10 I. Kapitel.
tersten Art. Das gesetzte, ernste Wesen meines wohlbeleibten
energischen Begleiters imponirte selbst dem frivolen Tunesier
Mohammed, welcher sich in diesen Tagen weit besser
betrug, als sonst seine Gewohnheit war. Gadjere erzählte
uns, dass die westliche direkte Strasse von hier nach Te-
ssaua über das Dorf Gärari ginge, ferner hei dem Teiche
Urafa, dem Brunnen Djiga und hei Bimi-n-Täsin vorheiführe;
wir dagegen würden der östlichen Strasse folgen. Unweit
unseres Lagers, im Osten, war ein grösser Teich Namens
Täghelel; denn „tägelel” oder „täghelel” ist ein sehr allgemeiner
Ortsname, der seinen Ursprung wahrscheinlich in dem Namen
eines Baumes hat, den ich an den Ufern des sogenannten
Niger öfters erwähnen werde.
[Montag, 13*>m Januar.] Am Morgen, als wir uns zum
Aufbruch rüsteten, hatten sich mehrere Kameele verloren, wie
dies hei der Beschaffenheit des Lagerplatzes kaum anders sein
konnte, da er mit Baum und Busch auf das Dichteste durchwachsen
war. Bald aber zeigte ein wilder, schriller Ruf, der,
von Trupp zu Trupp gehend, den tollsten, dämonischsten
Lärm erzeugte, uns an, dass die Thiere gefunden seien, imd
eine höchst lebensvolle, interessante Scene entwickelte sich,
als die zahlreichen Abtheilungen der Salzkarawane, überall
im Walde zerstreut, auf dem engen Raume, der jeder zu
Theil geworden war, anfmgen, die Kameele zu beladen. Der
Himmel war mit dicken Wolken bedeckt und die Sonne brach
erst durch, als wir 3 oder 4 Meilen zurückgelegt hatten.
Hier passirten wir einen prachtvollen Tamarindenbaum —
,,tsamial|fb-i Es war, so viel ich mich erinnere, das erste ganz
ausgewachsene Exemplar dieses schönen, majestätischen Baumes,
das mir vorgekommen war; denn die Bäume in Täghelel
waren unansehnliche, verschrumpfte Zwerge. In derThat, wenn
man diesen Baum sieht, der eine dichte, schön abgerundete
Laubmasse, oft von 80 Fuss Durchmesser, bildet, die sich fast
in gleichmässiger Linie bis wenige Fuss über den Boden herab-
Teicli Tághelel; der Tamarinden- und Tulpenbaum; Baumwollenfelder. 11
senkt, so kann man sagen, dass man die Kühle seines Schattens
fühlt. Nichts ist wunderbarer in dieser heissen Zone, als der
Gegensatz dieses köstlichen, von der Natur ausgespannten
Ruhezeltes gegen die heisse Gluth rings umher.
Nachdem wir ein wenig abwärts gestiegen, Hessen wir um
11 .Uhr einen kleinen Weiler oder ein Landbaudorf Namens
„Kauye-n-Ssälach” zur Seite. Kurz nachher bemerkte ich den
ersten Tulpenbaum; er war eben in voller Blüthe imd die Blume
in der herrhchsten Farbenpracht, während nicht ein einziges
Blatt den Baum schmückte. Es war, so viel ich glaube, der
erste Baum dieser Art, dem wir begegnet waren, obwohl Overweg,
dessen Aufmerksamkeit ich darauf lenkte, behauptete, er
habe schon am gestrigen Tage einzelne Exemplare gesehn.
Es ist möglich, doch zweifle ich, dass sie meinem Auge ganz
entgangen sein soUten, da ich, obwohl unglücklicherweise in
der technischen Wissenschaft der Botanik wenig bewandert,
doch stets grosse Aufmerksamkeit darauf wendete, das jedesmalige
Erscheinen, einer neuen Pflanze genau zu beachten.
Um 4 Uhr Nachmittags bemerkte ich die ersten Baumwollenfelder;
überaus erfreuUch unterbrachen sie die Einförmigkeit
der Kornfelder und verHehen der Gegend einen
heiteren Schmuck. Sie eröffneten einen ganz neuen BHck
in die Industrie der Eingeborenen; denn vom blossen Erzeugen
der zum Lebensunterhalt unumgängHch nöthigen Nahrung
bis zur Anpflanzung von Bäumwolle ist ein weiter
Schritt. Dabei sind Baumwollenfelder in der That der grösste
und dauerndste Schmuck einer Landschaft in diesen Gegenden,
da die Stauden fast jederzeit Blätter haben und einige
stets im Zustande der Reife, andere in der Blüthe sind. Es
ist indess hier eine Seltenheit, dass man ein Feld ausgewachsener
BaumwoHenstauden antrifft, das wohlgehalten und
gepflegt wäre; gewöhnbch lässt man die Pflanzen im wilden
Zustande und alle Arten Unkrauts durchwachsen die Pflanzung.
Nur junge Anpflanzungen sind gemeinigHch mit Sorg