vom Ufer herab meine Blicke über die Flusslandschaft
schweifen liess.- Yon stummem Entzücken ergriffen, schaute
ich sprachlos in das reiche Land hinein. Wie die Natur es
geschaffen, ohne von der künstelnden Hand des Menschen
berührt zu sein, lag diese reiche Landschaft da, ein Feld der
Thätigkeit kommender Geschlechter. Das ganze Land trug
den Charakter wüster Wildniss, und kaum war das anders
möglich in einer Gegend, die alljährlich durch die Fluthen
des hoch über seine Ufer tretenden. Stromes auf eine weite
Strecke unter Wasser gesetzt wird. So müssen im Allgemeinen
die nächsten Ufer grösser Gewässer in tropischen
Gegenden stets ein ödes Ansehen haben; sie erscheinen als
weite wüste, grasreiche Savannen, und können, ausser in
Zuständen der höchsten menschlichen Industrie1:, eben kein
liebliches Bild, wie es nur durch des Menschen Hand geschaffen
wird, gewähren. Natürlich ist das anders in Gegenden,
wo ein Fluss von hohen, allmählich ansteigenden
Ufern eingeschlossen wird, wie in vielen Strecken des unteren
Laufes des Kuära.
Der Hauptstrom, der Be-nue oder Be-noe *), floss hier
von Ost nach West, in majestätischer Breite, durch ein
vollkommen offenes Land, aus dem nur hie und da vereinzelte
Berghöhen aufstiegen. Die gegenwärtigen Ufer
auf unserer Seite stiegen bis 25 und an einigen Stellen
*) Ich. hörte den Namen auf diese Weise aussprechen, aber weiter abwärts
mag er „bi-nue” ausgesprochen werden. Jedoch muss ich bemerken, dass
Herr Dr. Petermann blos aus Versehen auf meiner früheren, von der Reise
heimgesandten Karte das e in diesem Namen in i verwandelt hat'¿ und ich
weiss nicht, ob die Mitglieder der Benue-Expedition einen gewichtigen Grund
hatten, den Namen mit i zu schreiben. Auf der von der Admiralität veröffentlichten
Karte erscheinen beide Formen neben einander. Das Wort gehört
der Battä-Sprache an, in welcher „bee” oder „be” „Wasser” bedeutet, aber in
verwandten Dialekten wird es „bi” genannt,— „Nue” bedeutet „Mutter” und
der ganze Name Be-nue demnach „Mutter der Gewässer”. Der Name ist daher
eigentlich weiblich und man sollte die Be-nue sagen; das möchte jedoch
leicht afFektirt scheinen oder auch Missverständnisse verursachen.
bis 30 Fuss in die Höhe, während gerade meinem Standpunkte
gegenüber, hinter einer Sandspitze, der Färo hervorstürzte
und, von hier gesehn, nicht viel kleiner schien, als
der Hauptfluss selbst, wie er in schön gewundenem Laufe
von Südosten kam, wo er sich in der Ebene verlor, aber in
Gedanken von mir bis an den steilen östlichen Fuss des
Alantika verfolgt wurde. Der so gebildete Doppelstrom
hielt sich unterhalb des Zusammenflusses in der Hauptrichtung
des grösseren Flusses, machte aber eine leichte
Biegung nach Norden und floss am nördlichen Fusse des
Berges Bágele entlang.
Hier war er dem leiblichen Auge verloren, indem der
Horizont von mehreren Berghöhen begrenzt wurde, die das
nördliche Ufer hier abdämmen; das geistige Auge aber verfolgte
den Lauf des schönen Stromes durch die Gebirgslandschaft
der Bátsehama und Slna nach Hamärruä und von
dort längs der Ufer des über seine Nachbarn durch einstige
politische Bedeutung und einen gewissen Grad von Industrie
hervorragenden Korórofa, bis er den grossen westlichen Fluss
erreichte, den von den ältesten Sitzen der Mandingo’s oder
Wánkore (Wángara) aus, nur wenige hundert Meilen nördlich
von der Küste von Guinea, in weitgeschwungenem, bogenförmigem
Laufe mit einer Länge von mehr als 2000 Meilen
an so vielen Stätten lebendigen Handelsverkehres vorüber-
fliessenden Djolibä, I-s sa oder Kuära, mit dem vereint er
dem Alles verschlingenden Öcean zueilt. Eine neue Welt
lag vor mir, voll von anregenden Bildern der vielfältigen
Schöpfung und den wunderbaren Schicksalen der in so man-
nichfaltigen Geschlechtern über ihre Gefilde zerstreuten
Menschheit.
Eine grosse Bahn lag hier offen, ein Eingangsthor für die
rüstigen, Alles überwältigenden Kräfte des' Nordens; aber
selbst mit der lebendigsten Hoffnung konnte ich damals
nicht voraussehn, wie bald ein Schiff, so wie es die jüngste