V. KAPITEL.
D a s e i g e n t l i c h e , B o r n u.
[Sonnabend, 22sten Märzi] Der Ghaladima hatte mir versprochen,
schon am gestrigen Abend einen Reiter zu senden,
da ich früh am Morgen auf brechen wollte. Nachdem wir
aber die ganze Nacht hindurch vergeblich gewartet hatten,
hielt ich es für besser, nicht noch mehr Zeit zu verlieren,
sondern mich auf meine eigene Energie und mein eigenes
Glück zu verlassen. Ich verliess demnach die Stadt in aller
Ruhe durch das Nordthor, während die Bewohner nach dem
gestrigen lustigen Abend noch in tiefem Schlafe lagen. Ich
folgte der grossen Strasse, die uns durch lichten Wald führte,
der mitunter von kleinen angebauten Stellen unterbrochen war.
Hier begegneten wir mehreren Reisegesellschaften, zuerst von
ziemlich kriegerischem Aussehn — Reiter und Fussgänger bewaffnet
» , dann aber einer gemischten Gesellschaft Natrom
händler mit Kameelen, Ochsen, Pferden, Eseln, alle mit jener
werthvollen Waare beladen. Als wir endlich den-Wald hinter
uns hatten, betraten wir einen weiten Strich angebauten Landes
mit sandigem Boden und fast ohne einen einzigen Baum. Er
war jetzt, da die Regenzeit noch nicht eingetreten, noch mit der
Asklepiadee bedeckt; denn dieses eigenthümliche und gewaltige
Unkraut des Negerlandes wird jedes Jahr beim Anfang der
Feldarbeit ausgerottet und wächst doch während der trockenen
Jahreszeit wieder zu einer Höhe von 10 bis 12 Fuss empor,
ja, einzelne Pflanzen erreichen selbst die Höhe von 20Fuss. Wir
sahen dann eine höchst interessante, lebensvolle Scene aus
dem Leben der Eingeborenen dieses Landes in dem offenen,
betriebsamen und weit sich ausbreitenden Dorfe Kalimari
oder Kalemri; auf dem freien Platze nämlich, der die Dorfschaft
in zwei gesonderte Gruppen theilt, wurden soeben zahlreiche
Heerden wohlgenährten Rindviehs am Brunnen getränkt,
was das Bild der Wohlhäbigkeit um ein Bedeutendes erhöhte.
Aber ach, wie betrübend war die Erinnerung an diese
lebhafte, geschäftige Scene, welche ich jetzt sah, als ich
Jahre später dieselbe Landschaft durchreiste! Das Dorf, das
so viel freudiges Leben und Wohlhabenheit gezeigt, war ganz
verschwunden und eine unsichere, verheerte Wildniss hatte
die freundliche Wohnstätte des Menschen verdrängt!
Wie einladend auch das Dorf zu einem Halte während der
heissen Stunden des Tages war, so lag uns doch, als gewissenhaften
und erfahrenen Reisenden, das Wohl unserer
armen Thiere, welche uns und unsere kleine Habe fortschafften,
mehr am Herzen, als unsere eigenen Neigungen. Wir
tränkten daher das Pferd, füllten einen Schlauch mit Wasser
und setzten nun unseren Marsch eine Weile fort, bis wir eine
Stelle mit reichem Graswuchse erreichten, und lagerten hier,
obgleich wir kaum einen kleinen von dem unerträglichen
Stachelsamen, dem' Pennisetum distichum, freien Raum zu finden
im Stande waren. Übrigens ist diese nahrhafte Graminee,
die den Bornu-Pferden zum Hauptbedürfniss ihres Gedeihens
wird, den Pferden des Westens fast ebenso unerträglich wie
den Menschen, wenigstens zum Essen, und manches Thier
würde eher Hungers sterben, als diese Stachelpflanze anrühren.
Bald nachdem wir am Nachmittag wieder aufgebrochen,
fing die Gegend an, eine grössere Abwechselung von Gebüsch®
und Bäumen zu zeigen, und nachdem wir 1 oder 2 Stunden
gezogen waren, erreichten wir das mit einer dornigen
Einzäunung umgebene Dorf Darmägua und lagerten hier
unweit einer anderen kleinen Reisegesellschaft. Bald gesellte