II. KAPITEL.
Haussa. Geschichte und Beschreibung von Katsena. Eintritt in Kanö.
Um die ältere Geschichte Katsena’s zu verstehen, ist es
nöthig, einige Worte über das ganze Haussa-Land vorauszuschicken.
Der Name „Haussa” war, wie es scheint, dem sogenannten
Leo Africanus unbekannt, sonst würde er, anstatt von den Bewohnern
von Saria, Kätsena und Kano zu sagen, dass sie die
Göber-Sprache*) redeten, berichtet haben, dass ihr Idiom die
Haussa-Sprache sei. Aber wir haben durchaus nicht das Recht,
aus diesem Ühergangensein des Namens „Haussa” hei Leo zu
schliessen, dass der Gebrauch, nicht allein die gemeinsame
Sprache dieser und der benachbarten Provinzen, sondern
auch den Verband der Länder seihst mit diesem Namen zu
bezeichnen, jünger als. die Zeit Leo’s sei. Im Gegentheil
halte ich dies für eine höchst unwahrscheinliche Annahme.
Bei den dürftigen Nachrichten, welche wir besitzen, sind wir
allerdings nicht im Stande, genau zu bestimmen, wann die
Haussa-Nation — wenn ich den Ausdruck „Nation” für unaus-
gebildete Völkerverhältnisse, wie diejenigen Binnen-Afrika’s
sind, anzuwenden mir erlauben darf — sich als eine abgeschlossene
Gruppe gebildet habe,- jedoch scheint es klar, dass
*) Leo I, c. 12. Wenn er sagt, dass* die Einwohner von Wängara-Guangra
dieselbe Sprache redeten, so ist er in demselben Irrthum, als wenn er sagt,
dass das Voll von Melle die Sonrhay-Sprache spreche.
der charakteristische Bestandtheil derselben, das eigentliche
Haussa-Element, nicht alt-einheimisch war, sondern erst in
verhältnissmässig später Zeit in das Land einwanderte. Von
einem der Staaten der Haussa-Union wenigstens, und zwar
vom allerbedeutendsten und edelsten yrf ich meine Göber —
wissen wir .bestimmt, dass er in alten Zeiten einen weit
nördlicheren Landstrich inne hatte*). Ebenso hat man mich
versichert, dass auch der Name „Haussa” selbst vom Norden
gekommen sei, und der Charakter der Sprache bestätigt, wie
wir an einer anderen Stelle nachgewiesen haben, auf’s Entschiedenste
die Annahme, dass das ursprüngliche Haussa-Volk
aus jener Gegend kam. Ob dieser Name ursprünglich eine
ähnliche Bedeutung hat, wie die Benennung „Aussa”, die, wie
wir sehn werden, für das Land diesseits (d. i. nördlich) vom
grossen Flusse, zur Unterscheidung von „Gurma”, das Land
an der Südseite, von den westlichen Tuareg sowohl als von
den Bewohnern Timbuktu’s gebraucht wird, bin ich nicht im
Stande zu sagen.
Sultan Bello’s Angabe, dass das Haussa-Volk einem Börnu-
Sklaven entsprossen sei, verdient meiner Ansicht nach nur
sehr wenig Glauben. Es scheint mir in der That, dass er aus
blosser Verachtung der verweichlichten Sitten des Haussa-
Volkes diese ■ Äusserung sich erlaubt habe. Die Haussa-
Sprache, obwohl sie einige Wörter mit dem Kanöri gemein
hat**), ist unverkennbar von diesem durch eine Periode ger
schieden, welche wenigstens über die Gründung des Bornu-
*) S. Band I, S. 244 ff.
**) Zu diesen verhältnissmässig wenigen Wörtern gehört augenscheinlich
das Negativum ,,bägo” , das, dem Kanöri ursprünglich ganz fremd, ans dem
Haussa-Wort „bäbo” entstanden und selbst in die Präsensform des Verbums
aufgenommen ist. Die ursprüngliche Konjugation, selbst die Negativform eingeschlossen,
ist so grundverschieden in ihrem ganzen System, dass diese Einschiebung
augenscheinlich erst späteren Ursprungs ist, obgleich von diesem
,,bago” ein Verbum „bagöngin” gebildet ist.