6 I. Kapitel.
Wassermangel leiden muss, obgleich diese Leute, wenn sie
ihre Brunnen zu grösserer Tiefe graben wollten, natürlich
reichlicheren Wasservorrath finden würden. Die Pferde und
Binder des Dorfes kamen eben heraus, um getränkt zu werden
: welche Zeit und Mühe muss das kosten, da wir kaum
im Stande waren, zwei Thiere zu befriedigen!
Nachdem wir dieses Tagesgeschäft besorgt, eilten wir, die
Salzkaxawane wieder einzuholen. Unser Weg führte uns
durch dichtes Unterholz, wo der Kalbo mit seinen grossen,
trockenen, olivenfarbigen Blättern und langen rothen Schoten,
ähnlich denen der Charübe, aber wenigstens doppelt so gross,
ganz vorherrschend war. Indem wir dann das Dorf Mei-
hänkubä zur Rechten des Weges liessen, überholten wir bald
die Karawane; denn es ist bewundemswerth, mit welcher
Rüstigkeit die Asbenauischen Laststiere Lasten von mehr
als 200 Pfund fortschaffen. In der That können sich die
eigentlichen Sudan-Stiere in keiner Hinsicht mit ihnen messen;
sie sind fast ausschliesslich von brauner Farbe, haben mittlere
Grösse und kurze Hörner. Wir hielten uns nun in der
Gesellschaft des A'iri, der langsam auf den schmalen Pfaden
durch die waldige Landschaft dahin zog. Der Baum „göschi”
mit einer essbaren Frucht waltete hier vor; auch die Einsenkung,
in der wir lagerten, war dicht bewaldet. Hier
wusste mein neuer Gefährte sowohl durch die Sorge, welche
er für das Abendfeuer trug, das in der kalten Jahreszeit
selbst in Central-Afrika ein wichtiger Artikel ist und das
er auf die wissenschaftlichste Weise ordnete, als auch durch
die Berichte, welche er mir über die Strassen von Sinder
nach Kanö gab, ungemein zur Behaglichkeit unseres Lagers
beizutragen. Ich erfuhr bei dieser Gelegenheit von ihm,
dass vier verschiedene Strassen von Sinder nach Kanö führen;
die erste dieser Strassen geht über Daura (es ist die westlichste),
die zweite über Kasaure, die dritte über Garü-n-
Gedünia, die vierte iiber Gümmel, oder, wie er es aussprach,
Die Strassen von Sinder nach Kanö; der Teich Kudüra. 7
tiümiel *), „gari-n-sserki-n-Da-n-Tanöma” — „die Residenz
des Herrn Da-n-Tanöma” ; — diese letztere ist die östlichste
und längste Strasse.
Gadjere seihst kannte nur die dritte vollständig und gab
als ihre Stationen die folgenden an:
Von Sinder aufgehrochen, schläft man die erste Nacht in
Gögo, die zweite in Mokokia, die dritte in Sölunsölun, die
vierte in Magariiä, die fünfte in Tünfuschl, die sechste in
Garü-n-Gedünia; von da ist es 3 Tage weiter bis Kanö.
[Sonntag, 12tm Januar.] Ich mit Gadjere und meinen
Leuten brach bedeutend früher als die Karawane auf, um
unsere Thiere mit Müsse tränken und unsere Wasserschläuche
füllen zu können. - Diese tägliche Fürsorge für
unseren kleinen Haushalt verlieh der ganzen Reise eine
grosse Gemüthlichkeit. Es war ein herrlicher Morgen und
unser Marsch höchst angenehm. Hohes Gras, „gamba” genannt,
bedeckte den Boden. In heiterer Stimmung zogen
wir dahin und passirten einen gegenwärtig trockenen Brunnen;
der in einer kleinen Einsenkung lag und von schönen Bäumen
umgehen war, dem lebensvollen Aufenthalte zahlreicher
Perlhühner und Turteltauben. Hinter diesem Brunnen wird
die Landschaft offener und nach 5 Meilen Wegs erreichten
wir einen Teich — „tebki-n-rua” — Namens Kudüra, unmittelbar
rechts von unserem Pfade. Er war schon etwas
eingetrocknet und das Wasser hatte von der lehmigen Beschaffenheit
des Bodens eine ganz milchige Farbe angenommen,
aber während und nach der Regenzeit, wenn alle Bäume,
welche gegenwärtig seinen Rand umsäumten, augenscheinlich
in der Mitte des Wassers stehn, muss er von beträchtlicher
Grösse sein. Auch hier ist der Kalbo der vorwiegende Baum.
*) Eine ähnliche Verschiedenheit herrscht in dem Namen Marädi, der von
vielen Leuten Nord-Haussa’s „Mariädi” ausgesprochen wird. Es ist dies wohl
eine Eigenthümlichkeit des Göber-Dialektes.