
I. Zuerst wird nun dicss festzuhalten sein, dass wir durch äussere
lUrsachen keine Arten des Empfindens haben können, die wir
nicht auch ohne äussere Ursachen durch Empfindung der Zustände
unserer Nerven haben.
In Hinsicht des Gefühlssinnes ist diess sogleich offenbar, das
Empfindbare der Gefühlsnerven ist das Kalte und' Warme, der
Schmerz und die Wollust und unzählige Modificationen von Empfindungen,
die weder schmerzhaft noch wollüstig sind, aber dasselbe
Gefühlselement wie diese.Empfindlingen, nur nicht als Extreme
enthalten. Alle diese Empfindungen sind uns aus inneren
Ursachen, überall wo Gefühlsnerven sind, geläufig; sie können
auch von aussen erzeugt werden,: aber die' äusseren Ursachen
sind nicht vermögend, ein Element mehr in die Empfindungen
zu bringen, die den Nerven an und für sich aus innerer Reizung
zukommen. Das Empfindbare der Gcfühlsneryen sind also ihre
eigenen Zustände, Qualitäten, durch innere oder äussere Reize zur
Erscheinung gebracht. Das Empfindbare des Geruchssinnes kann
aber auch ohne riechbare äussere Stoffe, zum Rewustsein kommen,
wenn der Geruchsnerve die bestimmte Disposition dazu hat. Dergleichen
Gerüche aus inneren Ursachen .sind nicht häufig, bei
Menschen von reizbaren Nerven hat man sie öfter beobachtet,
und mit dem Geschmackssinn mag es auch wohl so sein, obgleich
hier- die Unterscheidung schwer ist, da man nicht wissen
kann, ob der Geschmack nicht von einer eigejithömlichelt Veränderung
des Speichels oder Mundschleims herrührt; jedenfalls entsteht
der eckelhafte Geschmack, der Eckel welcher als Empfindung
unter die. Geschmacksempfindungen gehört,;sehr oft aus blosser
Nervenstimmung. Das Empfindbare des Gesichtssinnes, Farbe,
Licht, Dunkel, kömmt auch ohne äussere Ursachen .zur. Empfindung.^
Im Zustande der grössten Reizlpsigkeit empfindet der Gesichtsnerve
nichts als das Dunkel- Bei geschlossenen Augen äus-
sert sich der Zustand der gereizten, Empfindung äls Helligkeit,
Blitzsehen, welches eine blosse Empfindung und kein wirkliches
materielles Licht ist und daher auch kein Object beleuchten kann.
Es ist Jedermann bekannt, wie leicht man bei geschlossenen Angen
die schönsten Farben sieht, besonders des MoCgens, wenn
die Erregbarkeit des Nerven noch gross , ist. Bei Kindern .sind
diese Erscheinungen häufiger nach dem Erwachen- Die äussere
Natur vermag uns, daher hier keine Eindrücke zu schaffen,
die nicht schon aus innem Ursachen in den Nerven möglich wären,
und man sieht, wie ein wegen Verdunkelung der durchsichtigen
Medien von Jugend auf Blinder,, die innere volle Anschauung
des Lichtes und der Farben haben muss, wenn die Nervenhaut
und der Rehnerve des Gesichtsorganes nur unversehrt sind.
Die *Yiorstellungen die man sich hier und da von den wunderbar
neuen Empfindungen, die ein von Geburt an Blinder durch die
Operation erhält, macht, .sind übertrieben und unrichtig. Das
Element der Gesichtsempfindung, das Empfindbare dieses Sinnes,
Licht, Farbe, Dunkel muss diesen Menschen eben so gut wie den
andern bekannt sein. Denkt man sich ferner, dass ein Mensch
in der einförmigsten Natur geboren werde, die aller Farbenpracht
entblösst wäre und ihm niemals die Eindrücke der Barben von
aussen zuführte, so würde sein Sinn nicht ärmer als der jedes
Menschen seyn;1 denn das Licht und die Farben sind ihm eingeboren
und bedürfen nur des Reizes, um zur Anschauung zu
kommen. ■ .
Auch die Gehörempfindungen haben wir von innen so gut
als von aussen; denn so oft der Gehörnerve sich in einem gereizten.
Zustande befindet, tritt das Empfindbare des Gehörnerven,
als Klingen, Brausen, Schallen ein. Die Krankheiten dieses Nerven
äussern sich durch solche Empfindungen und selbst bei leichteren
vorübergehenden Affectionen des Nervensystems zeigt dieser
Sinn seinen Antlieil an der Verstimmung oft durch Sausen, Klingen,
Läuten in den Obren an. .
: Aus allem diesen geht deutlich genug hervor, was bewiesen
werden sollte, dass durch äussere Einflüsse kein modus der
Empfindungen in uns entsteht, der nicht auch ohne äussere Ursachen,
aus innern in dem entsprechenden Sinne auftreten kann.
II. Dieselbe innere Ursache ruft in verschiedenen Säinen verschiedene
Empfindungen nach der JSatur jedes Sinnes, nämlich das
Empfindbare dieses Sinnes hervor. ' ..
■ . Eine gleiche innere Ursache;5 die auf alle. Sinnesnerven in
derselben Art einwirkt, ist die Anhäufung des Blutes in den Ga-
pillargefässen der Sinnesnerven bei der Congestion und Entzündung.
Diese gleiche Ursache erregt in der Nervenhaut des Auges
die Empfindung der Helligkeit bei geschlossenen Augen und
der Blitze, die-Empfindung des. Sausens und Klingens in dem Gehörnerven,
die Empfindung des Schmerzes in den Gefulilsnerven.
Ebenso bewirkt auch ein ins Blut gebrachtes Narcoticimi m jedem
Sinnesnerven die'ihm angemessenen Störungen, Flimmern vor den
Augen im Sehnerven,■ Ohrensausen im Gehörnerven, Foimicatio
in den Gefühlsnerven. _ .
III. Dieselbe, äussere Ursache erregt in den verschiedenen
Sinnen verschiedene Empfindungen, nach der Natur jedes Sinnes, nämlich
das Empfindbare des bestimmten Sinnesnerven.
Der mechanische Einfluss des Schlags, Stosses, Diucks, ei-
regt z. B. im Auge die Empfindung des Lichtes und der Farben»
Durch Drücken des Auges ruft man bekanntlich bei geschlossenen
Augen die Empfindung eines feurigen Kreises hervor, durch leiseren
Druck bewirkt man Empfindung von Farben und kann eine
Farbe in die andere umwandeln, Phänomene, womit sich die Jugend
oft nach dem Erwachen, wenn es noch dunkel ist, beschäftigt.
Auch dieses Licht ist nicht objectiv, sondern blosse gesteigerte
Empfindung. Drückt man sich im Dunkeln auch noch so
stark ins Auge, so dass die Empfindung eines blitzartigen Scheins
entsteht; so kann dieser Schein, weil er blosse Empfindung ist,
keine äusseren Gegenstände beleuchten, wie Jeder an sich se i^t
erfahren kann. Ich habe diese Versuche sehr oft angestellt, nie
ist es mir dadurch gelungen, im Dunkeln die nächsten Gegenstände
nur zu erkcünen oder besser zu erkennen. Man vergleiche die
Bemerkungen über den forensischen Fall, wo Jemand durch einen
Schlag auf das Auge im Dunkeln einen Räuber erkannt haben