Erfindungsgabe des Europäers geschaffen, diesen Strom bis
in geringe Entfernung von dem Punkte, wo ich ihn überschritten,
heraufkommen würde.
Auf der nördlichen Seite des Flusses erhob sich ein anderer
isolirter Berg, Namens Taife, und hinter ihm der Bengo,
an den die Höhe des Füro sich anzuschliessen schien und
in langer Linie nach Nordwest hinzog. Das Ufer, auf dem
wir standen, war ganz nackt von Bäumen, mit der einzigen
Ausnahme einer vereinzelten und sehr armseligen Akazie,
etwa 100. Schritte weiter am Flusse aufwärts. Auf dem gegenüberliegenden
Ufer aber, längs des Färo und unterhalb
der Verbindung der beiden Flüsse, waren einige schöne
Gruppen Bäume in schwachen Umrissen zu sehn.
Lange schaute ich in stillem Entzücken auf den Fluss; es
war einer der glücklichsten Augenblicke meines. Lebens. Am
Ufer eines grossen schiffbaren Stromes geboren, in einem
Handelsplätze von rüstiger Energie und Lebenskraft, hatte
ich von meiner Kindheit an eine lebendige Vorliebe für
Fluss-Scenerie, und obwohl manche Jahre meines Lebens
in zu ausschliessliches Studium des Alterthums versenkt,
hatte ich nie diesen angeborenen Trieb verloren, und sobald
ich das väterliche Haus verliess und unabhängiger Herr
meiner Handlungen wurde, fing ich an, Reisen mit dem Studium
zu vereinen und auf Reisen zu studiren, wo es denn mein
grösstes Behagen war, fliessende Gewässer von ihren Quellen
herab zu verfolgen, um zu sehn, wie sie zu Bächen anschwellen
, den Bächen zu folgen und ihr Anschwellen zu
Flüssen wahrzunehmen, bis sie zuletzt im Ocean verschwinden.
So war es, als ich nach meiner Wanderung durch die Gestadeländer
des Mittelmeeres die abenteuerliche Laufbahn
betrat, auf der ich damals begriffen war, der Gegenstand
meines lebendigsten Strebens gewesen, Licht auf die natürlichen
Lebensadern und das hydrographische Netz der unbekannten
Gegenden Central-Afrika’s zu werfen. Der grosse
Identität des Benue und Tschadda. 595
östliche Arm des Niger nahm vor Allem meine Aufmerksamkeit
in Anspruch. Lange Zeit war ich in gänzlicher Ungewissheit
gewesen, ob der Fluss, von wechlem mir die Reisenden
in Adamaua erzählten, die obere Fortsetzung des
von den Herren William Allen, Laird und Oldfield in seinem
unteren Laufe niedergelegten Flusses sei*). Später, in Folge
der deutlichen Angaben, die ich von meinem Freunde Ahmedu
Bel Medjüb erhalten, hatte ich diesen Punkt wenigstens
schon im Geiste entschieden; nun aber konnte ich selbst als
Augenzeuge über Richtung und Natur dieses grossen Binnenwassers
sprechen. Da war also die feste Hoffnung begründet,
dass längs dieser Naturstrasse Europäischer Handel
und Einfluss in das Innere dieses Kontinentes eindringen und
die auf den Unterschied der Religion wenigstens äusserlich begründeten
Sklavenjagden verdrängen werde, welche die natürlichen,
selbst im einfachen Leben der Heiden entwickelten
Keime menschlicher Glückseligkeit zerstören und Wüstenei
und Wildniss rund umher verbreiten. Diese Sklavenjagden
bilden entschieden die ungünstigste Seite der Sklaverei und
sind ungleich schlimmer, als die friedliche Ausfuhr in ferne
Länder; denn sie zerstören die wahren Keime des Wachsthumes
und schlagen den Baum der Volksstämme an der Wurzel um.
Wir stiegen vom höheren Ufer an das sandige Vorufer
zum Punkte der Einschiffung hinab. In dieser Jahreszeit
ändert sich diese Stätte jede Woche oder selbst öfter, und
sie befand sich augenblicklich an der Mündung eines tief
eingerissenen jetzt trockenen Wasserlaufes, der von den
*) Ich bezweifle, dass dieser Fluss überhaupt irgendwo wirklich Tschadda
oder Tsadda genannt wird, und ich wundere mich, dass die Beschiffer der
„Plejade” nicht ein Wort darüber gesagt haben. Ich nehme an, dass Tschadda
oder vielmehr Tsadda ein blosses Versehen der Gebrüder Lander ist, hervorgerufen
durch ihre vorgefasste Meinung, derselbe sei ein Ausfluss des Tsäd.
Denn Tsäd, wahrscheinlich eine andere Form für „ssarhe” , gehört dem K6-
toko- oder Mäkari-Idiom an, aber, so viel ich weiss, keiner der Sprachen am
unteren Benue.