sen war, da wir mit Sicherheit erwartet hatten, dass er
Herrn Richardson dahin begleitet habe, sondern dass er die
Zeit nur in Täghelel zugebracht, woher er denn auch eben
kam. Dies bestätigte mich nur noch mehr in meinem Glauben,
dass Lü-ssu, der andere Kel-owi-Häuptling, der gerade in
Sinder sich aufhielt, bei der Sendung der Börnu-Reiter seine
Hand im Spiele hatte. Annür hatte noch nicht den aus Sinder
an ihn gerichteten Brief empfangen und wusste daher noch
gar nichts davon; er sagte kein Wort dazu, sondern drückte
nur sein Erstaunen darüber aus.
Da ich sah, dass unser alter Freund bei übler Laune war,
machte ich mich bald auf und trieb mich mit Gadjere auf
dem Gute umher. Die Domäne hat eine ziemliche Ausdehnung
und umfasst eine grosse Menge Hütten, die auf dem
Ackerland zerstreut sind, während einzelne Dümpalmen dem
Ganzen einen eigenthümlichen Charakter verleihen. Die Bewohner
der Ortschaft, alle Angehörige und grösstentheils Sklaven
Annür’s, schienen, so weit ich aus den verschiedenen Hütten,
in welche mich mein Begleiter einführte, abnehmen konnte,
in ziemlich wohlhabenden und behaglichen Umständen zu leben.
In der That muss jeder Yorurtheilsfreie, wie sehr er auch
der Sklaverei abhold sein mag, eingestehen, dass die Tuareg
im Allgemeinen und besonders die Kel-owi ihre Sklaven nicht
allem menschlich, sondern sogar mit der grössten Schonung
und Freundlichkeit behandeln und sie ihre Knechtschaft kaum
fühlen lassen. Es gibt natürlicherweise Ausnahmen, wie die
Grausamkeit, Sklaven an den Pflug zu schirren und sie mit der
Peitsche anzutreiben, beweist, wie ich das im Thale Aüderas
im Lande Asben gesehn, eine grausame Behandlung, die kaum
in einem der Christlichen Sklavenstaaten überboten wird;
solche Ausnahmen aber sind nur selten. Auch scheinen die
Tuareg mehr als irgend eine andere Nation darauf bedacht zu
sein, für die Fortpflanzung ihrer Haussklaven unter sich zu
sorgen, während im eigentlichen Sudan gerade der Mangel
einer solchen Fortpflanzung die verderblichen Folgen der häuslichen
Sklaverei so unendlich vergrössert. Es war noch ein
anderer Gedankengang, welcher mich bei diesem Umherstreifen
durch diese an der Grenze von Haussa gelegene Berber-
Herrschaft beschäftigte; ich will indess hier nicht darauf ein-
gehen, da ich im Verlauf meiner Reisen eine bessere Gelegenheit
haben werde, diesen Gegenstand mit allen seinen wichtigen
Folgerungen dem Leser vorzuführen; ich meine nämlich
das fortwährende Vordringen des Berber-Elementes in das
Herz des Sudan.
Als ich von meiner Streiferei nach dem Herrengehöft zurückkehrte,
traf ich Herrn Overweg, der gleichfalls aus der
Stadt gekommen war. Der alte Häuptling hatte indess den
Brief erhalten, und obwohl weder er, noch irgend einer seiner
Leute lesen konnte, war ihm doch der Inhalt ganz bekannt;
er missbilligte ihn entschieden und bedeutete uns, zu handeln,
wie wir selbst es für das Beste hielten. Ich kehrte
darauf mit meinem Landsmann nach der Stadt zurück und
blieb noch einige Zeit bei ihm. Gerade vor seiner Wohnung
war die Natronkarawane Al Wäli’s gelagert, die in wenigen
Tagen nach Nüpe oder, wie die Haussa-Leute denNamen aussprechen,
Nyffi abgehn sollte. Diesen wichtigen Handel, der
zwischen den Ufern des Tsäd und Nyffi betrieben wird, werden
wir wiederholt zu bemerken Gelegenheit haben.
Ungefähr um 5 Uhr verliess ich die Stadt, und da ich
wohl vorbereitet auf ein gutes Abendessen bei unserem Lager
in Gosenäkko ankam, fragte ich, den gewöhnlichen Gruss
„inä labäri” , „was für Neuigkeiten?” paraphrasirend, zur
grossen Erheiterung unserer Nachbarn sogleich beim Absteigen
nach den Neuigkeiten des Kochtopfes: „inä labäri-n-to-
konia”. Nichts wird den einzelnen Reisenden in diesen Gegenden
besser schützen, als ein gemüthliches Eingehn in
die Sitten der Eingeborenen.
Ich war mit meinem heutigen Ausflug sehr zufrieden.