
II. Capitel. E n tw ic k e lu n g d e r Yögel und b e schuppten
A mp h i b i e n.
Gleichwie die Fische und nackten Amphibien im Typus
ihrer Entwickelung wesentlich übereinstimmen, und sich vor allen
übrigen Wirbeltbieren. durch den Mangel des Amnions und der
Allantoide auszeichnen, so harmoniren wieder die Vögpl und beschuppten
Amphibien (Schlangen, Eidechsen, Crocodile, Schildkröten)
in den Grundzügen ihrer Entwickelung. Bei allen diesen
findet sich sowohl das Amnion als die Allantoide vor. Einiges
von diesen Hauten kannte schon Aristoteles hei den Vögeln.
Hist. anim. IV . 3. unterscheidet er eine Haut, die den Dotter
enthält, eine Haut, die den Fötus umgieht (Amnion) und eine
Haut, welche sowohl jene als diese und die zwischen beiden be-
, findliche Flüssigkeit umgieht, und die er de generat. anim. 3. 2.
Chorion nennt. Er unterscheidet auch Blutgefässe zur Haut, die
den Dotter enthält und zum Chorion. Was den Dottersack betrifft,
so bildet sich bei diesen kein innerer Dottersack im Bauch
aus und der äussere Dottersack wird durch den Nabel zuletzt in
die Bauchhöhle aufgenommen, wie bereits Aristoteles von den
Vögeln wusste. De gener. anim. 3.2. Ferner ist ihnen eigenthüm-
lich, dass der mit den Rumpfwänden zusammenhängende Nabelsack,
der bei den Fischen den Dottersack enthält, hei den Vögeln und
beschuppten Amphibien fehlt, indem das entsprechende Blatt auf
dem Dotter frühzeitig resorbirt wird. Diese physiologischen Unterschiede
der Entwickelung von der vorhergehenden Abtheilung
sind so gross, dass man berechtigt seyn würde, die nackten Amphibien
ganz von der Classe der übrigen Amphibien auszuschlies-
sen, um so mehr als auch noch andere wesentliche anatomische
Verschiedenheiten hinzukommen, wie bei den nackten Amphibien
die abortive Beschaffenheit der Rippen, oder ihr gänzlicher Mangel,
bei dem Mangel der Schnecke das Vorhandenseyn nur eines Fensters
am Gehörorgan, der Condyl.us occipitalis duplex, der Mangel
des Penis, das Athmen mit Riemen und Lungen. Siehe oben
Bd. I. 3. Aufl. pag. 170.
Bei den Thieren der Abtheilung, deren Entwickelungsgeschichte
wir jetzt abhandeln, scheinen auch die Furchungen des
Dotters vor der Entwickelung des Embryo zu fehlen.
Wir werden zunächst wegen Vollständigkeit der Materialien
uns an die Entwickelungsgeschichte der Vögel halten, welche durch
die classischen Untersuchungen von C. F r. W olff, P ander und
v. Baer am genauesten von allen bekannt geworden. Bei der
allgemeinen Uebersicht folgen wir zunächst den bisherigen Untersuchungen,
hingegen sind für den Entwickelungsgang im Einzelnen
und den Antheil der Zellen an der Entwickelung die neueren
Untersuchungen von B eichert benutzt. Die vorzüglichsten Schriften,
welche hierher gehören, sind: C. F r. W olff Theoria généra-
tionis. Halae 1759. C. F r. W olff über die Bildung des Darmcanals,
übérs. von Meckel, Halle 1812. P ander Entwickelungsgeschichte
des Hühnchens im E i, W ü n b . 1817. y. Baer in Burdacr’s Physiologie
II. und über Entwickelungsgeschichte der Thiere. I. und II.
Valentin ä. a. O. R. W agner a. a. O.
1. Allgeme ine Ue b e r s ic h t ü b e r die E n tw ic k e lu n g d e r Vögel.
Die Entwickelung des Vogeleies findet bei einer, dem Leben
eines zarten warmblütigen Thieres angemessenen Temperatur von
28° —32° R. statt. Während der Entwickelung geschieht eine
dieser Temperatur entsprechende Verdunstung von Wasser von
Seiten des Eies, die aber gleich gross seyn würde, wenn ein
unbefruchtetes Ei gleich lange jener Temperatur ausgesetzt wäre.
Eine Folge dieser Verdunstung ist das Abweichen des Eiweisses
vom stumpfen Ende des Eies, und die Bildung eines hohlen Raumes,
der durch die Poren der Schale hindurch von der atmosphärischen
Luft eingenommen wird. Die Zusammensetzung dieser
Luft stimmt ungefähr mit derjenigen der atmosphärischen
Luft überein.
Die erste Veränderung, welche man in Folge der Bebrütung
am Keime wahrnimmt, ist die Vergrösserung desselben, indem
er am Rande gleichmässig in die Fläche sich ausdehnt. Die
sich vergrössernde Keimhaut behält hierbei anfangs ihre Dicke,
ihr Rand bleibt circular. Von der Einwirkung des Keims auf die
Dottermasse entstehen in dieser, im Umfang der Keimhaut, mehrere
kreisförmige Streifen wie Wälle, die Halonen, welche nicht
der Keimhaut, sondern der Dottermasse angehören. Der Nucleus
unter der Mitte der Keimhaut bleibt unverändert, und tritt in
keine nähere Verbindung mit derselben. Nach Verlauf von mehreren
Stunden wird der mittlere Theil der Keimhaut durchsichtiger.
Diese Stelle, welchö anfangs die Gestalt einer langgezogenen
Ellipse, später eine biscuilförmige Figur annimmt, bezeichnet
das Feld, innerhalb welchen sich zunächst der Embryo bildet.
Es ist das durchsichtige Feld, Area
pellucida, der durchsichtige Fruchthof
a. Der übrige Theil der Keimhaut
ist trübe. Die ganze Keimhaut
besteht übrigens ganz aus Zellen
und sie wächst durch Zellenbildung.
So wie sich die Keimhaut in der Breite
in einen durchsichtigen centralen und
trüben peripherischen Theil sondert,
so gebt auch in ihrer Dicke eine
Sonderung vor; sie besteht nämlich
bald aus zwei Schichten, die zwar
nicht getrennt sind, aber eine verschiedene Structur besitzen.
Die obere oder äussere der Dotterhaut zugewandte Schichte, sogenanntes
seröses Blatt, die untere oder innere dem Dotter zugewandte,
sogenanntes Schleimblatt. Die Structur dieser beiden
Blätter ist folgende. Faltete Schwann die Keimhaut eines 8
Stunden der Brutwärme ausgesetzten Eies, so dass ihre äussere
Fläche den Rand bildet, so zeigte sich dieser Rand von äusserst
blassen durchsichtigen Zellen gebildet. Diese kommen von allen