einen Baum beobachtete, den ich mich nicht erinnerte schon
gesehn zu haben. Er war von mittlerer Grösse, mit lichtem
schmalblätterigen Laube von hellgrüner Farbe; auf Kanöri
heisst er „kamändu”, auf Haussa „böschi”. Die Gegend bot
jedoch nicht eine einzige Spur menschlicher Wohnstätten dar,
weder aus vergangener , noch aus gegenwärtiger Zeit. Auf
unserer Rechten sollte kein Dorf näher sein als Dischik, jn
einer Entfernung von Tagereisen, und selbst das ist jetzt
von seinen Einwohnern verlassen.
Endlich machte der düstere, melancholische Zwergwald Gruppen
grösser, schöner Bäume Platz, und zwar solcher Art, wie
sie gemeiniglich die Nachbarschaft eines Sitzes menschlicher
Gewerbthätigkeit anzuzeigen pflegen, und bald darauf traten
wir hinaus auf wunderbar schönes, grünes Wiesenland, das sich
bis an den Fuss der Wandala-Berge ausdehnte, deren schön
gestalteter, malerisch ausgezackter Höhenkamm sich in seiner
ganzen Länge von Nord nach Süd vor dei^ Augen des überraschten
Wanderers enthüllte.
Es war einer der interessantesten und belohnendsten Augen-
blicke meiner ganzen Reise, dessen Eindruck noch jetzt tief
in meine Seele geprägt ist. Rings vom dunkelen Wälde umgeben,
eröffnete sich ein freier, ganz offener Wiesenteppich
im frischesten Grün, nach Osten von dem lebendigen Saum
der Berge abgeschlossen, deren schwärzliche Färbung malerisch
gegen das frische Grün abstach; dazu der ganz reine
Himmel in warmer Afrikanischer Mittagsgluth und die man-
nichfaltige Färbung des Laubrandes ringsumher. Leider waren
wir unserem Quartiere nahe und die Gefährten trieben
an; ich hoffte dort einen leichten Umriss dieser reizenden
Gegend aufnehmen zu können, aber der Horizont war da beschränkt
und das schöne Bild vorübergezogen.
Es war 1 Uhr Nachmittags, als wir die ersten Hüttengruppen
erreichten. Sie gehörten zum Dorfe oder vielmehr
Gaue I'ssge oder I'ssege, der weit über die Ebene sich ausbreitete,
während Pferde und Schaafe auf dem dazwischenliegenden
Graslande weideten und Weiber die Felder bebauten.
Gleich der erste Blick auf diese Landschaft machte
auf mich den Eindruck, dass ich endlich eine Wohnstätte
der ursprünglichen Einwohner erreicht habe, die, obgleich sie
allem Anschein nach den Druck ihrer übermüthigen und
schonungslosen Nachbarn gefühlt hätten, doch noch nicht
unter ihren Händen völlig ausgesogen wären.
Kräftige, hohe männliche Gestalten, die Lenden mit einem
kurzen ledernen Schurz umgürtet und ausser mit ihrem einfachen
Ackergeräth mit dem gefürchteten ,,danisko”, der
leichten eisernen Streitaxt, oder mit einem Speere — „mä-
ssu” — bewaffnet, gingen stolzen Schrittes umher oder sas-
sen behaglich im Schatten eines schönen, schattigen Baumes
in Gruppen zusammen. Ihr ganzes Betragen zeigte den freien
Mann und sie gaben hinlänglich zu verstehen, dass dieser Boden
ihnen gehöre und dass der Fremde, wer immer er sein
möge, mit Bedacht und Rücksicht sich zu benehmen habe.
In Bezug auf ihre Bekleidung jedoch, so gering sie immer
war, vermuthete ich fast, dass sie für die Gelegenheit angelegt
war; denn als wir die erste Hüttengruppe erreichten,
kamen wir plötzlich an eine Grube mit einer Regenpfütze,
aus der ein hochgewachsenes und starkes Weib in vollkommener
Nacktheit, wie sie aus der Hand des Schöpfers her-
vorgegängen, ihren Wasserkrug auf dem Kopf, hervortauchte.
Der ungewohnte Anblick, zumal da sie von ganz reiner Rhabarberfarbe
war, schreckte nicht allein mich, sondern selbst
mein Pferd, das, dem civilisirten Bornu, dem Lande der
schwärzesten Rasse dieser Gegenden, entsprossen, ganz scheu
wurde. Ich habe jedoch bemerkt, dass viele heidnische
Stämme eine Kleidung, wie arm und spärlich sie auch immer
sein mag, für den Mann nothwendiger erachten, als für
die Frau.
Wir lenkten unsere Schritte zuerst nach der westlichen
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