III. Kapitel.
116
pfehlung hin auch zu unserem Geschäftsführer bestellt hatten,
ein armer Mann war und, wenngleich nicht gerade unredlich,
doch keineswegs vollkommenes Vertrauen verdiente.
Bauü — offenbar so benannt nach dem vermeintlichen Ahnen
des Haussa-Volkes — ist der zweite Sohn Hadj Hat Ssäle’s,
eines aus Captain Clapperton’s Reisebeschreibung bekannten
Mannes, der gegen letzteren im Ganzen mit Ehrlichkeit und
Uneigennützigkeit gehandelt zu haben scheint; dies war wahrscheinlich
der Gesichtspunkt, von dem aus der Sohn sich
Herrn Gagliuffi empfohlen hatte. Bauü jedoch war keineswegs
der rechte Mann, um ihn nach Gutdünken und mit unbeschränkter
Vollmacht mit dem Eigenthum eines fremden
Kaufmannes, der in grösser Entfernung lebt und überdies anderer
Religion ist, schalten und walten zu lassen, oder ihn zum
Geschäftsführer eines Europäischen Reisenden zu machen. Jung
und ehrgeizig, wie er war, hatte er keinen anderen Zweck, als
seinen Herzenswünschen nachzugehn und sich hei dem Reichs-
.verweser in Gunst zu setzen, wäre es auch auf Kosten derer,
die thöricht genug gewesen waren, sich seinen Händen
anzuvertrauen. Ausserdem hatte er eine grosse Anzahl jüngerer
Brüder auf seinen Schultern, die alle ernährt sein
wollten, ohne durch eigene Energie für anständigen Unterhalt
zu sorgen. Denn allerdings scheint es, als oh Hadj Hat
Ssäle, obwohl er ein angesehener Mann gewesen sein muss,
nicht eben grosse Sorgfalt auf die Erziehung seiner Kinder
verwendet habe. — Mag der Leser mir verzeihen, dass ich so
lange hei diesen Verhältnissen mich aufhalte; aber um gerecht
gegen die Leistungen eines Reisenden zu sein, muss man
seine materiellen Verhältnisse wohl erwägen. Wenn ein Solcher
trotz aller Gefahren und Nöthen das Glück gehabt
hat, mit dem Lehen davonzukommen, ist man daheim gar
zu leicht geneigt, alle die ungeheueren Schwierigkeiten zu vergessen,
mit denen er unaufhörlich im Kampfe gelegen hat,
und man macht allerlei Anforderungen an ihn, die unter seinen
Verhältnissen ganz absurd sind. Man wird mir kaum Glauben
schenken, wenn ich versichere, dass eben dieser mein Geschäftsführer,
obwohl er zwei Kameelladungen mir gehörender
Waaren in seinen Händen hatte, mich ohne eine einzige Muschel
— „ko uri gudä” — liess und ich froh war, von Mohammed
e’ Ssfaksi, unserem Begleiter von Mursuk hei’, der schon
vor längerer Zeit hier angekommen war, 2000 Muscheln
— weniger als ein Osterr. Thaler — leihen zu können, um die
nöthigsten Ausgaben für meinen Haushalt damit zu bestreiten.
Während ich so in überaus gedrückten Umständen, von
meinen Gläubigem verfolgt, von meinem Diener verspottet,
in meiner unerfreulichen Behausung mit meinem rastlos vorwärts
strebenden Unternehmungsgeist rang, erklärte mein
junger Wirth, der oft mit seinem Tross hungriger Gefährten
mich zu besuchen kam, dass es unumgänglich nöthig sei,
nicht allein dem Statthalter — „sserki” — selbst, worauf
ich ganz vorbereitet war, sondern auch dem GhaladTma,
seinem ersten Minister, ein ansehnliches und dem für den
Ersteren fast gleiches Geschenk zu machen. Allerdings waren
die Umstände zu der Zeit in Kanö eigenthümlicher Art. Der
Ghaladlma war nämlich der Bruder des Sserki und genoss
wenigstens gleiches Ansehen und gleichen Einfluss, wenn nicht
noch grösseren *). So war ich denn genöthigt, die wenigen
werthvollen Sachen, welche mir gebliehen, nur dafür hinzugeben,
dass ich überhaupt geduldet und beschützt wurde.
Aber zu allen diesen unerfreulichen Verhältnissen kam noch
ein ganz besonderer Umstand hinzu. Meiner äussersten Ar-
muth mir nur zu wohl bewusst,' hatte ich absichtlich die Stadt
wo möglich ohne das geringste Aufsehen betreten, um nicht
die Ansprüche der Regierungsbeamten zu steigern. Nun aber
hatte der Statthalter am zweiten Tage nach meiner Ankunft
von Herrn Richardson die bestimmte Botschaft erhalten, dass
*) Ich werde später auf diese Verhältnisse zurückkommen.