564 XIV. Kapitel.
ten kleineren Arm, den Färo*), zu überschreiten. Dieser
Fluss soll, wie ich ihn auf meiner heimgesandten Karte niedergelegt
habe und wie ich in der Zusammenstellung der von
Eingeborenen verfolgten Reisestrassen näher begründen werde,
vom Berge Läbul, etwa 7 Tagemärsche im Süden, herkommen.
Er war augenblicklich bei seiner Ausmündung in den Hauptstrom
etwa 900 Schritt breit, aber im Allgemeinen nicht
über 2 Fuss tief. Dennoch hatten mir fast alle Leute, von
denen ich .die ersten Nachrichten über das Land eingesammelt,
angegeben, dass der Färo der grössere der beiden Flüsse
sei. Der Grund dieses allgemeinen Irrthums lag, wie ich
glaube, besonders in dem Umstande, dass diese Leute die
beiden Flüsse nicht an diesem Punkte sahen, wo man ihre
Wassermenge am besten mit einander vergleichen kann, sondern
dass die Meisten von ihnen den Färo bei Gürin kennen
lernten, wo er etwas später in der Jahreszeit eine gewaltige
Breite zu erreichen scheint, besonders wenn sie ihn von Bün-
dang aus passirten; dann aber bin ich der Meinung, dass sie
sich vielleicht durch die Länge des Färo bestimmen Hessen, mit
dessen oberem Laufe sie bekannt waren, während ihnen der
obere Lauf des Benue gänzlich unbekannt geblieben war.
Wie dem immer sein mag, der Strom des Färo war reissend,
ein aus bergiger Landschaft kommendes Gewässer verkündend,
ungleich reissender, als das Wasser des Haupt-
stromes: Augenblicklich aber war er bei der geringen Tiefe
nicht gefährHch, und um der gewaltigsten Strömung auszuweichen
, hielten wir uns an einer kleinen Insel entlang, die
jedoch jetzt noch trockenen Fusses vom Festlande aus erreicht
werden konnte.
*) Ich hörte diesen Namen nicht ein einziges Mal Päro (mit p) aussprechen,
aber weiter abwärts mag das der Fall sein; denn es werden, wie ich
wiederholt zu bemerken Gelegenheit gehabt habe, p und f (oder vielmehr ph)
in den Sprachen des Sudans fortwährend mit einander verwechselt, ebenso wie
r und l, dh und l und r.
Höhe und Dauer der Überschwemmung. 565.
Nun betraten wir flaches Wiesenland, von hohem Rohrgras
überwachsen, das einen Monat später gänzHch überschwemmt
ist, indem das Wasser allmählich eine -solche
Höhe erreicht, dass nur die Kronen der höchsten Bäume
aus ihm hervorragen, wie ganz deutlich Spuren des höchsten
Wasserstandes zu erkennen gaben, der das augen-
blickMche Niveau des Flusses um 50 Fuss übertraf. Denn
natürlicherweise erreicht die Überschwemmung nicht stets
dieselbe Höhe, sondern ist je nach der grösseren oder geringeren
Menge des Regenfalles verschieden. Die Angaben meiner
Gefährten, sowie die augenscheinHch dem Boden eingedrückten
Spuren Hessen nicht den geringsten Zweifel über
das wenigstens gelegentlich so hohe Steigen des Flusspaares
übrig*).
1-| Meilen von dem gegenwärtigen Rande des Flusses, nahe
an einem grossen, schönen Tamarindenbaum, erstiegen wir
sein äusseres Ufer, das sich zu einer Höhe von mehr als 30
Fuss erhob. Der Rand dieses äusseren Ufers wird von der
ungeheueren Überschwemmung nicht allein gewöhnHch erreicht,
sondern selbst zuweilen Überflossen, so dass die Leute,
welche den Fluss während seiner grössten Höhe passiren,
erst hier die Kähne verlassen und doch noch ihren Weg
durch tiefes Wasser zu nehmen haben, das selbst dieses
höchste Niveau des Ufers bedeckt.
Meine Reisegefährten aus Adamaua erklärten sich fast
einstimmig darüber, dass die Gewässer des Flusses ihren
höchsten Stand 40 Tage lang bewahrten. Man könnte
*) Dieses gewaltige Steigen des Flusses entspricht vollkommen der Erfahrung
der Herren Laird und Oldfield, welche durch wirkliche Messung die V er-
schiedenheit des Niveau’s des Flusses bei Idda. im Laufe eines Jahres beinahe
zu 60 oder genauer 57- bis 60 Fuss fanden (Laird and Oldfield's Journal,
vol. II. p. 276 und p 420, Note).— Ganz dieselbe Bemerkung hat Dr. Living-
stone beim Laufe des Barotse oder des Flusses von Sescheke gemacht, wo er
das Steigen des Flusses in allgemeinen Ausdrücken auf 60 Fuss angibt. Ich
sage also das Wenigste, wenn ich 50 Fuss angebe.