Korn. Es sind in der That in der Nähe der Stadt fast
keine Spuren von Anbau zu sehn. — Auch die materiellen
Umstände des Amtmannes selbst schienen nicht eben von sehr
beneidenswerther Art zu sein und seine Gesichtszüge trugen
deutlich das Gepräge der Sorge und Unruhe. Die unmännliche
Schlaffheit und Gleichgültigkeit des Sserki von Kanö in
der Ergreifung von Maassregeln zur Erhaltung der Wohlhabenheit,
sowie der natürlichen Reichtliümer seiner Provinz ist
wahrhaft unglaublich und kann nur von einem Oberherrn wie
rAlTu geduldet werden, der an männlicher Rüstigkeit und
Herrscherkraft seinen Vasallen keineswegs übertrifft. Trotzdem
erfreute sich damals das Land noch einiger Ruhe und
äusseren Friedens; aber von dem Tage au, an welchem der
aufrührerische Flüchtling Bochäri Besitz von Chadedja nahm,
wie ich bald zu berichten Gelegenheit haben werde, lebten
die Bewohner des ganzen östlichen Theiles der Provinz Kanö
in steter Furcht, so dass im Jahre 1854 alle Ortschaften auf
dieser Strasse verlassen waren. —
Früh am nächsten Morgen beluden wir unsere Kameele
und verliessen die Stadt, um uns unserem neuen Reisegefährten
anzuschliessen; auch er hatte sich schon mit seinem
kleinen Trupp zum Marsche fertig gemacht. Seine Reisegesellschaft
bestand aus ihm selbst und seiner Ssirrla — Lieblingssklavin
—, beide zu Pferde, aus drei Dienerinnen zu Fuss
und sechs männlichen Begleitern; die Letzteren waren Eingeborene
des Landes und bildeten die Bedeckung einer gleichen
Anzahl von Lastochsen. Er selbst war ein stattlicher
Araber, ein kurzer, untersetzter Mann mit schönem Barte
und von feinen, ernsten Manieren, wie sie den wohlhabenden
Bewohnern des Gharb (Marokko) eigen sind; er war
nämlich aus Fass gebürtig, und obwohl in Wirklichkeit nicht
Scherif (freilich bezeichnet dieser Name im Negerlande jetzt
kaum etwas Besseres, als einen unverschämten, anmassenden
Bettler), so verdiente er doch in Folge seines feinen, wahrhaft
vornehmen Benehmens ein Edelmann genannt zu werden.
Sein eigentlicher Name war 'Abd el Chafif. Den eigen-
thümlichen Spitznamen „Köntsche” — „Herr Schlaf’ unter
dem er fast allein im Sudan bekannt war, hatten ihm
die witzigen, in Geist und Zunge stets gewandten Haussaua
wegen seiner übrigens ganz vernünftigen Gewohnheit beigelegt,
während des Rhamadän den ganzen Tag über zu schlafen
oder wenigstens zu schlafen vorzugeben, um ungestört
der Ruhe pflegen und so das Fasten leichter ertragen zu
können.
Unsere erste Begrüssung war ziemlich kalt, doch wurden
wir bald Freunde, und ich muss sagen, dass er ohne Ausnahme
der feinste Arabische Kaufmann war, welchen ich im
Negerlande getroffen. Obwohl er gegenwärtig nicht viele Waa-
ren von Werth bei sich hatte, war er doch ein wohlhabender
Mann und hatte enorme Forderungen an mehrere Statthalter
und Fürsten im Negerlande ausstehen. Obenan auf seiner
Schuldnerliste stand der wahrhaft fürstliche Muniöma
(„Herr von Münio”), der ihm nicht weniger als ungefähr 30
Millionen schuldete — Muscheln natürlich, aber doch eine gar
grosse Summe für die Verhältnisse dieses Landes und der ge-
sammten jährlichen Einnahme des Fürstenthums Münio gleichkommend.
Von der Ssirria des Köntsche, welche immer in achtungsvoller
Entfernung hinter ihm ritt, kann ich nichts sagen,
da sie vom Kopf b is, zur Zehe verschleiert war; darf aber
von ihren Dienerinnen, welche junge saubere, schöngebaute
Mädchen waren, auf die Herrin zurückgeschlossen werden, so
muss sie recht hübsch gewesen sein. Die männlichen Diener
meines neuen Freundes waren alle höchst charakteristisch
auf Landesart gekleidet; ausserdem waren sie mit Pfeil und
Bogen bewaffnet und Zauberkästchen, lederne Vorrathstaschen,
leichte vegetabilische Wasserflaschen und Trinkschalen
hingen in pittoreskester Verwirrung um Schulter und Hüften
umher. Unter ihnen aber war ein höchst bemerkens