinigung durch das
Vorspringen der subjectiven Nachbilder amJtande des objectiven
Bildes bei einer leisen seitlichen Bewegung des Auges. Das' sub-
jective Nachbild eines schwarzen Feldes anf weissem Grunde ist
weiss, eines weissen Feldes grau, eines farbigen Feldes die cQm-
plementär entgegengesetzte Farbe. Bei längerem fixirendem Betrachten
eines Feldes deckt das physiologische Nachbild das „ob-
jective Bild, .wird aber das Auge ganz wenig zur Seite bewert,
so kömmt^ der Rand des physiologischen Nachbildes am Rande -
des objectiven Bildes zum Vorschein. Diese Säume, welche bloss
auf .der Seite erscheinen, nach welcher das Auge schwankt, muss
rnan i W°M von den dioptrischen Farbensäumen. unterscheiden,
welche objectiv sind und ihren Grund in den brechenden Medien
des Auges haben. Comparetti hat beide gemischte Phänomene
beschrieben. Das Sehen der Farbensäume hat wie inan .sieht
ganz objective Ursachen im Auge, und an die Veränderungen in
der Nervenhaut, wovon in pathologischen Werken hier und da
die Rede ist, ist hier nicht zu denken. Tritt das Phänomen pathologisch
ein, so ist es nicht Folge einer Veränderung im Acte
des Sehens, sondern einer Veränderung im Vermögen den Refrac-
tionszustand des Auges für verschiedene Fernen abzuändern.
Manche klagen über das Sehen der Farbensaume bei sonst ungestörter
Sehkraft, ohne alle Anlage des Anges zu. krankhaften Veränderungen
der Netzhaut, ohne Anlage zur Amblyopie und zum
schwarzen Staaiv Hieher gehören auch die rolhen Säume schwarzer
Schrift [bei einer durch Affeet, geistige Anstrengung, Schläfrigkeit
eingetretenen Lähmung der inneren Veränderungen des
Refractionszustandes, die blutigen Würfel u. s. w. Sein1 stark
werden die 'dioptrischen Farbensäume, wenn man durch Belladon-
naextract die inneren Veränderungen für das deutliche Sehen in
verschiedenen Fernen aufbebt. Siehe das Nähere in meiner angeführten
Schrift p. 203. ]
Die farbigen Lichthöfe müssen von den dioptrischen Farbensäumen
unterschieden werden.
III. Capitel. Von den Wi rkungen der Nervenhaut , des
Sehnervens und des Sensoriums beim Sehen.
Alle im vorigen Capitel untersuchten Erscheinungen ergeben
sich aus dem optischen Baue des Auges, d. h. aus der Construc—
tion der vor der Nervenhaut liegenden, durchsichtigen Media.
Eine grosse Anzahl von Erscheinungen findet hingegen ihre Erklärung
nicht in den optischen Mitteln des Auges, sondern in den
Lebenseigensdhaften der Nervenhaut, und in ihrer Wechselwirkung
mit dem Sensorium. Dahin gehört nicht bloss der Act der Empfindung
selbst und die Wahrnehmung der stattgefundenen Veränderung
der Nervenhaut als Licht und Farben, sondern auch die
Verwandlung der Netzhautbilder in Anschauungen von einem Sehraum,
von Nähe und Ferne, Körperlichkeit und Grösse der Gegenstände.
Ferner gehört dahin die Wechselwirkung zwischen
den verschiedenen Th eilen des sensitiven Apparates und viele
durch das- äussere Licht entweder gar nicht oder nur mittelbar
in der Nervenhaut hervörgerufenen Erscheinungen. Die hieher
gehörigen Phaenomene werden in den folgenden Artikeln abgehandelt.
\. Von der Thätigkeit der Nervenhaut im Allgemeinen
und von der Mitwirkung des Sensoriums beim Sehen. 2. Von
der Wechselwirkung verschiedener Theile der Nervenhaut unter
sich. . 3. Von den Nachbildern. 4. Von der gleichzeitigen Wirkung
beider Augen. 5. Von-dén subjectiven Gesichtserscheinungen.
1. Von der Thätigkeit der Nervenhaut im Allgemeinen und
von der Mitwirkung des Sensoriums beim Sehen.
A c t i ö n d e r N e t z l i a u t u n d d e s S e n s o r i ums ,
Dass, die Nervenhaut nicht bloss Wirkungen von aussen leitet,
sondern selbstständig dagegen reagirt, wurde in der Einleitung
zur Physiologie der Sinne ausführlich bewiesen. Licht und Farbe
sind Actionen der Nervenhaut und ihrer Fortsetzungen zum Gehirn.
Von der Art der äussern Einwirkung hängt es ab, welche
Farben und. lichte Bilder empfunden werden. Die Thätigkeit der
Nervenhaut ist daher so wenig unbekannt, dass ihre bekannte
Eigenschaft im Zustande der Reizung Farbe und Licht zu sehen,
vielmehr das Grundphänomen ist, auf welchem alle Untersuchungen