
Nach dem ersten Versuch halten sich die Stimmbänder nur
um so viel verändert, dass sie hei j Loth Gewicht, statt ais vielmehr
h gaben. Es geht aus diesen Versuchen hervor, dass ohn-
gefähr 1 Pfund bürgerl. Gewicht Muskelkraft die Töne im Umfang
von 2 Octaven hervorbringen kann.
XVII. Ist der hintere Theil der Stimmritze nur fe st geschlossen,
und sind die Cartilagines arytenoideae fixirt, so dass die Stimmbänder
bloss durch die Elasticität des Ligamentum crico-lhyreoideum
medium ganz schwach gespannt sind, so lassen sich noch tiefere
Töne hervorbringen, wenn die von diesem Band bewirkte Spannung
aufgehoben und eine noch grössere Abspannung und gänzliche Erschlaffung
der Stimmbänder bewirkt wird. Man bewirkt in diesem
Fall die noch stärkere Abspannung durch einen mit Gewichten
beschwerten Faden, der von dem Winkel des Sehildknorpels ah
rückwärts über eine Rolle geht und also den Schildknorp.el den
fixirten Cartilagines arytenoideae nähert. Dieser Mechanismus
erläutert die Wirkung des Musculus thyreo—arytenoideus. Der
Kehlkopf ist senkrecht aufgestellt und man bläst ihn von unten
durch ein gekrümmtes Rohr an. Eei diesen-Versuchen müssen
immer Mehrere zugegen'seyn; Einer spricht an, Einer legt die
Gewichte auf die Wageschale, Einer bestimmt die Töne auf dem
Clavier. In dem Beispiele, welches ich anführe, war der Ton,
von dem man ausging, dis hei fö Loth Gegengewicht Abspannung.
Bei zunehmenden Gewichten der Abspannung sänken die
Töne folgendermassen:
Töne: dis d cis c h ais a e und gis- e dis d cis H.
nacheinander
Loth: Tö
1 1 \ 3 A 4 A 1
2 A A10 A 7 0 2 0 4 0 6
A1Ö *10 *10 *10 *o1 80
0 5 0 8
A U ^ Z AU i U Z 1U AU iU 1 U J.U J 11 U0 u 11U0
Auf diese Art wurden also durch immer stärkere Abspannung
der Stimmbänder vermöge' Gegenspannung in der Art der Wirkung
des Musculus thyreo - arytenoideus die tiefsten Basstöne der
Bruststimme erreicht.
X V III. Man kann auf dem ausgeschnittenen Kehlkopf bei sehr
schwacher Spannung der Stimmbänder zwei ganz verschiedene Register
von Tönen hervorbringen; Töne, ■ im Allgemeinen tiefer, welche mit
der Bruststimme die vollkommenste Aehnlichkeit haben, andere im Allgemeinen
höher und die höchsten, welche im Klang ganz der Falsetstimme
gleichen. Diese verschiedenen Töne können bei. einer bestimmten gleichen
Spannung hervorgebracht werden. Zuweilen spricht der Ton der
Bruststimme, zuweilen bei derselben Spannung derjenige der Fistelstimme
an. Bei einiger Spannung der Stimmbänder sind die Töne immer voifi
Klang der Falsetstimme, mag man schwach oder stark blasen. Bei grosser
Abspannung sind die Töne die der Bruststinjme, mag man schwach
oder stark blasen. Bei sehr schwacher Spannung hängt es von der Art
des Blasens ab, ob der eine oder andere Ton erfolgt; der Falsetton
erfolgt leichter bei ganz schwachem Blasen. Beide Töne können ziemlich
weit auseinander liegen, selbst um eine ganze Octave. Zu diesen
Versuchen ist es zweckmässig, männliche Kehlköpfe zu nehmen.
Der hintere Theil der Stimmritze muss wie immer durch
die oben beschriebene Vorrichtung verschlossen, und die Cartilagines
arytenoideae und der ganze Kehlkopf fixirt seyn. Sind
die Cartilagines arytenoideae senkrecht fixirt, so reicht die blosse
Spannung der Stimmbänder durch das Ligamentum crico-thy-
reoideum medium hin, um die hier erwähnten Phänomene zu
bewirken; spannt-man weiter künstlich, so erfolgen keine Brusttöne
mehr. Dass die Stimmbänder bei den Brusttönen schlaff,
bei den Falsettönen gespannt sind, ist von L iscovius zuerst entdeckt;
indess lässt sich bei einem gewissen Grade der Abspannung
bei verschiedenem Anspruch sowohl ein Brustton als ein
Falsetton hervorbringen, und auch bei den Brusttönen hängt die
Höhe nicht von der Enge der Stimmritze, sondern von dem grossem
oder geringem Grade von Abspannung der Bänder ab, wie
ich durch viele Versuche erprobt und durch das Beispiel XVII.
erläutert habe. Die Ursache der Brust- und Falsettöne liegt
alsu noch in etwas ganz anderm als dem von Liscovius entdeckten
Umstand.
XIX. Haben die Stimmbänder eine so geringe Spannung oder
einen so geringen Grad von Abspannung, dass man durch verschiedene
Art des Anspruchs Brusttöne und Falsettöne darauf hervorbringen
kann, so kann man sich weiter überzeugen, dass die Falsettöne
keine‘solche Flageolettöne wie . die der Saiten sind, welche bei Schwingungen
aliquoter Theile der Länge der Saiten entstehen; die Stimmbänder
können in beiden Fällen, bei dem höhern Ialsetton und dem
tiefem Brustton, in ganzer Länge schwingen und man sieht es deutlich.
Der wesentliche Unterschied beider Register besteht darin,
dass bei den Falsettönen bloss die feinen Ränder der Stimmbänder,
bei den Brusttönen die ganzen Stimmbänder lebhaft und mit grossen
Exkursionen schwingen. Diese Thatsache ist. zuerst von Leh-
feldt beobachtet. G ottfb. W eber ( Caecilia I. 81.) hat die Vergleichung
der Falsettöne mit den Flageolettönen der Saiten besonders
hervorgehoben, und die Falsettöne als durch Schwingungen
der Bänder mit Schwingungsknoten entstehend angesehen.
Diese Erklärung lässt sich zwar, wie man sieht, nicht festhalten;
indessen ist doch die Entstehung der Falsettöne nicht ganz unähnlich.
Sie entstehen durch Theilung der Bänder in der Breite
oder Schwingung nur eines Theils der Breite der Bänder, nämlich
des Randtheils. Natürlich kann ein Band von einiger Breite sehr
verschiedener Art der Schwingung beim Anblasen fähig seyn..
Bald schwingt der - Rand, dann wird der übrige Theil der
Membran bloss vom Luftstrom ausgedehnt, bald schwingt die.
ganze Membran. Bei den Falsettönen, wo der feine Rand der
Stimmbänder schwingt, kann man wegen der geringem Excursionen
der Schwingungen meist sehr scharf noch die Spalte
der Stimmritze unterscheiden; bei den Brusttönen sind die Excursionen
se stark, dass der Schimmer der Schwingungen beider
Bänder sich vermischt. Wesentlich ist aber nicht bloss, dass,
die ganzen Bänder schwingen, auch die angrenzende Membran
vor den unteren Stimmbändern, welche mit diesen, zusam-
meuhängt und von dem untern stärksten Theil des Musculus thyreo
- arytenoideus bedeckt ist , schwingt heftig mit sam.mt diesem.
Muskel, Die Brusttöne verliefen sich um so mehr, als man den
Schüdknorpel den senkrecht feststehenden Cartilagines arytenoi